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Beitrag vom 30.11.2023

NZZ

Französische Firma finanziert Putschisten

In Burkina Faso entrichtet ein Bierkonzern aus der ehemaligen Kolonialmacht den Militärs Zwangsabgaben

Samuel Misteli, Nairobi

Burkina Faso befindet sich in einer der schwersten Sicherheitskrisen der Welt: Islamistische Terrorgruppen kontrollieren rund die Hälfte des Sahelstaates, zwei Millionen Menschen wurden durch die Gewalt vertrieben, ganze Landesteile sind entvölkert. Der Krise beizukommen versucht eine Putschregierung, an der Macht seit Oktober 2022, geführt von einem 35-jährigen Offizier mit eigenwilligen Ideen. Wie die Nachbarländer Mali und Niger, in denen ebenfalls Putschisten die Macht ergriffen haben, hat sich Burkina Faso von der früheren Kolonialmacht Frankreich ab- und Russland zugewandt.

Doch anders als Mali hat Burkina Faso keine Soldaten der Militärfirma Wagner ins Land geholt, um die Jihadisten zu besiegen. Burkina Fasos Militärregierung setzt stattdessen auf einheimische Milizen, sie heissen «Freiwillige des Vaterlands», 90 000 Zivilisten sollen sich eingeschrieben haben, seit der Junta-Führer Ibrahima Traoré im April eine «Generalmobilmachung» verfügt hat. «Die Freiwilligen sind unsere Wagner-Kämpfer», sagte Traoré.

Um Zehntausende von neuen Kämpfern zu finanzieren, haben sich die Militärs etwas Weiteres einfallen lassen. Sie richteten einen «Fonds zur patriotischen Unterstützung» ein. Dieser wird unter anderem mit einer Zwangsabgabe auf Zigaretten und Getränke gespeist. So kostet die Flasche Bier in Burkina Faso seit Februar 100 CFA-Francs mehr, umgerechnet 15 Rappen. Das Magazin «Jeune Afrique» hat sich Ende Oktober die Zusammensetzung des patriotischen Fonds angeschaut und Überraschendes gefunden: Der mit Abstand grösste Beitragszahler ist – ausgerechnet – eine französische Firma.

Wirtschaftliche Verflechtungen

Bis Ende August, dem Datum der letzten veröffentlichten Zahlen, flossen umgerechnet 51 Millionen Franken in den Fonds. Davon kamen allein 32 Millionen aus dem Verkauf von Produkten von Brakina-Sodibo, der grössten Bierbrauerei des Landes. Brakina-Sodibo ist der lokale Ableger des französischen Getränkegiganten Castel, der in Frankreich am meisten Wein und in Afrika am zweitmeisten Bier verkauft.

Das ist für beide Seiten eher zweifelhafte PR. Für die Putschisten, weil sie sich ihre Anti-Terror-Strategie via einheimische Biertrinker aus französischer Quelle sponsern lassen. Castel gilt als eine Paradevertreterin von «Françafrique», der französischen Einflussnahme, die sich Frankreich in seinen früheren Kolonien über wirtschaftliche und militärische Verflechtungen bewahrt hat.

Für Castel ist das unfreiwillige Sponsoring unangenehm, weil der Konzern so einer Putschregierung Abgaben entrichtet, die französische Soldaten und Journalisten aus dem Land geworfen hat und sich ihre Popularität mit antifranzösischer Stimmungsmache sichert. Kommt hinzu, dass die «Freiwilligen des Vaterlands» hoch umstritten sind. Sie sind schlecht ausgerüstet, gehen nach zwei Wochen Ausbildung in den Kampf und werden für Massaker verantwortlich gemacht. Im April sollen Freiwillige zusammen mit Soldaten der Armee im Ort Karma mindestens 150 Zivilisten erschossen haben, unter ihnen Kinder.

Über 6000 Schulen geschlossen

Beobachter gehen deshalb davon aus, dass die Freiwilligen die Sicherheitskrise zusätzlich verschärfen. Die Situation ist ohnehin dramatisch. Mehr als 6000 Schulen im Land sind wegen der Gewalt geschlossen, eine Million burkinabischer Kinder besuchen keinen Unterricht. Im Juni waren fast 400 Krankenstationen geschlossen, wodurch dreieinhalb Millionen Menschen keinen oder nur eingeschränkten Zugang zur Gesundheitsversorgung hatten. Laut einem Bericht von Amnesty International belagerten jihadistische Gruppen im Juli mindestens 46 Orte; sie ermordeten Zivilisten, entführten Frauen und Mädchen, hinderten Bauern daran, ihre Felder zu bestellen.

Gemäss der Konfliktdatenbank Acled sind 2023 bisher mehr als 7000 Zivilisten getötet worden – das ist die mit Abstand höchste Zahl seit Beginn des Konflikts 2015. Dabei hatte die Junta ihren Putsch 2022 damit gerechtfertigt, dass es die Vorgängerregierung (ebenfalls eine Putschregierung) nicht geschafft habe, die Sicherheit zu verbessern. In den vergangenen Wochen hatte die Militärregierung ihre massive Mobilisierung auch zur Schwächung ihrer Kritiker genutzt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf der Regierung im November vor, mindestens ein Dutzend Journalisten, zivilgesellschaftliche Aktivisten und Oppositionelle zum Militärdienst eingezogen zu haben, um sie mundtot zu machen.

Möglich, dass sich die Regierung angesichts der katastrophalen Sicherheitslage doch noch entschiedener in die Arme Russlands begeben wird. Anfang November reiste Burkina Fasos Verteidigungsminister Kassoum Coulibaly nach Moskau, wo er sich mit seinem russischen Amtskollegen Sergei Schoigu traf. Die beiden sollen eine engere Zusammenarbeit vereinbart haben.