Beitrag vom 13.07.2020
GraensenGrenzen
ENTWICKLUNGSPOLITIK MADE IN BMZ 2030
Beiträge zu Deutschlands Vorsitz im Rat der Europäischen Union
Thomas Bonschab und Robert Kappel
In der Strategieabteilung des Bundesministeriums für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) müssen langsam die Köpfe rauchen. Nach dem Marshallplan, den vielen Sonderinitiativen, dem Corona Sofortprogramm, nun das Reformkonzept „BMZ 2030“, mit dem sich das Ministerium auch europäisch aufstellen will.
Herzstück der Reform ist die Unterscheidung zwischen bilateralen Partner, insbesondere Reform- und Transformationspartnern, globalen Partnern sowie Nexus- und Friedenspartnern. Heißt konkret: eine Reduzierung der offiziellen bilateralen Zusammenarbeit von 85 auf 60 Länder.
Zunächst klingt alles recht plausibel. Man will die vorhandenen Mittel strategischer einsetzen. Wer würde das nicht wollen? Die politische Steuerungsfähigkeit erhöhen und Entwicklungszusammenarbeit nicht mehr nach dem Gießkannen-Prinzip betreiben. Check. Und sich natürlich rechtzeitig zur Ratspräsidentschaft besser mit den europäischen Nachbarn abstimmen, damit nicht alle dieselben oder vollkommen widersprüchliche Programme verfolgen.
Allerdings sind Zweifel an dieser Rhetorik mehr als angebracht. Es fängt schon damit an, dass man sich kaum vorstellen kann, wie Minister Müller nach all den Jahren bei europäischen AmtskollegInnen anruft und vorschlägt: „Ihr macht jetzt mehr Gesundheit, wir Wirtschaft“ oder „Ihr macht Sierra Leone, wir nicht mehr“. Es dürften doch eher autarke Entscheidungen des Ministeriums gewesen sein.
Überhaupt scheint Kommunikation nicht das Glanzstück der Reform zu sein. Viele Länder auf der Streichliste haben offenbar auf indirektem Weg erfahren, dass sie künftig keine bilateralen Partner des BMZ sein werden.
Es ist richtig, dass derzeit kein Abteilungsleiter reisen kann, um die Nachricht selbst zu überbringen und zugleich weitere Optionen für die Zusammenarbeit zu eröffnen. Aber es sollte keine Ausrede dafür sein, dass man hier eine einseitige Entscheidung getroffen hat, die mit einem „Dialog auf Augenhöhe“, wie ihn jüngst EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für Afrika gefordert hat, in keinem Verhältnis steht.
Ein solcher Dialog auf Augenhöhe würde voraussetzen, dass man sich darauf einlässt, dass die jeweiligen Interessen in der Regel widersprüchlich sind, man sich deshalb daran reibt, aber am Ende dennoch einen Kompromiss findet, mit dem beide Seiten leben können. Das wäre der Weg zu einer „Strategischen Partnerschaft“, wie sie etwa mit China, Indien und letztlich sogar den USA gelebt wird.
Das BMZ geht hier mit „BMZ 2030“ einen anderen Weg. Eher dem alten Modell von Weltbank und IWF folgend, definiert es Standards, vor allem im Bereich Good Governance, und stellt sicher, dass man bei Nichteinhaltung vermeiden will, dass man sich auf der Nase herum tanzen lässt. Klingt selbstbewusst, ist aber eher hilflos. Denn für die Formulierung genuiner Eigeninteressen, die es im Dialog zu verhandeln gälte, scheinen die meisten EZ-Empfängerländer aus deutscher Sicht nicht wichtig genug.
Das machen andere Länder anderes. Allen voran China. Es verschlägt einem regelrecht die Sprache, wenn in ministeriellen Kreisen und in der NGO-Szene die immer gleichen Klagen über den geopolitischen Bedeutungsverlust Deutschlands gegenüber China vor allem in Afrika kommen, während zugleich das BMZ einen Willkommensbrief nach Peking schreibt. China muss nicht einmal in den Wettbewerb treten, um die Lücke in den Ländern zu füllen, die das BMZ gerade reißt.
Ohnehin ist es fragwürdig, warum Deutschland ausgerechnet das Instrument beschneidet, um das es im Rest der Welt beneidet wird. Kein zweites Land hat über Jahrzehnte hinweg vergleichbare Außenstrukturen weltweit aufgebaut, die das BMZ parallel zu den schnell rotierenden Botschaftsangehörigen Vertrauen bei den lokalen Partnern ermöglicht hat. Es handelt sich hier um einen einzigartigen Wissenspool. Sicher, er sollte stärker an politische und wirtschaftliche Interessen und in einer Welt jenseits der EZ herangeführt werden als bislang. Aber die Brücken der bilateralen Beziehungen abzubauen, ist für ein global so abhängiges Land wie Deutschland fahrlässig.
Mit dem Reformprogramm „BMZ 2030“ dürfte es für das BMZ zudem schwer werden, Begeisterung zu wecken für eine EZ, die einen europäischen Vorstoß wagen will und dabei die deutschen Alleinstellungsmerkmale in die Waagschale wirft.
Es scheint sich in der Bundesregierung noch nicht herumgesprochen zu haben, dass sich die Welt und auch die EZ-Welt verändert haben. Das „BMZ 2030“ bietet nichts Neues, verkleidet es nur in ein 2030-Zukunftsmodell. Es antizipiert nicht den geopolitischen Wandel, der andere Antworten verlangt.