Beitrag vom 26.04.2017
FAZ
Entwicklungspolitischer Bericht der Bundesregierung
Gefälle zwischen reichen und armen Ländern wächst
Entwicklungsminister Müller fordert zum Handeln auf: Sonst drohe eine globale Völkerwanderung
mas. BERLIN, 25. April. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dringt auf eine weitere Aufstockung der Mittel für die Zusammenarbeit mit den ärmsten Ländern der Welt. „Die Welt ist im Umbruch. Die Not, der Hunger, das Elend, die Perspektivlosigkeit treibt die Menschen in Richtung der reichen Zonen“, warnte der Politiker. In Echtzeit erführen die Menschen etwa in Ostafrika über das Handy, wie die Europäer lebten. Man müsse die Entwicklungspolitik aus ureigenem Interesse in eine neue Dimension heben. Sonst drohe eine neue globale Völkerwanderung.
Die Weltbevölkerung wächst nach den Worten des Ministers dramatisch. Allein in Afrika werde sich die Zahl der Menschen bis zum Jahr 2050 gegenüber heute verdoppeln. Dies führe zu enormen Herausforderung. Als Stichworte nannte der Minister die Ernährung der Weltbevölkerung, den Schutz des Klimas und die Sicherung der natürlichen Ressourcen.
Zwar seien wichtige Schritte seit seinem Amtsantritt in den vergangenen dreieinhalb Jahren gelungen. „Aber wir sind längst noch nicht da, wo wir sein müssen“, sagte Müller mit Blick auf den 15. Entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung, den das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat. Er wird alle vier Jahre vorgelegt. Wie Müller hervorhob, hat Deutschland im vergangenen Jahr das 0,7-Prozent-Ziel erreicht, das sich die Weltgemeinschaft vor einigen Jahrzehnten als finanzpolitische Orientierungsgröße für ihr entwicklungspolitisches Engagement gegeben hat. Die Vorgabe hat die Bundesregierung erstmals geschafft, weil sie Aufwendungen für Flüchtlinge in eigenen Land in die Hilfsquote eingerechnet hat, so wie es international üblich ist. In den vergangenen Jahren wurden die Mittel für den Etat von Müller von 6,4 Milliarden Euro auf aktuell 8,5 Milliarden Euro erhöht. Deutschland müsse es in der nächsten Legislaturperiode schaffen, ohne die Ausgaben für die Flüchtlinge in Deutschland 0,7 Prozent seines Bruttonationaleinkommens für die Entwicklungshilfe zu reservieren, sagte Müller. Dies erfordere bis zum Jahr 2021 einen Etat von etwa 12 Milliarden Euro.
„Wir müssen Globalisierung gerecht gestalten“, verlangte Müller, der nach eigenem Bekunden gern vier Jahre in seinem Amt weitermachen würde. Notwendig seien neue Instrumente wie die Förderung privater Investitionen in den Entwicklungsländern und faire Handelsbeziehungen. Wenn allein beim Kaffee die Wertschöpfung fair verteilt würde, hätte Afrika 500 Millionen Euro im Jahr mehr – jährlich, betont er. Heute habe die Globalisierung Gewinner und Verlierer.
Nach dem vom Kabinett beschlossenen Entwicklungsbericht hat sich das Einkommensgefälle zwischen reichen und armen Ländern verschärft. „So vergrößerte sich der durchschnittliche Abstand zwischen Hocheinkommens- und Niedrigeinkommensländern von etwa 28000 Dollar im Jahr 1990 auf über 40000 Dollar im Jahr 2015“, heißt es. Ihr Rückstand zu den Ländern mit mittleren Einkommen habe sich in gleichen Zeitraum sogar mehr als verdoppelt (von etwa 3300 Dollar auf 8600 Dollar). Wie im Bericht aber auch nachzulesen ist, lebt heute eine Milliarde Menschen weniger in absoluter Armut als 1990, nicht zuletzt aufgrund des Wirtschaftswachstums bevölkerungsreicher Schwellenländer wie der Volksrepublik China.