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Beitrag vom 24.09.2009

Märkische Allgemeine 24.09.2009

GLOBALISIERUNG: Jenseits von Afrika
"Hass auf den Westen": Bei der Potsdamer Tafelrunde gab es trotz des zornigen Themas Übereinstimmungen

POTSDAM - Es müssen nicht immer Prominente wie Rocksänger Bono sein, die nach Afrika reisen, über schwarze Kinderköpfe streicheln und vom Elend reden. Die Deutschen sind EU-weit das Volk mit der größten Spendenbereitschaft, wenn es ums "arme Afrika" geht. Und die Entwicklungshilfe rollt. Zwei Männer, die sich lange Jahre mit Afrika beschäftigt haben, kommen in zwei sehr unterschiedlichen Büchern zum selben Schluss: Die gut gemeinte Fürsorge tut weder den Drittweltsländern wohl, noch ihrer Sicht auf den Westen.
Afrikas "Hass auf den Westen", war ein ungewohnt emotionales Thema für die Potsdamer Tafelrunde, veranstaltet vom Brandenburgischen Literaturbüro, Konrad-Adenauer-Stiftung und MAZ. Der bissige (Buch-)Titel stammt von dem Schweizer Jean Ziegler, einem langjährigen Mitarbeiter der UN-Menschenrechtskommission. Ziegler ist 75, hartgesotten und verfügt über einen Erfahrungsschatz, den er mühelos zu ganzen Salven von Beispielen formen und auf sein Publikum abfeuern kann. MAZ-Moderator Ralf Schuler bemerkt, Zieglers Sätze "endeten statt mit Punkt mit einem Komma".
Volker Seitz fasst sich kürzer. Er war 17 Jahre im diplomatischen Dienst in Afrika, zuletzt Botschafter in Kamerun. Er kann das Schweizer Redetemperament nicht übertreffen. Er versucht es auch nicht, sondern tut sich als Zuhörer hervor, der im richtigen Moment kontert. Sein Buch heißt "Afrika wird armregiert", und beruht gleichfalls auf vielen persönlichen Begegnungen. Zieglers zornig-scharfe Aussagen kommentiert Seitz leise, aber eindringlich. In ihrem Auftreten trennen die beiden Welten, doch ihre Thesen steuern in dieselbe Richtung.
Da ist die Streitfrage Schuldenerlass. Es geht um Nigeria, ein bitterarmes Land, das jedoch zu den weltweit größten Rohölexporteuren zählt. "Dafür wird es bezahlt", sagt Volker Seitz, "nur lassen die herrschenden Eliten das Geld nicht der Bevölkerung zukommen." Er weiß zudem aus Kamerun von einem "Entschuldungstopf" zu berichten, in dem Geld für Bildung angelegt werden sollte. Das Vorhaben schlug fehl, die Regierung erwies sich als unfähig, die Bedürftigen zu erreichen. Seitz' Fazit ist auch ein energischer Appell an die Politik: Gelder aus der Entwicklungshilfe nicht willkürlich nach Afrika pumpen, sondern deren Wirkung prüfen.
Kritik an staatlichen Entwicklungshilfen gibt es auch von Jean Ziegler: "Sie machen die Herrschaftskamarilla einiger afrikanischen Staaten zu Hampelmännern des Westens." Der Finanzkapitalismus heute sei weitaus schlimmer als der Kolonialismus von einst. Dass es Oligarchen gibt, die das System durchschauen, bestätigt der Schweizer, genauso den Hass der in Armut lebenden Bevölkerung auf den Westen, weil der die Märkte kontrolliere. "Soweit, dass portugiesische Früchte auf den Märkten Westafrikas landen, und einheimischen Bauern ihr Auskommen nehmen." Die vielen Hungerflüchtlinge, die jedes Jahr über das Mittelmeer den Weg ins gelobte Land suchten, seien eine Folge der "europäischen Heuchelei".
Entwicklungshilfe müsse in Zukunft weniger wirtschaftlich und mehr politisch "gedacht" werden, fasst Volker Seitz Zieglers Rede zusammen. Anders als sein Gegenüber sieht er nicht nur das Rohstoffe plündernde, "böse" Europa am Zug, sondern auch das "arme" Afrika, "das sich bisher auf westliche Problemlöser verlässt und zusieht, wie seine intellektuellen Eliten abwandern". Dazu fallen nun ihm Beispiele ein, etwa Kameruns Staatschef, Paul Biya, der mit EU-Geldern in Genf zur Kur weilt, oder Simbabwes Robert Mugabe: Er kaufte jüngst eine vier Millionen Dollar teure Villa in Hongkong. Seitz: "Seine Tochter studiert dort und soll gut untergebracht sein."
(Von Tanja Kasischke)