Beitrag vom 08.06.2015
NZZ
G-7 setzt auf Mikroversicherungen
Arme Länder kooperieren, um sich gegen Dürren abzusichern, Bauern schliessen Mikroversicherungen ab. Solche Ansätze haben gegenüber der klassischen Hilfe Vorteile - doch selbsttragend sind sie nicht.
von Christoph Eisenring, Garmisch
Die African Risk Capacity (ARC) hat 2014 erstmals Gelder an Länder ausbezahlt, die unter einer Dürre litten: 25 Mio. $ gingen an Mauretanien, Niger und Senegal , deren Prämienzahlungen 8 Mio. $ betragen hatten. Die ARC-Versicherung ist ein Pool, dem sich in einer ersten Phase fünf Länder Afrikas angeschlossen haben. Mit den Auszahlungen können die Staaten Nahrungsmittel kaufen, um die unmittelbare Not zu lindern. Mitmachen kann ein Land aber nur, wenn es Pläne hat, wie es das Geld im Ernstfall einsetzt. An der Kapitalisierung der Versicherungsfirma mit 200 Mio. $ waren auch die deutsche und Schweizer Entwicklungshilfe beteiligt.
Am Montag geht es vor allem um den Klimawandel, die Terrorismus-Bekämpfung und den Kampf gegen Armut. Shinzo Abe und Angela Merkel begrüssen sich vor dem Arbeitsmeeting.
Versicherung statt Almosen
Versicherungen gegen extreme Wetterereignisse sind auch Thema am Gipfel der sieben grossen Industrienationen in Elmau. Derzeit profitieren rund 100 Mio. Menschen in Entwicklungsländern von einem gewissen Versicherungsschutz. Deutschland möchte, dass es 2020 schon 500 Mio. Menschen sind - ein äusserst ambitioniertes Unterfangen. Darunter fällt eine ganze Palette von Produkten. Neben der Absicherung von Ländern stehen Mikroversicherungen im Fokus, bei denen das Geld an einzelne Personen geht. Im Vorfeld der G-7-Tagung gab sich ein Regierungsvertreter nun allerdings vorsichtiger. Er sprach von einer Verdoppelung auf 200 Mio. Menschen in einer erste Phase.
Laut Peter Höppe von der Munich Re, der auch der Münchener Klimaversicherungs-Initiative (MCII) vorsteht, haben solche Assekuranzlösungen gegenüber klassischen Transfers drei Vorteile: Erstens sind die Zahlungen verlässlich und kommen den Begünstigten rasch zugute. Sie orientieren sich an messbaren Wetterereignissen, etwa der Niederschlagsmenge oder der Windgeschwindigkeit. Eine komplizierte Aufnahme von Schäden entfällt. Höppe verweist auf eine von der MCII initiierte Mikroversicherung in der Karibik. Innert 48 Stunden wüssten die Versicherten, ob sie eine Auszahlung erhielten, die nach spätestens 14 Tagen erfolge.
Zweitens gehen mit Mikroversicherungen stets Präventionsmassnahmen einher. Als Erstes wird eine Bestandesaufnahme der Risiken vorgenommen. Dabei wird geklärt, wie weit die Landwirte mit geänderten Bewässerungs- und Anbaumethoden die Anfälligkeit für Klimaereignisse verringern können. So will man vermeiden, dass sich die Bauern zu stark auf die Versicherung verlassen. Drittens schliesslich sind die Begünstigten nicht einfach Almosenempfänger wie bei der klassischen Entwicklungshilfe, sondern Prämienzahler mit dem Anspruch auf Zahlungen, wenn der Versicherungsfall eintritt. Man darf sich allerdings keine Illusionen machen. Ohne Subventionen würden solche Versicherungen kaum nachgefragt. Bei der ARC werden die Einführungskosten von den Geberländern getragen, ebenso die Datenaufbereitung, also etwa die Schätzung von Wahrscheinlichkeiten für Dürren. Ziel sei es, dass die Prämien nach einer Anfangsphase nicht mehr subventioniert würden, erklärt Höppe.
Die Prämien werden über die Zeit allmählich steigen, weil der Klimawandel voranschreitet und extreme Wetterereignisse tendenziell zunehmen. Den Versicherten wird deshalb oft die Möglichkeit eingeräumt, die Prämie in Form von Arbeit für die Gemeinschaft abzutragen. Sie bauen Dämme oder pflanzen Bäume. Über die R4-Initiative sind in Äthiopien und Senegal rund 26 000 Bauern gegen Dürre versichert. Nur 5% von ihnen bezahlen die gesamte Prämie in bar. Damit muss das Geld für die Versicherung von den Gebern aufgebracht werden.
Einseitiger Fokus der G-7
All dies sind spannende Projekte. Für deren Finanzierung könnte der Grüne Klimafonds angezapft werden, der derzeit ein Volumen von 10 Mrd. $ hat und bis 2020 auf 100 Mrd. $ wachsen soll. Solch gigantische Versprechen sind allerdings gefährlich. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Die Vereinten Nationen fragen derzeit weltweit Bürger danach, was ihr Leben besser machen würde. Die meisten der bisher gut 7 Mio. Teilnehmer nannten zuallererst eine gute Ausbildung und bessere Gesundheitsversorgung. Dies sollte die G-7-Länder stutzig machen, ob ihr starker Fokus auf den Kampf gegen den Klimawandel nicht zu einseitig ist.