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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 12.02.2016

Kölner Stadt-Anzeiger

Verheerende Dürre wird laut Experten große Hungersnot zu Folge haben

In Afrika droht eine Katastrophe

VON WOLFGANG DRECHSLER

Es ist eine Hungersnot mit Ansage: Seit mehr als zwei Jahren tobt im Südsudan nun bereits ein entsetzlicher Bürgerkrieg zwischen den beiden größten Stämmen des Landes. Fast drei Millionen Menschen wissen derzeit nicht, wie sie das Jahr überleben sollen, heißt es im jüngsten Bulletin des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP). Mindestens 40 000 Menschen seien akut vom Hungertod bedroht. In weiten Teilen des erst 2011 unabhängig gewordenen Landes liegen wieder einmal die Felder brach. Schlimmer noch: Mit Beginn der Trockenzeit dürften nun die Kämpfe wieder aufflammen, die durch den Regen und die unpassierbar gewordenen Straßen unterbrochen worden waren.

Trotz aller Bemühungen westlicher Hilfsorganisationen bleibt die Lage katastrophal. Viele der rund eine Million Kinder, die der Krieg vertrieben hat, ernähren sich nach Auskunft des UN-Kinderhilfswerks bereits jetzt überwiegend von Fischen und den Wurzeln von Wasserlilien, doch geht selbst diese letzte Nahrungsquelle wegen des sinkenden Wasserpegels allmählich zur Neige. Ein Ende des sinnlosen Mordens, das bereits jetzt Zehntausende an Menschenleben gekostet hat, ist nicht in Sicht. Vieles deutet stattdessen darauf hin, dass im jüngsten Staat der Welt erst noch viel mehr Menschen durch Krieg und Hunger sterben müssen, ehe Regierung und Rebellen womöglich doch noch zu Verstand kommen.

Im Südsudan ist die Lage wegen des Zusammenspiels von Dürre und Krieg besonders dramatisch. Aber auch für eine Reihe anderer afrikanischer Länder, darunter die langjährigen Krisenstaaten Somalia und Simbabwe, haben die UN jetzt Alarm geschlagen. Zurückgeführt wird das Ausmaß der Dürre unter anderem auf das Klimaphänomen El Niño, auch wenn nicht wenige Experten inzwischen einen direkten Zusammenhang zwischen der warmen Pazifikströmung vor der Westküste Südamerikas und der Dürre in weiten Teilen Afrikas bezweifeln.

In Simbabwe hat sich die Lage vor allem deshalb verschärft, weil hier der große Nachbar Südafrika wegen Engpässen als Nahrungsmittellieferant ausfällt. Denn auch dort hat El Niño für einen Einbruch der Ernteerträge gerade bei Mais, dem Grundnahrungsmittel der Region, gesorgt. In der südafrikanischen Zentralprovinz Free State, dem größten Anbaugebiet für Mais, hat es seit drei Monaten kaum mehr geregnet, während die Temperaturen zuletzt Rekordwerte von mehr als 40 Grad erreichten.

Für das vom 91-jährigen Autokraten Robert Mugabe abgewirtschaftete Simbabwe bedeutet die Missernte in Südafrika, dass das Land trotz leerer Staatskasse große Mengen Mais auf dem internationalen Markt kaufen muss. In der vergangenen Woche hatte Mugabe daraufhin den Notstand erklärt - und die vom Westen gegen sein Unrechtsregime verhängten Sanktionen für die drohende Hungersnot verantwortlich gemacht. Dabei war es die von Mugabe angeordnete massenhafte Enteignung und Vertreibung fast aller weißen Farmer, die Simbabwes einst blühende Landwirtschaft ruiniert hat. Besonders hart betroffen sind nun auch die ländlichen Gebiete, in denen die vielen schwarzen Kleinbauern fast nur für den Eigenbedarf produzieren.

Eskaliert ist die Lage aber auch beim neuen afrikanischen Hoffnungsträger Äthiopien, wo die Regierung die Dürre und ihre Folgen lange Zeit leugnete, um ihr Wachstumsmodell nicht in Misskredit zu bringen. Inzwischen spricht man jedoch selbst in der Hauptstadt Addis Abeba von der schlimmsten Dürre seit mehr als 30 Jahren. Zwischen 1983 und 1985 waren hier bei einer Jahrhundertdürre rund eine Million Menschen verhungert. Mittlerweile wird die Zahl der von der Dürre betroffenen Äthiopier fast wöchentlich nach oben korrigiert: Sprachen die UN noch zu Jahresbeginn von acht Millionen Äthiopiern, sind es nun bereits mehr als zehn Millionen, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. Diese Zahl könne sich noch verdoppeln, warnen Experten des WFP. Möglicherweise könnten bis zur Jahresmitte bis zu ein Viertel der 85 Millionen Äthiopier vom Hunger betroffen sein.

Die Krise belastet die Regierung des Landes auch in anderer Hinsicht. Sie versucht ausländische Investoren seit langem davon zu überzeugen, dass Äthiopien schon bald den Sprung vom traditionellen Agrarstaat in die Moderne schafft. Nichts symbolisiert dieses Vorhaben besser als die in nur drei Jahren für fast 500 Millionen Dollar gebaute und vor einem halben Jahr in Betrieb genommene Metro von Addis Abeba - das erste städtische Nahverkehrssystem in Afrika südlich der Sahara (mit Ausnahme des Sonderfalls Südafrika).

Trotz der Dürre gibt es somit auch Hoffnung: Je besser organisiert ein Staat ist, desto sicherer ist seine Bevölkerung vor dem Hungertod. Anders als im Südsudan und Simbabwe versucht das Regime in Äthiopien seit Jahren vorzusorgen und hat zuletzt knapp 400 Millionen US-Dollar im Staatshaushalt für 2016 umverteilt, um damit die erwartete Hungersnot zu bekämpfen - ein gigantischer Posten im kleinen Haushalt. Ob Äthiopien dadurch ein größerer Einbruch des Wachstums erspart bleibt und es die Dürre kontrollieren kann, werden die nächsten vier Monate zeigen. Denn erst im Juni beginnt am Horn von Afrika die nächste Regenzeit.