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For a different development policy!

Beitrag vom 28.03.2012

Bundestagsausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (AWZ)

Die Vor- und Nachteile bilateraler und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit

Zusammenfassungen der Autoren

Dr. Stephan Klingebiel, Deutsches Institut für Entwicklungspolitik (DIE)

Die Unterscheidung zwischen bi- und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit (EZ) ist in der Praxis oftmals nicht eindeutig möglich, vielmehr gibt es verschiedene Zwischen- und Sonderformen. Insbesondere die EZ der EU-Institutionen unterscheidet sich von der multilateralen EZ.

Ob bi- oder multilateraler EZ bestimmte Vor- oder Nachteile aufweist, sollte vorrangig aus der Perspektive der Partnerseite und damit unter dem Aspekt der "Wirksamkeit" betrachtet und bewertet werden. Wenn ein fragmentiertes EZ-System nachteilig für die Partnerseite ist (hohe Transaktionskosten, wenig Transparenz, hohe Overhead- Kosten zum Unterhalt des Systems etc.), stellt sich nicht vorranging die Frage nach "bi- und/oder multilateraler EZ" (wie dies in der Vergangenheit oft der Fall war), sondern grundsätzlicher nach einer EZ-Angebotsstruktur auf der Geberseite.

Analysen stützen nicht die Annahme, dass die Qualität multilateraler EZ unbefriedigend ist; vielmehr belegen Studien eine insgesamt gute Qualität nicht zuletzt im Vergleich zur bilateralen EZ.

Der Kontext, in dem Entwicklungszusammenarbeit stattfindet, verändert sich mit einem hohen Tempo. Entwicklungspolitische Aufgaben werden zunehmend im Zusammenhang mit der Bereitstellung von öffentlichen Gütern zu behandeln sein; multilaterale EZ hat eine wichtige Rolle, um bei kollektiven Handlungsmustern mitzuwirken.

Prof.Dr. Helmut Reisen OECD, Development Centre

Kernaussage:
Die Allokation der EZ auf bilaterale und multilaterale Träger beruht auf einer elementaren Abwägung: Der Wunsch nach Kontrolle, Verantwortung, Sichtbarkeit und positiven Wirtschaftseffekten im Geberland mag für einen hohen bilateralen Anteil sprechen; ein hoher multilateraler Anteil dagegen kann positive Skaleneffekte der Ballung von Ressourcen und Know How, Präsenz vor Ort und bei der Bedienung globaler und regionaler öffentlicher Güter reflektieren. Die Geberagentur, die einen Teil ihrer EZ auf multilaterale Institutionen überträgt, bewegt sich im Spannungsfeld von nationalem Kontrollverlust und Übereinstimmung mit multilateralen Entwicklungszielen. Deutschland, mehr denn je, muß sich deshalb entscheiden zwischen proaktiver Beeinflussung der multilateralen Entwicklungsinstitutionen und deren relativen finanziellen Vernachlässigung. Die Nachfolgediskussion zu den Millenniumzielen sollte genutzt werden, über die Zuständigkeit multilateraler Institution für die jeweiligen Entwicklungsziele nachzudenken und dabei durch klare Verteilung der Aufgaben multilaterale Kompetenz und Haftung in der EZ zusammenzuführen.

Dr. Klaus Schilder, Global Policy Forum Europe

Seit einigen Jahren zeichnet sich eine zunehmende Unschärfe bei der Kategorisierung zwischen bilateraler und multilateraler Entwicklungszusammenarbeit ab.Während einerseits die multilaterale Zusammenarbeit durch steigende bilaterale Beistellungen von freiwilligen deutschen ODA-Beiträgen an multilaterale Organisationen "bilateralisiert" wird, folgt aus den internationalen Vereinbarungen zur Steigerung derWirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit bedingten und der verstärkten Hinwendung zu Instrumenten der programmorientierten Gemeinschaftsfinanzierung eine verstärkte Koordination bilateraler Geber und multilateraler Organisationen in Gebergruppen - die bilaterale Zusammenarbeit wird gewissermaßen "multilateralisiert". Eine durch nationale politische Vorgaben festgelegte starre Quotierung des multilateralen Anteils der Gesamt-ODA Deutschlands steht daher in einemdirekten Spannungsverhältnis zu den Erfordernissen einer zeitlich und thematisch flexiblen Mittelallokation zwischen bilateralen Programmen und der Zusammenarbeit mit multilateralen Organisationen. Es besteht sogar die Gefahr, dass sinnvolle Maßnahmen der multilateralen Entwicklungszusammenarbeit aus formalen Quotierungszwängen nicht oder nicht in ausreichenderWeise erfolgen können. Das bisherige Systemeiner festen Quote imVerhältnis von bilateraler zu multilateraler Entwicklungszusammenarbeit sollte daher zugunsten eines flexibel anhand einer ressortübergreifenden Strategie zur multilateralen Entwicklungszusammenarbeit festgelegten und zeitlich dynamischen multilateralen Anteils an der gesamten deutschen ODA abgeschafft werden.

Tobias Hauschild, Oxfam Deutschland e.V.

Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit ist ein Weg, um die durch eine Vielzahl von Gebern entstehende Fragmentierung der Entwicklungszusammenarbeit zu verringern und die EZ-Partnerländer zu entlasten. Es bedarf einer umfassenden Bewertung der Leistungen der verschiedenen multilateralen Organisationen, um zu einer klaren Einschätzung hinsichtlich ihrer jeweiligen Beiträge zur Erreichung der deutschen EZ-Ziele zu kommen.

Um die Wirksamkeit zu erhöhen, gilt es, die bilaterale EZ zunehmend zu "multilateralisieren". Daher sollte der Einsatz von Programmbasierten Ansätzen (PBA) im Rahmen von Gebergruppen in der bilateralen EZ eine größere Rolle spielen. Das BMZ sollte dementsprechend diese Ansätze ausweiten.