Beitrag vom 18.07.2012
Allgemeine Zeitung,Windhoek
AU-Chefposten: Südafrikas vermeintlicher außenpolitischer Triumph
von Wolfgang Drechsler
Fast wäre die Fassade afrikanischer Einheit am Wochenende in aller Öffentlichkeit zerbrochen: Nachdem sich die Afrikanische Union (AU) schon zu Jahresbeginn nicht auf eine neue Führungsperson einigen konnten, brauchte die Organisation auch auf ihrem jüngsten Gipfel in Äthiopien vier weitere Wahlgänge, ehe Südafrikas Innenministerin Nkosazana Dlamini-Zuma schließlich die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit erhielt - und damit als erste Frau an die Spitze des panafrikanischen Staatenbundes mit seinen 54 Ländern rückt. Anders als zu Jahresbeginn hatte die 63-Jährige diesmal jedoch bei allen Wahlgängen vor dem bisherigen Amtsinhaber Jean Ping aus Gabun gelegen, der sich daraufhin freiwillig zurückzog.
Unklar ist, warum Südafrika mit seinem kompromisslosen Festhalten an der mächtigen, aber selbst daheim wenig populären Vollblutpolitikerin die Einheit der AU aufs Spiel setzte - und die bereits schwache Organisation mit seinen unverhohlenen Machtspielen monatelang lähmte. Ein Grund dürfte in der überzogenen Selbsteinschätzung des Landes liegen: International ist Südafrika allenfalls ein Mittelgewicht, doch kämpft es seit längerem in der Superschwergewichtsklasse. Geschmeichelt durch die Aufnahme in den elitären Club der BRIC-Staaten, dem mit Brasilien, Russland, Indien und China die vier bedeutendsten Schwellenländer angehören, will Südafrika seine herausgehobene Position nun offenbar auch auf dem eigenen Kontinent zur Schau stellen. Zu der Machtdemonstration dürfte aber auch die erneute Wahl des Landes in den UN-Sicherheitsrat beigetragen haben.
Allerdings könnte Afrikas stärkste Volkswirtschaft seinen vermeintlichen außenpolitischen Triumph noch teuer bezahlen. Denn der Widerstand gegen Südafrikas hegemoniale Tendenzen wächst, insbesondere in Nigeria, aber auch bei vielen französischsprachigen Ländern in West- und Zentralafrika.
Dlamini-Zuma dürfte jedenfalls einen antiwestlicheren Kurs als ihr stets um Ausgleich bemühter Vorgänger steuern. Bereits im letzten Jahr hatte Südafrika die französische Hilfe beim Sturz des ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo, der seine Wahlniederlage nicht akzeptierte, als "neo-koloniale Einmischung" gegeißelt. Wenig später beschuldigte man Frankreich zudem, die (reichlich naiven) Friedensbemühungen der AU in Libyen torpediert zu haben.
Ob ausgerechnet eine Dogmatikerin wie Dlamini-Zuma die tiefe Kluft zwischen dem französischsprachigen Afrika und dem Rest des Kontinents kitten kann, darf bezweifelt werden. Regierungserfahrung hat die Ex-Frau des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, mit dem sie vier Kinder hat (beide wurden 1998 geschieden) zur Genüge. Seit dem politischen Gezeitenwechsel am Kap vor 18 Jahren stand die frühere Untergrundkämpferin und ausgebildete Ärztin an der Spitze mehrerer Ministerien ihres Heimatlandes - zunächst als Gesundheitsministerin, dann als Außen- und Innenministerin. Bewegt hat sie dabei wenig: Bereits ihre Aids-Politik stieß auf Widerstand, weil sie ein Anti-Aids-Mittel protegierte, das sich später als völlig wirkungslos entpuppte. Auch unterstützte sie in ihren fast zehn Jahren als Außenministerin bis zuletzt Simbabwes Diktator Robert Mugabe - und hat dadurch großen Anteil daran, dass dieser noch immer im Amt ist. Selbst das Innenministerium führte sie zuletzt eher schlecht als recht. Insider sprechen von verheerenden Zuständen.
Es entbehrt deshalb nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Dlamini-Zuma die AU nun zu einer "effizienteren Organisation" formen will. Immerhin hat sie einen guten Start gehabt: Wie am Rande des AU-Gipfels bekannt wurde, wollen der Sudan und Südsudan ihren erbitterten Konflikt über die Öleinnahmen und die Grenzziehung angeblich friedlich beilegen. In der Vergangenheit haben sich solche Versprechungen jedoch oft als Worthülsen erwiesen. Es bleibt abzuwarten, ob es dem Spaltpilz Dlamini-Zuma gelingt, die vielen Brandherde in Afrika wirklich zu löschen.