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Beitrag vom 14.03.2021

NZZ

Ist Afrikas bekanntester Corona-Skeptiker selber an Covid-19 erkrankt?

Tansanias Präsident John Magufuli hat sein Land zur Corona-freien Zone erklärt. Nun ist der autoritäre Politiker seit drei Wochen verschwunden. Im Land kursieren Gerüchte, er habe sich mit dem Virus angesteckt.

Samuel Misteli, Lagos

Er wird beatmet, er liegt im Koma, er ist tot. Er ist in Kenya, er ist in Indien oder vielleicht doch in Tansania.

Die Gerüchte um Afrikas bekanntesten Corona-Skeptiker schiessen gerade wild ins Kraut. John Magufuli, Präsident von Tansania, wurde seit dem 24. Februar nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen. Das ist ungewöhnlich für einen Mann, der gerne sonntags in die Kirche geht, um seine Frömmigkeit zu beweisen. Und es weckt grosses Interesse – weil der Verdacht naheliegt, dass der Mann, der sein Land zur Corona-freien Zone erklärte, selber an Covid-19 erkrankt ist.

Es gibt bisher viele Gerüchte, eine eher dürftige Erklärung der Regierung und ein paar Fakten.

Die Gerüchte begannen vergangene Woche, als der Oppositionsführer Tundu Lissu auf Twitter schrieb, die tansanische Bevölkerung habe das Recht zu wissen, wie es um die Gesundheit ihres Präsidenten stehe. Der BBC und anderen Medien sagte Lissu, er wisse von gut unterrichteter Seite, dass Magufuli am Montag nach Kenya ausgeflogen worden sei. Der Präsident werde im Nairobi Hospital, einem grossen Privatspital, wegen Covid-19 behandelt.

Die Regierung sagt: Magufuli sichte im Büro Dokumente

Die tansanische Regierung schwieg zuerst, am Freitag äusserte sich dann Premierminister Kassim Majaliwa: Der Präsident sei im Büro, er arbeite hart, er sichte Dokumente. Sie hätten wenige Stunden zuvor am Telefon gesprochen. Majaliwa sagte auch noch: «Wenn er krank wäre, würde ich mit ihm telefonieren? Er schickt Grüsse.»

Das Statement war nicht geeignet, die Spekulationen um den Zustand des Präsidenten zu beenden. Auch eine Drohung des Informationsministers blieb ohne Wirkung; er schrieb auf Twitter, wer die Gerüchte verbreite, mache sich strafbar.

Fakt ist: Ein Präsident, der sich gerne öffentlich zeigt, ist seit drei Wochen unsichtbar. Am 27. Februar verpasste Magufuli einen virtuellen Gipfel der ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft, er liess sich von der Vizepräsidentin vertreten. Letzte Woche fehlte Magufuli bei einer Militärzeremonie in der Hauptstadt Dodoma. In der Zwischenzeit füttern Politiker und Diplomaten Medien mit Spekulationen, wenige lassen sich namentlich zitieren.

Es ist nicht ungewöhnlich, dass afrikanische Präsidenten aus der Öffentlichkeit verschwinden. Viele sind alt, manche gebrechlich und mehr schlecht als recht in der Lage, ihr Amt auszuüben. Nigerias damals 75-jähriger Präsident Muhammadu Buhari zum Beispiel musste 2018 Gerüchte dementieren, er sei eigentlich tot und werde von einem Doppelgänger vertreten.

John Magufuli ist mit seinen 61 Jahren vergleichsweise jung und rüstig, bekannt ist aber, dass er in der Vergangenheit Herzprobleme hatte.

Schadenfreude und Wut

Magufulis Verschwinden weckt neben viel Schadenfreude auch Wut. Der ugandische Journalist Charles Onyango schrieb auf Twitter, Magufuli werde in ein Spital in Nairobi ausgeflogen, während jene, die auf seine Ratschläge zur Covid-19-Bekämpfung gehört hätten, zu Hause Eukalyptusdämpfe inhalieren und beten würden. Der Oppositionsführer Lissu schrieb, Magufulis «Gebete-statt-Wissenschaft-Torheit» habe sich in einen tödlichen Bumerang verwandelt.

Magufuli, ein Nationalist mit autoritären Tendenzen, behauptet seit bald einem Jahr, Tansania bleibe von der Corona-Pandemie verschont. Offiziell weist das ostafrikanische Land mit fast 60 Millionen Einwohnern nur 509 Infektionen und 21 Todesfälle aus; die Zahlen wurden zuletzt Ende April 2020 aktualisiert. Im Juni erklärte Magufuli bei einem Gottesdienst, Tansania sei dank der Hilfe des Allmächtigen von Corona befreit.

Während zuletzt in mehreren afrikanischen Ländern Impfkampagnen angelaufen sind, hat die tansanische Regierung keine solchen Pläne. Magufuli, ein promovierter Chemiker, hat erklärt, seine Landsleute würden keine Versuchskaninchen für Impfstoffe sein. Internationale Ermahnungen, unter anderem durch WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus, blieben bisher wirkungslos.

Erst wenige Tage vor Magufulis Verschwinden hatte die Regierung ihren Tonfall leicht justiert. Der Präsident trat bei einem Gottesdienst auf und empfahl der Bevölkerung, Masken zu tragen – am besten solche aus einheimischer Produktion, weil deren Qualität besser sei. Zuvor hatten sich die Indizien gehäuft, dass Tansania keine Corona-freie Insel ist. So waren im Februar gleich mehrere prominente Politiker gestorben.