Direkt zum Inhalt
Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 04.04.2018

FAZ

Angola jagt die korrupten Geister seiner Vergangenheit

Gegen den Sohn des früheren Präsidenten wird wegen eines 500-Millionen-Dollar-Betrugs ermittelt

ppl. FRANKFURT, 3. April. Im südwestafrikanischen Ölland Angola herrschte fast vier Jahrzehnte lang der Dos-Santos-Clan und hat ein Milliarden-Vermögen angehäuft. Nun aber, ein halbes Jahr nach dem Abtritt des Langzeitpräsidenten José Eduardo dos Santos, scheint der neue Staatspräsident João Lourenço durchzugreifen. Er hat Korruption und Vetternwirtschaft den Kampf angesagt. Erst entfernte er Isabella dos Santos, die Tochter des ehemaligen Präsidenten, von der Spitze des staatlichen Ölkonzerns Sonangol. Anfang des Jahres musste ihr Bruder José Filomeno als Chef des Staatsfonds FSDEA abtreten. Die Geister des Dos-Santos-Regimes, dem Lourenço als General, Parteifunktionär und Verteidigungsminister lange Zeit gedient hatte, sind aber noch immer präsent.

José Filomeno dos Santos ist jetzt in den Mittelpunkt eines großen Geldwäsche-Skandals gerückt, der kurz vor Ostern bekanntwurde. Schon vor einiger Zeit fiel der britischen Bank HSBC eine mysteriöse Überweisung auf, die von einem Konto der angolanischen Zentralbank bei der Bank Standard Chartered stammte. Es ging um immerhin 500 Millionen Dollar des Staatsfonds FSDEA. Der Empfänger: Ein Unternehmen, hinter dem José Filomeno stehen soll. Kurz bevor sein Vater nach 38 Jahren Herrschaft abtrat, war die halbe Milliarde aus der Notenbank überwiesen worden. HSBC witterte Betrug, zumal gefälschte Papiere vorgelegt worden waren, und informierte die Geldwäschebehörden.

Nun ermittelt die angolanische Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche und Betrugs gegen José Filomeno dos Santos sowie gegen den früheren Zentralbankchef Valter Felipe da Silva. Der 40 Jahre alte Sohn des ehemaligen Präsidenten beteuert seine Unschuld. Doch nicht viele glauben ihm. Er musste seinen Pass abgeben und darf das Land nicht verlassen. Der 5 Milliarden Dollar schwere Staatsfonds war schon durch die Enthüllungen der Paradise Papers ins Gerede gekommen. Dort ist dokumentiert, dass ein Freund von José Filomeno, der schweizerisch-angolanische Doppelstaatsbürger Jean-

Claude Bastos de Morais, Unsummen für Beratungsdienste erhalten hatte. Allein im Jahr 2014 gingen von FSDEA 121 Millionen Dollar an Bastos’ Unternehmen.

Angolas Elite ist durch das Öl sehr reich geworden. In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit 1975 und dem langen Bürgerkrieg hat das Ölgeschäft einen wohl dreistelligen Milliardenbetrag in die Staatskassen sowie in mehr oder weniger korrupte Taschen gespült. Neben Nigeria ist Angola der zweitgrößte Ölproduzent Afrikas. José Eduardo dos Santos regierte das Land seit dem Jahr 1979 und wandelte es in eine Einparteienherrschaft sozialistischer Prägung. Die Führungsschicht der regierenden ehemals marxistischen Befreiungsbewegung MPLA und vor allem der Präsidentenclan wurde extrem reich, Angolas Hauptstadt Luanda gilt als teuerste Stadt der Welt mit wertvollen Immobilien, glitzernden Geschäften und Luxusrestaurants. Das private Vermögen des heute 75 Jahre alten José Eduardo dos Santos wurde einmal mit bis zu 20 Milliarden Dollar beziffert. Seine Tochter Isabel gilt heute mit einem geschätzten Vermögen von 3,5 Milliarden Dollar als reichste Frau Afrikas, ihr gehören Beteiligungen im Erdöl-, Diamanten-, Banken-, Medien- und Telekommunikationsgeschäft.

Die breite Masse des Volkes hat vom Ölboom indes wenig gesehen, viele blieben bitterarm. Mehr als 30 Prozent der 26 Millionen Einwohner leben laut den Vereinten Nationen von weniger als 2 Dollar am Tag. Als „Working Poor“, die trotz Arbeit über weniger als 3,10 Dollar am Tag verfügen, gilt die Hälfte der Bevölkerung. Andere informelle Schätzungen gehen sogar von rund 70 Prozent Armutsquote aus. Auf dem Land lebt etwa die Hälfte der Bevölkerung als Subsistenzbauern.
Seit dem Ölpreiseinbruch Mitte 2014 steckt Angola in der Krise. Der Erdölsektor macht ein Drittel der Wirtschaftsleistung und 95 Prozent des Exports aus. Angolas Ölproduktion ist gesunken, weil Investitionen vernachlässigt wurden. Infolge des Preiseinbruchs klaffte ein großes Loch im Haushalt, das durch Kredite und durch Gelddrucken gestopft wurde. Dies heizte die Inflationsrate an, im Herbst 2017 betrug sie 27 Prozent. Die Staatsschuldenquote ist auf mehr als 60 Prozent gestiegen, die Devisenreserven sind stark geschrumpft, weil die Zentralbank den überhöhten Wechselkurs der Landeswährung Kwanza zu verteidigen versucht.

Angesichts der Wirtschaftskrise versucht der im Volk sehr populäre neue Präsident João Lourenço nun offenbar entschlossen, mit der Korruption im Staatssektor aufzuräumen. Lourenço gehe dabei hart wie ein General vor, der einen Gegner nach dem anderen ausschaltet, findet der Angola-Kenner Daniel Ribant. Die Absetzung der Dos-Santos-Kinder und zuvor des Chefs des staatlichen Diamantenkonzerns seien spektakuläre Aktionen. Es bleibt aber noch viel zu tun, um das Land wieder auf die Füße zu bekommen.