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Beitrag vom 03.06.2017

Berner Zeitung

Korruption: Belgier müssen der Schweiz Millionen zahlen

Die Schweiz profitiert auf erstaunliche Weise von einem riesigen Korruptionsfall in Westafrika: 37 Millionen Franken, die von Belgiern in Nigeria kriminell erwirtschaftet wurden, fliessen in die Bundeskasse. Das wirft bei Korruptionsexperten Fragen auf.

von Mischa Aebi

Die Bundesanwaltschaft hat eine Tochtergesellschaft des belgischen Baukonzerns DEME per Strafbefehl zu Zahlungen von 37 Millionen Franken verurteilt, wie Nachforschungen dieser Zeitung zeigen.

Das Delikt: Geschäftsleitungsmitglieder des auf Dammbau und Meeresausbaggerungen spezialisierten Konzerns haben mindestens 2,6 Millionen Franken Schmiergelder an nigerianische Beamte bezahlt. DEME hat laut der Schweizer Strafbehörde zu wenig unternommen, um Korruption zu verhindern.

Der Grund, warum die Bundesanwaltschaft in diesem Fall überhaupt ermittelt hat: Ein Teil der Gelder floss über ein Konto der Credit Suisse und der Schweizer Privatbank EFG. Deshalb gilt die Schweiz als Tatort. Insofern ist die Schweiz – zynisch gesagt – mehr oder weniger zufällig Profiteur der nigerianisch-belgischen Korruptionsaffäre.

Komplize aus der Schweiz

Die belgischen Geschäftsleute wollten mit den Schmiergeldern verhindern, dass ein riesiges Wasserbauprojekt an der Küste des westafrikanischen Landes ­gestoppt wird. Bei dem Projekt machte das belgische Unternehmen zwischen 2005 und 2013 604 Millionen US-Dollar Umsatz.

Das Bauprojekt bestand in der Ausbaggerung des Meereskanals Bonny Channel. Die Vergrösserung des Kanals soll die Zufahrt für Öltanker zur nigerianischen Küste erleichtern. Nigeria ist ein wichtiges Ölexportland.

Die Bestechungsgelder flossen gemäss Akten der Bundesanwaltschaft über ein kompliziertes Netz von zwischengelagerten Firmen, teils mit Sitz auf den britischen Jungfern-Inseln. Neben der belgischen Gesellschaft hat die Schweizer Justiz auch zwei ­Geschäftsleitungsmitglieder von DEME und einen Schweizer verurteilt. Dieser hat mit seiner Genfer Firma als «Zahlungsagentur» geholfen, die Bestechungsgelder weiterzuleiten.

Schweiz profitiert von Nigeria

Das erstaunliche an dem Fall: Obwohl die Schweiz in dem grossen Korruptionsfall nur ein Nebenschauplatz ist, muss der belgische Konzern den Gewinn, den er dank den Bestechungsgeldern ­erwirtschaftet hat, der Schweiz abliefern. Das sind 37 Millionen Franken. Rechtlich gesehen heisst die Forderung der Bundesanwaltschaft Ersatzforderung.

So soll gemäss Gesetz sichergestellt werden, dass sich ein Verbrechen unter dem Strich für die Verurteilten finanziell nicht lohnt. Die 36 Millionen Franken fliessen, wie die Bundesanwaltschaft auf Anfrage mitteilt, in die Bundeskasse zugunsten der Schweizer Steuerzahler.

UNO sieht Teilung vor

Hat die Schweiz tatsächlich das Recht, die aus einem nigerianischen Korruptionsfall stammenden Gelder in die Bundeskasse fliessen zu lassen statt mit Nigeria oder mit Belgien zu teilen? Kathrin Betz, Spezialistin in Korruptionsrecht an der Universität Basel sagt, die UNO-Antikorruptions-Konvention sehe die Rückführung von Vermögenswerten, die aus Korruption herrühren, in die Herkunftsstaaten vor.

Die Konvention sehe im Grundsatz vor, dass bei internationalen Straffällen die Staaten untereinander kooperieren, um diese Rückführung zu ermöglichen. Eine Rolle spiele dabei, ob ein Zweitstaat bei der Strafverfolgung mitgeholfen habe.

Über den Grund, warum die Schweiz im aktuellen Korruptionsfall das Geld für sich beansprucht, kann Betz nur mutmassen: Sie kenne die Hintergründe nicht. Möglich sei aber, dass die Schweiz die gesamten Ermittlungen ohne Hilfe von Nigeria oder von Belgien durchgeführt hat.

In diesem Fall sei es für Nigeria oder allenfalls auch Belgien schwierig Ansprüche geltend zu machen.

Geldstrafen für die Täter

Insgesamt hat die Bundesanwaltschaft in dem Fall vier Strafbefehle ausgestellt. Die beiden belgischen Geschäftsleute wurden zu Geldstrafen von je 25'000 Franken verurteilt. Beide müssen zudem die Gewinne, die sie persönlich erwirtschaftet haben, abliefern. Das sind 200'000 respektive 60'000 Franken.

Der Schweizer, der sich als Zahlungsübermittler betätigt hat, wurde zu einer Geldstrafe von 8500 Franken verknurrt. Die Urteile sind rechtskräftig.