Beitrag vom 13.05.2009
Süddeutsche Zeitung
Das falsche Afrika-Bild
Von Judith Raupp
In der Wirtschaftskrise lebt das Klischee: Hier die Gönner, dort die Opfer
Weltweit stellt die Wirtschaftskrise derzeit die ökonomischen Spielregeln auf den Kopf. Nur eines scheint zu bleiben, wie es immer war: das Verhältnis zwischen den Industrieländern und Afrika. Die reichen Staaten geben sich betont bemüht, ihre Zeitgenossen im Süden in der Not nicht zu vergessen - und neigen bisweilen zum Alarmismus. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) warnt, die afrikanischen -Volkswirtschaften würden aufgrund der Krise "brutal absackenâ€, die Organisation der 30 führenden Industrienationen befürchtet mehr Armut und sogar neue Unruhen in Afrika. Weltbankchef Robert Zoellick sieht die nächste humanitäre Krise aufziehen. Und der zuständige Manager des Internationalen Währungsfonds (IWF), Takatoshi Kato, fordert die internationale Gemeinschaft auf, bloß nicht zu vergessen, wie sehr Afrika leide. Aus all dem spricht das bekannte Verhaltensmuster: Hier die großzügigen Gönner, dort die schuldlosen Opfer.
Doch nimmt die Afrikaner wirklich ernst, wer so denkt? Natürlich trifft die weltweite Wirtschaftskrise auch die Menschen in Afrika. Viele werden ihren Job verlieren und sich mit Gelegenheitsarbeiten im informellen Sektor durchschlagen müssen. Aber ist daran allein der weltweite Wirtschaftseinbruch schuld, der als Bankenkrise in den Industrieländern begann? Haben die afrikanischen Regierungen nicht zuvor schon Fehler gemacht? Stimmt das Credo, das hinter dem Aufschrei der OECD vom "brutalen Absacken†der afrikanischen Volkswirtschaften steckt, dass mehr Wirtschaftswachstum in jedem Fall weniger Armut bedeutet? Zweifel sind zumindest angebracht. In den vergangenen Jahren haben die Länder besonders hohe Wachstumsraten verzeichnet, die Öl oder andere Rohstoffe exportierten. Angola ist dafür ein gutes Beispiel. Die Clique um den Präsidenten hat einen großen Teil des Reichtums aber selbst eingesteckt. Der Großteil der Bevölkerung in dem südafrikanischen Land ist arm geblieben. Den Kampf gegen die Armut hat die Regierung nur halbherzig betrieben. Weil für die Machthaber alles glattlief, haben sich die Angolaner und andere afrikanische Staaten auf das Rohstoffgeschäft konzentriert. Andere Wirtschaftszweige, die vielleicht Millionen Einheimische beschäftigt hätten, wurden vernachlässigt.
Die ausländischen Investoren haben das sehr wohl gesehen. Doch weshalb sollten sie intervenieren, wo sie schöne Geschäfte mit Öl, Diamanten und Erzen machen konnten? Allzu oft haben die internationalen Geschäftspartner sich die Gunst der afrikanischen Machthaber sogar mit Bestechung gekauft. Es schwingt deshalb eine Portion Heuchelei mit, wenn die reichen Staaten und die internationalen Institutionen an das arme Afrika erinnern. Statt mehr finanzielle Hilfe zu versprechen und so ihre Existenzberechtigung als Gönner zu manifestieren, sollten sie lieber mit aller Macht die Korruption bei Firmen und Würdenträgern aus den eigenen Ländern und in Afrika bekämpfen. Sie sollten Entwicklungshilfe tatsächlich als Anschub für die Unabhängigkeit Afrikas verstehen, nicht als Auftragsbeschaffungsmaschine für westliche Banken, Unternehmen oder entwicklungspolitische Berater.
Zu viel läuft schief in der Entwicklungshilfe . Deshalb ist es nachvollziehbar, wenn afrikanische Intellektuelle wie der kenianische Publizist James Shikwati die ausländische Hilfe abschaffen wollen - auch aus Frust über die eigene korrupte Regierung. Doch Shikwatis pauschale Forderung ist falsch. Ohne fremdes Geld und Wissen schaffen manche Länder den Weg in die Unabhängigkeit oder aus einer akuten Krise nicht. Wie sollte sich etwa der zerrüttete Staat Somalia selbst retten? Geldgeber und die Afrikaner müssen aber die Defizite in der Entwicklungshilfe benennen und die Mittel dorthin lenken, wo sie tatsächlich gebraucht werden. Ein Hindernis ist, dass sich die Helfer selbst vor der Debatte drücken, aus Angst, ihr Job könnte überflüssig sein. Krisenzeiten wie diese sind aber eine gute Gelegenheit, den Einsatz zu hinterfragen. So könnten aus Gönner und Opfern echte Partner werden.