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Beitrag vom 19.07.2015

Sächsische Zeitung

„Afrikas Pinochet“ vor Gericht

Mit der Anklage gegen den früheren tschadischen Machthaber Habré wird erstmals einem Ex-Diktator auf dem afrikanischen Kontinent der Prozess gemacht. Auch Deutschland unterstützt das Verfahren.

Von Kristin Palitza

© dpa

Dakar/N’djamena. Einst trug Hissène Habré den wenig schmeichelhaften Spitznamen „Afrikas Pinochet“. Dazu kam es nicht von ungefähr: Der tschadische Diktator war im ganzen Land wegen seiner Methoden gefürchtet. Sie erinnerten stark an das Vorgehen des chilenischen Militärdiktators Augusto Pinochet, der die Opposition zwischen 1973 und 1990 mit Festnahmen, Folter und Mord unterdrückte.

Bis 1990 dauerte auch die Herrschaft Habrés, der sich nun nach 25 Jahren einem schon im Vorfeld Aufsehen erregenden Prozess stellen muss. An diesem Montag (20. Juli) beginnt in der senegalesischen Hauptstadt Dakar die Verhandlung gegen den einstigen Despoten. Ein Sondertribunal wirft ihm Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gezielte Tötungen sowie Folter vor.

Nach Aussage von Menschenrechtlern ist Habré - der den Tschad von 1982 bis 1990 regierte - für den Tod von 40 000 Menschen und Zehntausende Fälle von Folter verantwortlich. Es wird erwartet, dass einige der Opfer seiner Diktatur vor Gericht als Zeugen aussagen. Für die afrikanische Justiz ist das Verfahren ein Präzendenzfall, schließlich ist der heute 72-Jährige der erste afrikanische Ex-Präsident, der südlich der Sahara vor Gericht gestellt wird.

„Der Prozess gegen Hissène Habré zeigt, dass es für die Opfer möglich ist, einen Diktator mit Ausdauer und Entschlossenheit vor Gericht zu bringen“, sagt Reed Brody, Anwalt bei Human Rights Watch (HRW). Der Fall zeige allen Tyrannen, dass sie im Falle von Gräueltaten fortan nicht mehr unerreichbar für ihre Opfer seien.

Habré war nach dem Ende seiner achtjährigen Regierungszeit 1990 in den Senegal geflüchtet. Dort lebte er 22 Jahre lang ungestört in Dakar. Bereits im Februar 2009 hatte Belgien beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag ein Verfahren gegen den Senegal angestrengt. Hintergrund waren die Klagen dreier Tschader mit belgischer Staatsangehörigkeit, die gegen Habré geklagt hatten. Belgien bat den IGH daraufhin, dieser solle den Senegal auffordern, den afrikanischen Ex-Diktator auszuliefern oder ihm selbst den Prozess zu machen.

In seiner früheren Heimat war Habré schon 2008 in Abwesenheit zum Tode verurteilt worden. Doch eine Auslieferung hatte der Tschad nie bei der senegalesischen Regierung beantragt. Erst als US-Präsident Barack Obama im Sommer 2013 Dakar besuchte und dabei seine Unterstützung für einen Prozess gegen den früheren Diktator kundtat, wurden die senegalesischen Behörden aktiv. Kurz darauf erfolgte die Festnahme Habrés.

„Die Verhandlung gegen Hissène Habré bedeutet das Ende unserer Albträume, mussten wir doch zahlreiche rechtliche, menschliche und finanzielle Hindernisse in den vergangenen Jahren überwinden“, sagt Jacqueline Moudeina der Deutschen Presse-Agentur. Die Anwältin vertritt einige Opfer Habrés. Darunter ist auch Abdourahmane Gaye, der vor Gericht aussagen wird. Kaum jemand habe daran geglaubt, dass Habré eines Tages in Dakar der Prozess gemacht wird: „Es klang wie ein Traum, aber jetzt wird dieser Traum Wirklichkeit.“

Insgesamt 700 Seiten umfasst der Bericht, in dem HRW vor zwei Jahren die Verbrechen Habrés aufschlüsselte. Darin kommen die Verfasser zu dem Schluss, dass der Diktator nicht bloß aus der Ferne die in seinem Namen begangenen Gräueltaten duldete, sondern vielmehr die Sicherheitskräfte steuerte und kontrollierte, „die jene folterten und töteten, die in Opposition zu ihm gegangen waren oder einfach der falschen ethnischen Gruppe angehörten“.

Verhandelt wird Habrés Fall vor einem Sondertribunal, das die Afrikanische Union (AU) innerhalb des senegalesischen Justizsystems eingerichtet hat. Sollte der Angeklagte für schuldig befunden werden, droht ihm laut HRW eine lebenslange Haft. Etwa die Hälfte der Kosten für das Tribunal tragen europäische Staaten, darunter auch Deutschland. Den Rest übernehmen der Tschad, die USA und die AU.

„25 Jahre des Wartens sind mehr als genug“, sagt Clement Abaifouta Dokhot. Er ist Präsident der in N’djamena ansässigen Vereinigung der Opfer von Verbrechen und politischer Repression im Tschad. In dem zentralafrikanischen Land scheint sich derweil ein anderer Umgang mit der Vergangenheit abzuzeichnen. So wurden im März sieben Schergen Habrés wegen Folter, Mordes und anderer Verbrechen zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Angeklagten und die tschadische Regierung wurden außerdem dazu verurteilt, den 7000 als Kläger aufgetretenen Opfern des früheren Regimes insgesamt rund 115 Millionen Euro Schadenersatz zu zahlen - eine sehr große Summe für das verarmte Land. (dpa)