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Beitrag vom 27.07.2015

Finanz und Wirtschaft

Obama auf Tour am Horn von Afrika

WOLFGANG DRECHSLER, KAPSTADT

Die Staaten Afrikas stehen in der Pflicht, weit mehr Anreize als bisher für eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu schaffen.

Der amerikanische Präsident mahnt seit Jahren, Afrikas Genesung liege im Ablösen seiner oft korrupten Eliten. Kenia, die Heimat seines Vaters, besucht er daher erst jetzt. Ein Kommentar von Wolfgang Drechsler.

Gross war der Jubel, als US-Präsident Barack Obama sich vor sechs Jahren auf einer ersten Stippvisite in Ghana zu seinen afrikanischen Wurzeln bekannte. Für den wirtschaftlich zurückgefallenen Kontinent schien der Sohn eines Kenianers und einer Amerikanerin bereits kraft seiner Herkunft eine politische wie wirtschaftliche Zeitenwende einzuläuten.

Dabei erinnerte die Verklärung Obamas zum Afrikaretter damals mehr an das Verhalten eines Waisenkinds, das plötzlich einen reichen Onkel entdeckt – und sogleich Trost wie materiellen Beistand bei ihm sucht.

Dass alles ganz anders kam, hat viele Afrikaner tief enttäuscht: Die schwere Finanzkrise gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft liess Afrika für Obama jedenfalls schnell aus dem Fokus verschwinden. Mit seiner Visite in Kenia und Äthiopien hofft er nun zumindest, zum Ende seiner Amtszeit ein Zeichen zu setzen.

China hat die USA überholt

Schliesslich haben sich seine beiden Vorgänger weit mehr für Afrika engagiert: Bill Clinton gewährte Afrika den Growth and Opportunity Act (Agoa), ein grosszügiges Freihandelsabkommen, das bis Ende 2015 den zollfreien Export von mehr als 6000 afrikanischen Produkten in die USA erlaubt. Und der oft geschmähte George W. Bush ist für viele Afrikaner bis heute ein Held, weil er mehr als jeder andere Politiker gegen die Aids-Epidemie in Afrika unternommen hat.

In der Folge hat sich ausgerechnet unter dem ersten schwarzen US-Präsidenten China als grösster Handelspartner Afrikas etabliert. Dass dies gelang, lag aber auch daran, dass sich Afrika zumindest bis vor kurzem China völlig unkritisch in die Arme warf – und darüber die alten Bande zu Amerika derart vernachlässigte, dass der Handel mit den USA in den vergangenen zehn Jahren auf 60 Mrd. $ geschrumpft ist. Im Gegenzug hat sich der Warenaustausch Afrikas mit China seit 2000 von einst 10 auf nun fast 200 Mrd. $ erhöht.

Auf Zustimmung stösst bei den afrikanischen Machthabern aber auch, dass die Regierung in Peking, anders als diejenige in Washington, keine Moralpredigten für mehr Demokratie und Transparenz hält, sondern bis heute selbst mit den schlimmsten Diktatoren in Simbabwe oder dem Sudan kooperiert. Obama hatte hingegen schon bei seinem Besuch in Ghana die Genesung Afrikas in der Ablösung seiner oft korrupten Eliten geortet. Die Heimat seines Vaters hatte er deshalb trotz der grossen symbolischen Bedeutung des Landes für ihn bis jetzt ausgespart.

Islamismus als Protestideologie gegen die alten Eliten

Neben mehr Handel und Demokratie dürfte auf der Visite vor allem der immer schlimmere islamistische Terror in Afrika das Programm dominieren. Besonders das vorwiegend christliche Äthiopien, das Obama am Montag und Dienstag besucht, zählt nicht nur zu den wirtschaftlichen Hoffnungsträgern, sondern gilt seit langem auch als der wichtigste afrikanische Partner der USA im Kampf gegen die Dschihadisten auf dem Kontinent.

Vor allem aber Kenia und sein Tourismus leiden seit Jahren unter immer neuen Anschlägen der Al-Shabaab-Miliz aus dem benachbarten Somalia. Beobachter sprechen bereits davon, dass seine Nordküste womöglich bald dem nördlichen Nigeria gleichen könnte, wo die Steinzeitislamisten von Boko Haram seit Jahren morden und die Einheit des bevölkerungsreichsten Staates in Afrika bedrohen. Gegenwärtig ist mehr als ein Dutzend Staaten südlich der Sahara vom radikalen Islam bedroht. Sie liegen fast alle am Sahel, am Südrand der Sahara, und erstrecken sich vom Bauch des Kontinents im Westen bis zu seinem Horn im Osten.

Inzwischen wird immer deutlicher, dass sich der Islamismus zu einer neuen Protestideologie vieler junger und arbeitsloser Menschen gegen die überalterten Eliten auswächst, die sich mit Macht an die Pfründen des Amtes klammern und an einer Änderung des Status quo keinerlei Interesse haben. Schon deshalb bleibt der Kampf gegen die Radikalen derzeit fast ganz den USA und dem Westen überlassen. Frankreichs Notoperation gegen die vorrückenden Islamisten in Mali vor zwei Jahren hat dies eindrücklich bewiesen.

Es liegt an den Afrikanern selbst

Doch Waffen allein werden kaum ausreichen, um diesen Kampf zu gewinnen. Ebenso wichtig sind demokratischere Institutionen und mehr Handel. Schon deshalb stehen die Staaten Afrikas in der Pflicht, weit mehr Anreize als bisher für eine stärkere Zusammenarbeit mit dem Privatsektor zu schaffen – und nicht alle Ansätze gleich mit einer überbordenden Bürokratie und der damit verbundenen Korruption im Keim zu ersticken.

Die Afrikaner wären jedenfalls gut beraten, sich der einstigen Mahnung Obamas zu erinnern, dass nicht der Westen mit seinen Hilfsgeldern, sondern sie selbst die Zukunft ihres Kontinents in den Händen halten.