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Beitrag vom 31.08.2023

FAZ

Ein Putsch nach umstrittenen Wahlen

Seit 56 Jahren regiert die Bongo-Familie Gabun. Jetzt hat das Militär nach umstrittenen Wahlen den Präsidenten gestürzt.

Von Claudia Bröll, Michaela Wiegel

Eigentlich wollte sich Ali Bongo Ondimba am Mittwoch als stolzer Sieger der Präsidentenwahl in Gabun präsentieren. Stattdessen war der 64 Jahre alte Staatschef, der das zentralafrikanische Land seit 14 Jahren führt, in einem Video in seiner Residenz zu sehen, zusammengesunken auf einem Stuhl. „Ich bin Ali Bongo, Präsident von Gabun“, sprach er am Nachmittag in die Kamera und forderte „alle Freunde überall auf der Welt“ auf, „Krach zu schlagen“. Er sei mit seiner Familie festgenommen worden. „Ich weiß nicht, was los ist. Daher rufe ich euch dazu auf, schlagt Krach, schlagt Krach, schlagt Krach.“

In den frühen Morgenstunden hatte zunächst die Wahlkommission seinen abermaligen Sieg mit 64 Prozent der Stimmen bekannt gegeben. Wenige Minuten später tauchte eine Gruppe von Soldaten im Fernsehen auf und verkündete, die Regierung gestürzt zu haben. „Im Namen des gabunischen Volkes haben wir beschlossen, den Frieden zu verteidigen, indem wir dem derzeitigen Regime ein Ende setzen“, teilten die Offiziere mit. Die vorherigen Wahlen würden annulliert, alle staatlichen Institutionen aufgelöst und die Landesgrenzen geschlossen.

Die Familie Bongos regiert das ölreiche Gabun schon seit mehr als einem halben Jahrhundert. Zunächst hatte Omar Bongo, der Vater des jetzigen Präsidenten, das Land 42 Jahre lang geführt – von 1967 bis zu seinem Tod 2009. Dank der reichlichen Einnahmen aus dem Ölgeschäft mussten Oppositionelle nie um ihr Leben fürchten. Gegner wurden „gekauft“. Als Omar Bongo starb, trat sein Sohn wie selbstverständlich die Staatsführung an, ohne dass es nennenswerte Proteste gab. Gabun hat nach Angaben der Weltbank eine Dekade mit relativ starkem Wirtschaftswachstum hinter sich, wobei die Wirtschaft weiterhin in hohem Maße vom Ölgeschäft abhängt. Die Corona-Pandemie führte zu einem kräftigen Dämpfer und steigender Arbeitslosigkeit. Etwa ein Drittel der Bevölkerung ist arm. Seit der russischen Invasion in die Ukraine sind zudem die Lebenshaltungskosten deutlich gestiegen. Von islamistischen Terrorgruppen ist Gabun bisher verschont geblieben.

„Unser schönes Land, Gabun, ist immer ein Hort des Friedens gewesen“, teilten die Offiziere nun mit, die sich als Mitglieder eines „Komitees für den Übergang und die Wiederherstellung der Institutionen“ bezeichnen. „Heute befindet sich das Land in einer schweren institutionellen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Krise.“ Die Bedingungen für „transparente, glaubwürdige und inklusive“ Wahlen seien nicht erfüllt. „Hinzu kommt eine unverantwortliche und unberechenbare Regierungsführung, die zu einer kontinuierlichen Verschlechterung des sozialen Zusammenhalts führt und die Gefahr birgt, das Land ins Chaos zu stürzen.“ Sie riefen die Bevölkerung und die Nachbarländer zu Ruhe und Gelassenheit auf und versprachen, die „Verpflichtungen Gabuns gegenüber der nationalen und internationalen Gemeinschaft“ einzuhalten. „Menschen von Gabun, wir sind endlich auf dem Weg zum Glück.“

Kritik an den Wahlen – abgesehen vom Präsidenten wurde auch ein neues Parlament gewählt – waren schon am Samstag laut geworden, dem Tag des Urnengangs. Die Opposition sprach von „Betrug durch Ali Bongo und seine Unterstützer“. Der Kandidat der Allianz führender Oppositionsparteien, Albert Ondo Ossa, teilte mit, in vielen Wahlstationen habe es keine Stimmzettel gegeben, auf denen sein Name gestanden habe. Nach dem offiziellen Wahlergebnis gewann er knapp 31 Prozent der Stimmen. Die Vermutungen über Wahlmanipulationen erhärteten sich, als Internetverbindungen gekappt wurden, einige Fernseh- und Radiosender nicht mehr senden durften und kaum noch Nachrichten aus dem weitläufigen 2,3-Millionen-Einwohner-Staat drangen.

Bereits die Präsidentenwahl 2016 war höchst umstritten, internationale Wahlbeobachter bemängelten „fehlende Transparenz“. Danach gab es Unruhen, bei denen mindestens zwei Menschen getötet wurden und das Parlamentsgebäude in Brand gesteckt wurde. Das Land rutschte immer tiefer in eine Krise, sodass die Regierung und ein Teil der Opposition eine Verfassungsreform beschlossen. Im Februar dieses Jahres wurden weitere Änderungen beschlossen, unter anderem wurde die maximale Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre reduziert, allerdings ohne Beschränkung der Zahl der Amtszeiten. Schon vor vier Jahren hatte es einen Putschversuch des Militärs gegeben, der jedoch vereitelt wurde. Damals hatten die Soldaten den Präsidenten, der vorher einen Schlaganfall erlitten hatte, als zu schwach für die Amtsführung bezeichnet.

Der französische Regierungssprecher Olivier Véran verurteilte den Putschversuch in der früheren Kolonie nun und rief zum „Respekt des Wahlergebnisses“ auf. Noch im Februar hatte Präsident Emmanuel Macron in einer „Grundsatzrede“ zur Afrikapolitik in Paris „das Ende der französischen Vorherrschaft in Westafrika“ skizziert und zu neuen Partnerschaften auf dem Kontinent aufgerufen, fernab von den undurchsichtigen Verbindungen, die aus der Kolonialzeit stammten und der „Françafrique“ innewohnten. Gabun sollte ein Beispiel für diesen neuen Ansatz bilden. Frankreich organisierte in dem Land einen Gipfel zum Schutz der Regenwälder und der Biodiversität mit. Doch die Opposition hielt Macron vor, nur das „Greenwashing“ Bongos, mit dessen Familie sich Paris seit Jahrzehnten arrangiert hatte, zu unterstützen und schwere Umweltfrevel der französisch-britischen Ölfirma Perenco in Gabun zu tolerieren. Bei seinem Besuch in Libreville Anfang März wies Macron das zurück. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Mentalitäten nicht mit uns Schritt halten, wenn ich lese, höre und sehe, dass man Frankreich noch immer Absichten unterstellt, die es nicht hat, die es nicht mehr hat“, sagte er vor der französischen Gemeinschaft. Etwa 7500 Franzosen sind in Gabun im Konsulat gemeldet, die Zahl der Doppelstaatsbürger ist weit höher.