Beitrag vom 19.10.2023
faz.net
Einmal Afrika, immer Afrika
Der Kontinent lässt Stefan Liebing nicht los. Jobs statt Konferenzen – darauf zielt eine gemeinnützige Initiative, die er mit Gleichgesinnten startet.
Von Manfred Schäfers
Stefan Liebing kann es nicht lassen. Kaum hat er im Frühjahr den Vorsitz des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft auf eigene Initiative abgegeben, macht er sich mit Gesinnungsgenossen auf, eine Wirtschaftsinitiative zu gründen, die sich der Entwicklung von Investitionsprojekten und der Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Nachbarkontinent widmet. Warum tut er sich das an? Warum hat er dort aufgehört, um nun an anderer Stelle etwas Neues zum alten Thema anzufangen? Er kann nach eigenem Bekunden dem Elend nicht einfach zuschauen. Das ist, wie im weiteren Gespräch deutlich wird, doppeldeutig gemeint. Denn zum einen kann er die verbreitete Armut in Afrika nicht ausblenden, zum anderen stößt er sich an der Praxis deutscher Entwicklungspolitik, die nach seiner Einschätzung weltfremd, binnenorientiert und wirkungslos handelt. „Wir brauchen Projekte, die Jobs schaffen, keine ergebnislosen Konferenzen.“
Sichtbare Folge der fehlenden Entwicklung ist die massenhafte Flucht von Zigtausenden Menschen auf kaum seetüchtigen Booten gen Europa. Die Menschen verlassen ihre Heimat, weil sie dort keine Hoffnung auf ein besseres Leben haben. Das zeugt von fehlendem Vertrauen in die nationalen Regierungen. Sechs Jahrzehnte Unabhängigkeit haben dem Kontinent keinen Wohlstand gebracht – allenfalls einer kleinen (häufig korrupten) Elite. Aber auch der Entwicklungspolitik stellt das kein gutes Zeugnis aus. Die Hilfen in Milliardenhöhe sind weitgehend verpufft. Die Armut gepaart mit Hoffnungslosigkeit hat nach Liebings Einschätzung die jüngste Putschwelle in Afrika befördert. „Wenn sie in Guinea am Atlantik starten, kommen sie auf dem Weg nach Osten bis zum Roten Meer durch kein einziges Land mit funktionierender Demokratie mehr“, betont er.
Menschen, Projekte und Kapital zusammenbringen
So lässt ihn der Nachbarkontinent nicht los. Beruflich ist er dort ohnehin aktiv. Mit seinem Unternehmen Conjuncta ist er Projektentwickler, das heißt, er entwickelt auf eigene und teilweise auf fremde Rechnung Investitionsvorhaben. Dazu gehören Wasserstoffprojekte in Angola, Mauretanien und Südafrika. Doch um diese geht es ihm bei dem neuen Vorhaben nicht, wie er auf Nachfrage klarstellt. Die gemeinnützige Initiative „ReThinking Africa“ soll Menschen, Projekte, Kapital zusammenführen. „Wir wollen konkrete Vorhaben anschieben, die Jobs schaffen.“ Auch unter Einbindung von Leuten aus dem Ausland – was in der offiziellen Zusammenarbeit nicht so einfach geht.
Die Initiatoren haben schon ausprobiert, ob ihr Konzept funktioniert. Dabei ging es zum einen um den Energiesektor in Malawi, zum anderen um den Ausbau des noch aus der deutschen Kolonialzeit stammenden Hafens von Douala in Kamerun. „Bereits die ersten beiden Initiativen führten zu Investitionsvorhaben im Gesamtvolumen von rund 250 Millionen Euro“, berichtet Liebing. Teil der neuen Gruppe sind der frühere Entwicklungsstaatssekretär Norbert Barthle, der ehemalige Außenhandelspräsident Holger Bingmann und einige Unternehmer. „Das findet alles ehrenamtlich statt, natürlich mit Unterstützung einiger hauptamtlicher Mitarbeiter.“ Liebing übernimmt den Vorsitz im Beirat. Bingmann wird Geschäftsführer.
Gemeinsam wollen sie für eine realistische Sicht auf die Zusammenarbeit mit Afrika werben – wie man über die wirtschaftliche Schiene zu Wohlstand kommt. Sie werben für den pragmatischen Ansatz: weg vom Klischee der traditionellen Entwicklungshilfe für hilfsbedürftige Afrikaner hin zu Direktkontakten auf Augenhöhe mit afrikanischen Handelspartnern. Wer will, kann in den Fernen Osten schauen, China hat es vorgemacht, wie wirtschaftlicher Aufstieg funktioniert.
Dinge einfach anpacken
Wenn Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ankündigt, Frauen und Gewerkschaften eine größere Rolle bei der Planung und Durchführung der Projekte geben zu wollen, gruselt es Liebing. Er habe nichts gegen eine stärkere Einbindung solcher Gruppen. Aber das sei nicht maßgeblich, um in Afrika die dringend notwendigen Arbeitsplätze zu schaffen, meint er. Und dann stellt er bitter fest: „In Afrika lacht man doch über uns, wenn wir denen mit feministischer Entwicklungspolitik kommen.“ Statt teurer und langer politischer Prüfprozesse, ob Vorhaben politisch, ökologisch, sozial unterstützenswert seien, sollte man einfach Dinge anpacken, für die es einen Bedarf gebe. Doch auch dafür braucht es politischen Rückenwind. Wie Liebing betont, können hiesige Banken oftmals tolle Projekte, die sich rechnen, nicht finanzieren, weil sie als zu riskant eingestuft werden.
Der Afrika-Fürsprecher baut auf Olaf Scholz (SPD). Der Bundeskanzler warb früh dafür, den wichtigen Kontinent in Europas unmittelbarer Nachbarschaft in die mächtige Zwanzigerstaatengruppe aufzunehmen, wie es unlängst auch in Neu Delhi beschlossen wurde. Darüber hinaus tauscht sich der SPD-Politiker immer wieder mit Staatspräsidenten und Regierungschefs aus dem Süden aus. Eines ist gewiss: Afrika bleibt auf der Agenda – nicht nur für Liebing.