Beitrag vom 12.05.2009
Süddeutsche Zeitung
Entwicklungspolitik ins Blaue hinein
Studie: Ministerium prüft zu wenig, ob Milliarden-Hilfe in den Ländern tatsächlich wirkt
Von Stefan Braun
Berlin - Die staatlichen und privaten Ausgaben für die Entwicklungshilfe steigen seit Jahren. Inzwischen gibt alleine die Bundesregierung knapp neun Milliarden Euro jährlich, um mit deutscher Hilfe die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung in den ärmsten Ländern der Erde zu bessern. Doch ob das Geld seinen Sinn erfüllt, ob es das bewirkt, was es bewirken soll, wird bis heute nicht ausreichend überprüft. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts (HWWI) und der Universität Saarbrücken. Sie haben im Auftrag des deutschen Entwicklungshilfeministerium (BMZ) untersucht, wie staatliche Stellen und private Organisationen die Evaluation ihrer Leistung organisieren. Urteil: Das Bewusstsein ist da, der personelle wie finanzielle Aufwand aber oft unzureichend. Was im Grundsatz also Gewissenhaftigkeit ausstrahlen soll, läuft Gefahr, nicht selten wie eine Alibi-Anstrengung zu erscheinen, um Kritiker zu beruhigen.
Das gilt auch und teilweise besonders für den Auftraggeber selbst, das Bundesministerium. Dies berichtet Reinhold Stockmann, Ko-Autor der Studie und Leiter des Instituts für Evaluation an der Uni Saarbrücken. Einerseits habe das Ministerium als einziges Ministerium in Deutschland ein Bewusstsein für die sogenannte Wirkungsprüfung. Immerhin habe es schon Anfang der siebziger Jahre mit vier Mitarbeitern begonnen, zu prüfen, inwieweit die Milliarden an Entwicklungshilfe erfolgreich eingesetzt werden. Trotzdem stellt das Ministerium zu wenige Ressourcen, um dieser Frage angemessen nachzugehen. Laut OECD gelten ein bis drei Prozent des Gesamtbudgets als angemessener Einsatz, beim Entwicklungshilfeministerium sind es gerade mal 0,03 Prozent. Stockmann hält diese Größenordnung für gefährlich, auch wenn das Ministerium seine Durchführungsorganisationen - die Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) und die Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW - mit zusätzlichem Geld ausstattet. "Wenn man so sträflich Wirkungen misst, darf man sich nicht wundern, wenn man falsche Ergebnisse erzielt", so Stockmann - auch mit Blick auf andere Organisationen, die wenig aufwenden.
Eine zweite Kritik richtet sich gegen die Praxis staatlicher Institutionen, bei der Überprüfung der eigenen Arbeit die ausländischen Partner nicht ausreichend einzubinden. "Während die Kirchen oder die Deutsche Welthungerhilfe das intensiv und erfolgreich tun, verzichtet die staatliche Seite weitgehend darauf", klagt Stockmann. Das sei ein Fehler und gefährde die Glaubwürdigkeit einer derartigen Kontrolle der eigenen Arbeit. Tatsächlich erhielten die beiden Wissenschaftler für ihre jetzige Studie auch keine Mittel, um in den Partnerländern selbst die Prüfverfahren der Deutschen zu erkunden. Die gesamte Studie soll am Dienstag in Berlin vorgestellt werden.