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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 03.01.2016

Tagesanzeiger, Zürich

Das neue Erbe von Nelson Mandela

In Südafrika, das einst als Hoffnung des Kontinents galt, plündert die Regierung den Staat aus. Wie man es besser macht, zeigt John Magufuli in Tansania.

Johannes Dieterich
Korrespondent

Das Gute daran, wenn ein Korrespondent ein mehr als 50 Länder umfassendes Berichterstattungsgebiet hat, ist, dass man für alles ein Beispiel finden kann. Für das Exempel eines Staates, der einen in die Schwermut treibt, muss ich nicht lange suchen: Ich lebe im Land, das sich das Kap der Guten Hoffnung nennt, das jedoch alles dafür tut, sich als Kap der Bitteren Enttäuschung einen Namen zu machen. Der Klüngel um Präsident Jacob Zuma findet es offenbar chic, den von Nelson Mandela gegründeten Regenbogenstaat wieder in eine Sturmnation zu verwandeln. Sie plündern die Staatskasse, stellen sich über das Recht und scheinen keine grössere Ambition zu haben, als Südafrika zu einem gescheiterten Staat zu machen, von dem es auf dem Kontinent bereits genügend Exemplare gibt.

Keine Staatsbankette, keine Feiern

Während man so in die Abgründe des Afrika-Pessimismus zu stürzen droht, hilft einem der Fall eines kürzlich anderswo auf dem Erdteil gewählten Präsidenten. John Magufuli gelangte in Tansania eher zufällig an die Macht: Er galt als Verlegenheitskandidat, nachdem die eigentlichen Favoriten der seit ewigen Zeiten regierenden Partei der Revolution, der Chama Cha Mapinduzi, aus ganz unterschiedlichen Gründen aus dem Rennen ausgeschieden waren. Doch nur nach wenigen Tagen an der Macht brachte es Magufuli zu kontinentalem Ruhm. Er stornierte teure Staatsbankette, um das eingesparte Geld Krankenhäusern zukommen zu lassen, sagte die Unabhängigkeitsfeiern ab, um stattdessen eine landesweite Kehrwoche auszurufen, und feuerte Dutzende von Offiziellen, die es statt auf den Dienst für die Allgemeinheit lediglich auf das Füllen ihrer eigenen Taschen abgesehen hatten.

Wie dringend ein derartiger Präsident auf dem Erdteil gebraucht wird, zeigt der von Magufuli ausgelöste Begeisterungssturm unter den sozialen Netzwerkern des Kontinents. Der unorthodoxe Staatschef wird seitdem in ganz Afrika als Held gefeiert und den eigenen Präsidenten als Vorbild unter die Nase gehalten. Was ein Magufuli in ihren Ländern tun würde, gehört derzeit zu den beliebtesten Denksportaufgaben afrikanischer Twitter- und Facebook-Nutzer. Zur Ehre des tansanischen Präsidenten wurden sogar schon neue englische Worte wie «to magufulify» ersonnen, was auf gut Deutsch «einen Augiasstall ausmisten» heisst. Diese Reaktionen zeigen, wie satt die Afrikaner ihre amtierenden Schmarotzer haben: Es muss nur mal jemand kommen, der zeigt, dass es auch anders geht.

Gerade zwei Monate befindet sich John Magufuli im Amt, die wirklichen Herausforderungen stehen dem Radikalreformer also erst bevor. Sowohl die Staatsbeamten im eigenen Land wie seine Amtskollegen auf dem Kontinent werden den Präsident gewiss noch gehörig in die Zange nehmen: Einen Nestbeschmutzer wie ihn will keiner haben. Korrupte Politiker und Staatsbeamte haben meistens mächtige kriminelle Netzwerke über ihre Länder gespannt. Sie zu zerstören, ist ein langwieriges und gefährliches Unterfangen.

Das Volk ist mehr als ein Haufen Objekte

Bleibt Magufuli jedoch konsequent, könnte von ihm eine Strahlkraft ausgehen, wie sie der Kontinent seit Nelson Mandela nicht mehr erlebt hat. Hinter seinen bisherigen Aktionen steht die in Afrika noch weitgehend fremde Überzeugung, dass das Wohl der Nation wichtiger als das Wohl der Regierenden ist. Und dass man mit dem Volk nicht wie mit einem Haufen Objekte umspringt.

Irgendwann, bin ich mir sicher, wird diese Überzeugung auch wieder in Südafrika verankert werden. Dort hat die Mehrheit der Bevölkerung schon einmal eine arrogante und unfähige Regierung in Gestalt der weissen Rassisten aus dem Amt gejagt. Warum sollten sich die Kapbewohner jetzt ein Pendant in Schwarz gefallen lassen? Hoffen wir, dass das Zum-Teufel-Schicken schnell geschieht: damit von der Vision der Regenbogennation noch etwas übrig bleibt.