Beitrag vom 20.02.2016
FAZ
Wirtschaft
Bund will fairen Handel auch für Erdöl und Nahrung
Entwicklungsminister Müller: Weitere Bündnisse schmieden / Gegen Export von billigem Fleisch nach Afrika
jagr. FRANKFURT, 19. Februar. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) will den globalen Warenhandel europäischen Sozial- und Umweltstandards unterwerfen. Faire Löhne und Produktionsbedingungen müssten weltweit durchgesetzt werden, sagte Müller dieser Zeitung. „Fair trade“ müsse zum Standard werden. Andernfalls werde „Europa einen hohen Preis dafür zahlen“ - etwa in Form der Zuwanderung von Millionen weiterer Flüchtlinge. In diesem Sinne sehe er das unter seiner Regie mit Industrie und gesellschaftlichen Organisationen initiierte „Textilbündnis“, das die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Arbeitern in asiatischen Textilfabriken verbessern soll, als eine „Blaupause“ für viele andere Industrien. Nach ähnlichem Vorbild würde Müller „selbstverständlich“ gern die Rohstoff- oder Nahrungsmittelindustrie in die Pflicht nehmen.
Müller nannte den Export von Kautschuk, Erdöl und von Südfrüchten als Beispiele. „Es kann nicht sein, dass wir im europäischen Binnenmarkt ein vorbildliches Modell für soziale und ökologische Standards geschaffen haben, aber in einer globalen Welt unterlaufen“, sagte Müller. Auch Schokolade oder Mobiltelefone etwa müssten teurer werden, damit die Bauern oder die Arbeiter, die Rohstoffe wie Coltan förderten, fair entlohnt würden. Coltan wird unter anderem von Kindern in Kongo abgebaut. Einige Cent Preisaufschlag würden genügen, um die Verhältnisse deutlich zu verbessern, sagte Müller. Konzernen wie Nestlé oder Apple will er das aber ungern überlassen. „Die Unternehmen bezahlen dort im Regelfall keine existenzsichernden Löhne und unterlaufen ökologische Standards“, sagte er. In der Vergangenheit hatte Müller Konzerne wie Adidas oder Shell namentlich für Niedriglöhne oder Umweltschädigungen kritisiert und zum Boykott der Unternehmen aufgerufen.
Zugang zum Handel sei der Schlüssel für Entwicklung, sagt Müller - allerdings nicht, was den Export von Fleisch aus der EU nach Afrika angeht. Denn vom Import von Nahrungsmitteln will Müller afrikanische Entwicklungsländer nicht abhängig sehen. Fleischexporte aus Deutschland dorthin sieht er nicht gern. „Mein Einsatz gilt den Kleinbauern Afrikas und dem Aufbau eigener Strukturen. Es muss unser Ziel sein, dass diese Länder die Selbstversorgung, auch bei Fleisch, schaffen“, sagte Müller. Aber erschweren will er den von Hilfsorganisationen wie „Brot für die Welt“ kritisierten Fleischexport nicht. „Die Staaten haben die Möglichkeit, diese Importe mit Zöllen zu belegen“, sagte Müller. So hatten es etwa Kamerun, Nigeria und die Elfenbeinküste gemacht. Der Import agrarindustriell erzeugten Fleisches machen die teureren Erzeugnisse der Kleinbauern schwerer verkäuflich. Allerdings gibt es auch Argumente dafür. Auch Entwicklungsländern stehe die Industrialisierung der Landwirtschaft zu, meinen manche. Andere verweisen darauf, dass Fleischexporte auch als eine Form des Exports von Wasser in trockene Regionen gesehen werden könnten. Denn die Erzeugung von Fleisch verbraucht viel Wasser. Die EU hat die umstrittenen Exportsubventionen für Fleisch schon seit Jahren abgeschafft.
Müller misst seinem ambitionierten Projekt eines „fairen“ Welthandels eine für Europa existenzsichernde Bedeutung bei. „Schaffen wir es nicht, etwa in Nordafrika in den nächsten Jahren Perspektiven für Millionen Menschen zu entwickeln, keine Wertschöpfung, verarbeitende Industrie aufzubauen, dann werden diese Menschen ihre Zukunft in Deutschland und in Europa sehen“, sagte er. Es solle sich „keiner vorstellen, dass wir als Insel der Reichen und des Wohlstandes unsere Zukunft weiter auf dem Rücken der Armen und Entwicklungsländer und deren Ressourcen fortschreiben können“.