Beitrag vom 18.02.2016
FAZ
Uganda
Der Staat bin ich
Bei der Präsidentenwahl in Uganda gilt eine Wiederwahl Musevenis als sicher. Seine Gegner überzieht er mit Gewalt - und wer ihn nicht wählt, geht leer aus.
Von Jochen Stahnke
FRANKFURT, 17. Februar. Yoweri Museveni verschleiert mittlerweile nicht einmal mehr, wie in seinem System Pfründe verteilt werden. Auf einer Wahlkampfveranstaltung in Kawempe, nördlich der Hauptstadt Kampala, gab der ugandische Präsident vor einigen Tagen jenen Wählern die Schuld an der Unterentwicklung dieses Landesteils, die bei der vergangenen Wahl „nicht vernünftig“ gewählt, sondern für einen oppositionellen Parlamentsabgeordneten gestimmt hatten. Bei der Präsidenten- und Parlamentswahl an diesem Donnerstag sollten sie für seine Partei stimmen, wenn sie in den Genuss von Investitionen kommen wollten.
Nach dreißig Jahren an der Macht hat Musevenis Nationale Befreiungsbewegung (NRM) sämtliche Institutionen des Landes durchdrungen. Das gilt auch für die Budgets der Regionalverwaltungen. Sollte in einem Landesteil also trotz aller Widrigkeiten ein oppositioneller Abgeordneter an die Macht gewählt werden, so werden ihm nicht selten staatliche Gelder versagt, die ihm und seiner Region gemäß einem Verteilungsschlüssel eigentlich zustehen.
Eine Wiederwahl solcher Abgeordneter wurde zusätzlich erschwert, als vor einigen Monaten die „Nominierungsgebühr“ für Parlamentsabgeordnete von 200 000 ugandischen Schilling (rund sechzig Euro) auf drei Millionen (rund neunhundert Euro) erhöht wurde. Das verhindert bei einem Durchschnittseinkommen von wenig mehr als fünfhundert Euro im Jahr die Kandidatur von Anwärtern abseits des Establishments. Um nicht in den Ruf zu kommen, „Opposition“ zu sein, kandidieren für die Wahl am Donnerstag nun 909 von 1747 registrierten Parlamentskandidaten als Unabhängige. Trotz allem aber gilt der Ausgang der Parlamentswahl als offener als der der Präsidentenwahl.
Denn kaum einer zweifelt an einer weiteren Amtszeit Musevenis. Der 71 Jahre alte ehemalige Rebellenführer tritt zum fünften Mal an, seit er sich 1986 im Bürgerkrieg an die Macht kämpfte. Die wichtigsten Gegenkandidaten sind der langjährige Oppositionsführer und frühere Armeeoberst Kizza Besigye sowie John Patrick Amama Mbabazi, der bis 2014 noch Ministerpräsident und Generalsekretär der NRM war. Beide stehen kaum für einen Neuanfang. Besigye war in den achtziger Jahren Musevenis Leibarzt. „Die NRM stellt gleichzeitig den Präsidenten und die Opposition“, schreibt der Journalist Tabu Butagira vom „Daily Monitor“. Große politische Differenzen unter den dreien erkenne er nicht, es gehe ihnen eher um persönliche Macht.
Im vergangenen Jahr wollten Besigye und Mbabazi mit sieben Parteien gemeinsam antreten, konnten sich aber nicht auf einen Spitzenkandidaten einigen. Die Koalition zerfiel trotz der Vermittlungsversuche des früheren UN-Generalsekretärs Kofi Annan. Nun tritt jeder für sich an. Mbabazi versuchte offenbar vergeblich, den Unmut in der NRM darüber auszunutzen, dass Museveni angeblich seinen Sohn Muhoozi Kainerugaba zum Nachfolger erkoren hat. Dieser ist Befehlshaber der Spezialkräfte Ugandas, denen auch die Präsidentengarde untersteht. Ursprünglich hatte Mbabazi sich Hoffnungen auf die Nachfolge Musevenis gemacht. Jetzt hat er sich seinen einstigen Gefährten zum Feind gemacht. Im Dezember verschwand Mbabazis Sicherheitschef spurlos. Auch Besigye kennt die Gewalt. Drei Wahlkämpfe führte er schon gegen Museveni, und noch jedes Mal wurde er verhaftet. Zuletzt am Montag dieser Woche für einige Stunden, nachdem die Polizei eine Kundgebung in Kampala aufgelöst hatte. Besigye zieht Massen an. Einer jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zufolge liegt Museveni bei 53 Prozent, Besigye bei 28 Prozent. Zehn Radiostationen wurden in den vergangenen Wochen geschlossen, weil sie Interviews mit Oppositionskandidaten ausgestrahlt hatten. Im Januar weigerte sich Museveni, an einer Fernsehdebatte aller Präsidentschaftskandidaten teilzunehmen. Dies sei etwas für Schulkinder, sagte der Präsident.
Die Angst vor Gewalt ist gestiegen, seit die Generalsekretärin der NRM kürzlich drohte, dass Jugendliche, die gegen das Wahlergebnis protestierten, riskierten, dass auf sie geschossen werde. Achtzig Prozent der Bevölkerung sind unter dreißig Jahre alt, und die wenigsten haben eine geregelte Arbeit. Museveni reagierte, indem er unter Jugendlichen eine paramilitärische Einheit von „Verbrechensverhinderern“ aushob, die der Polizei unterstehen. Verschiedene Wahlkampfveranstaltungen der Opposition wurden von dieser Truppe gewaltsam gestürmt und aufgelöst. Ugandas nationale Polizei gibt an, Hunderttausende Jugendliche rekrutiert zu haben, „um die Strafverfolgung zu unterstützen und um die öffentliche Ordnung in Wahlbüros zu gewährleisten“.
Internationale Kritik gibt es nicht. Zum einen haben viele westliche Staaten ihre Budgethilfe bereits zurückgefahren oder ausgesetzt, seit Uganda 2014 ein Anti-Homosexuellen-Gesetz verabschiedet hat. Zum anderen ist Museveni ein enger militärischer Partner des Westens und spielt eine wichtige Rolle zur Befriedung der Region. Tausende ugandische Soldaten sind Teil der Mission der Afrikanischen Union in Somalia gegen die Terrormiliz al Shabaab. Zudem führt Museveni die Bemühungen um eine Lösung der Krise in Burundi an. Im eigenen Land hat Museveni zudem die „Lord’s Resistance Army“ weitgehend vernichtet und Uganda eine Stabilität gebracht, wie es sie zuvor nicht gab. Sie hat den Preis der Alternativlosigkeit, zumindest wenn es nach Museveni geht. Ihn für eine weitere Amtszeit zu wählensei „eine Angelegenheit von Leben und Tod“, sagte Museveni auf einer seiner Abschlusskundgebungen.