Beitrag vom 06.12.2014
FAZ
Zimbabwe lebt von der Hand in den Mund
Das Land erlebt den zweiten Absturz in 14 Jahren / Doch die Regierung verschließt die Augen
tos. JOHANNESBURG, 5. Dezember. Es gab eine Zeit, da herrschte so etwas wie Aufbruchstimmung in Zimbabwe. Das war 2009, als die Landeswährung Zimbabwe-Dollar sehr hohe Inflationszahlen erreicht hatte und durch den südafrikanischen Rand und den amerikanischen Dollar als Zahlungsmittel ersetzt wurde. In Harare regierte als Ministerpräsident damals der Oppositionsführer Morgan Tsvangirai, der Präsident Robert Mugabe in der Koalitionsregierung zudem das Finanzministerium abgetrotzt hatte, das mit dem als fähig geltenden Tendai Biti besetzt wurde. Fast über Nacht füllten sich die Regale in den Supermärkten wieder, und das Schlimmste schien ausgestanden. Die zuvor von Mugabes Landenteignungsprogramm abgewürgte Wirtschaft erholte sich mit Wachstumsraten von jährlich 10 Prozent.
Doch das ist Geschichte. Im vergangenen Jahr gewann die Mugabe-Partei Zanu-PF die mutmaßlich gefälschten Wahlen, und seither geht es wieder bergab. Der neuerliche Verfall hat mit dem Preisverfall bei Rohstoffen zu tun, die für 70 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes verantwortlich sind, und mit dem Erstarken des amerikanischen Dollars gegenüber der Leitwährung im südlichen Afrika, dem südafrikanischen Rand. Vor allem aber hat der zweite Niedergang in 14 Jahren mit der Fortsetzung einer Wirtschaftspolitik zu tun, die nur als selbstmörderisch bezeichnet werden kann.
So haben Mugabe und seine Partei unter anderem verfügt, dass künftig 51 Prozent der Anteile eines ausländischen Unternehmens in zimbabwischem Besitz sein müssen. Und sie wundern sich neuerdings, dass niemand in Zimbabwe investieren will. Dabei braucht das Land genau das: Auslandsinvestitionen, um nicht nur seine marode Infrastruktur zu sanieren, sondern auch, um neue Arbeitsplätze und damit Staatseinnahmen zu generieren.
Die Arbeitslosigkeit in Zimbabwe liegt gegenwärtig zwischen 60 und 80 Prozent. Genauere Zahlen sind nicht erhältlich, weil das statistische Amt Anweisung hat, den eigenen Bankrott nicht auch noch öffentlich zu machen. Die wenigen industriellen Betriebe, die das Land noch aufzuweisen hat, laufen auf Sparflamme, wenn sie nicht gleich dichtgemacht haben. Das Pro-Kopf-Einkommen in Zimbabwe ist mittlerweile auf lediglich 600 Dollar im Jahr abgesackt. Gleichzeitig aber wurde den Staatsdienern unlängst eine Gehaltserhöhung von 26 Prozent spendiert, was dazu geführt hat, dass 70 Prozent des ohnehin bescheidenen Steueraufkommens für deren Salär aufgewendet werden muss.
Zimbabwe lebt von der Hand in den Mund. Weil das Land kaum noch etwas produziert, müssen drei Viertel aller Konsumgüter importiert werden, überwiegend aus Südafrika. Das jährliche Handelsdefizit beträgt inzwischen drei Milliarden Dollar. Zwischen 2009, der Einführung des Dollars als Zahlungsmittel, und 2014 hat Zimbabwe damit 15 Milliarden Dollar mehr ausgegeben, als es eingenommen hat. Die Auslandsschulden des Landes sind allein seit 2011 um 50 Prozent gestiegen und belaufen sich nunmehr auf 8,5 Milliarden Dollar beziehungsweise 90 Prozent des Bruttosozialproduktes. Immerhin hat Zimbabwe vor rund sechs Monaten die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) wiederaufgenommen, um in den Genuss einer Umschuldung beziehungsweise eines Schuldenschnitts zu kommen. Die Bedingungen des IWF, der unter anderem Auskunft über sämtliche Einnahmen aus dem Verkauf von Diamanten verlangt, wurden bislang allerdings nicht erfüllt.
Zimbabwe sucht deshalb sein Heil in bilateralen Abkommen mit Russland und China. Die Höhe dieser Kredite wird gegenwärtig auf sechs Milliarden Dollar geschätzt. Auf die gegenwärtigen Exporterlöse umgerechnet, heißt das, dass die Auslandsschulden in den kommenden vier bis fünf Jahren von derzeit 186 Prozent aller Exporte auf 415 Prozent ansteigen werden. Dass diese Rechnung nie aufgehen wird, scheinen auch die Chinesen inzwischen eingesehen zu haben. Von seinem letzten Besuch in Peking im Oktober kehrte Finanzminister Patrick Chinamasa jedenfalls mit leeren Händen zurück.
Das hält die Regierung aber nicht davon ab, die Dinge schönzureden. Der Finanzminister prognostiziert für 2014 ein Wirtschaftswachstum von über 6 Prozent und stört sich nicht daran, dass die zimbabwische Zentralbank ein Wachstum von lediglich 3 Prozent erwartet. Schließlich hat Mugabe ja noch seinen "Zim-Asset" getauften Entwicklungsplan im Ärmel, der über die kommenden fünf Jahre die Schaffung von 2,2 Millionen Arbeitsplätzen prognostiziert und dafür auf Auslandsinvestitionen setzt. Die Zentralbank hat ausgerechnet, dass die zimbabwische Volkswirtschaft zum Erreichen dieses Ziels jährlich um 20 Prozent wachsen müsste. Das, so einer der Zentralbanker, sei "ein abstruser Gedanke".