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Beitrag vom 14.07.2015

Die Presse, Wien

Steuervermeidung: Wie Multis in Afrika Steuern „sparen“

von Eva Steindorfer

Was an Entwicklungshilfe nach Afrika fließt, fließt durch Steuertricks der Konzerne wieder ab. Diese nutzen Gesetzeslücken und werden von Regierungen hofiert.

New York. Milliarden an Hilfszahlungen fließen jährlich nach Afrika. Deutlich größere Summen kommen den afrikanischen Ländern allerdings durch die Finanztricks multinationaler Konzerne wieder abhanden.

Das jedenfalls ist die Kernaussage einer am Montag veröffentlichten Studie der von George Soros finanzierten Stiftung Open Society Initiative for West Africa (Osiwa), die sich für gute Regierungsführung und Transparenz in Westafrika einsetzt. Laut Berechnungen von Osiwa standen im Jahr 2011 zwölf Mrd. Dollar Entwicklungshilfe 18 Mrd. Dollar an „unzulässigen Finanzflüssen“ („illicit financial flows“) entgegen, Geld, das der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS hauptsächlich durch Steuertricks der dort ansäßigen multinationalen Konzerne entgangen ist. Im Jahr 2002 betrug die Summe dieser Finanztransaktionen in den ECOWAS-Staaten noch drei Mrd. Dollar, bis 2011 ist sie mit einer jährlichen Wachstumsrate von 23 Prozent rasant in die Höhe geschnellt.

Schon im Jahr 2010 hat die AfDB, die Afrikanische Entwicklungsbank, zwei wesentliche Gründe dafür genannt, warum die ohnehin schon niedrige Basis der Steuereinnahmen afrikanischer Länder durch ausländische Konzerne weiter unterminiert wird.

Die Hauptursache sei der missbräuchliche Umgang der Unternehmen mit Verrechnungspreisen – eine bekannte Taktik zur Steuervermeidung, die aber bei entsprechender nationaler Gesetzeslage nicht illegal ist: Bei innerbetrieblichen Transaktionen, die über Ländergrenzen hinweg getätigt werden, hat die Wahl des Verrechnungspreises erhebliche fiskalische Auswirkungen für die beteiligten Staaten. Bei unterschiedlichen Steuersätzen in den einzelnen Staaten können Unternehmen Gewinne in niedrig besteuerte Länder verlagern.

Richtlinie für OECD-Staaten

Als Antwort auf diese Entwicklung hat die OECD als internationale Richtlinie der Preisgestaltung den „Fremdvergleichsgrundsatz“ entwickelt. Danach sind die Unternehmen zu steuerlichen Zwecken verpflichtet, für grenzüberschreitende innerbetriebliche Leistungen einen solchen Preis als Verrechnungspreis zu wählen, auf den sich fremde Dritte (also völlig unabhängige Unternehmen) für die gleiche Transaktion geeinigt hätten. In Westafrika wird diese OECD-Empfehlung in den meisten Ländern allerdings nicht umgesetzt. Außerdem variiert die Gesetzgebung von Land zu Land, was den Multinationals viel Spielraum zur Gewinnverschiebung gibt.

Exzessive Steuervorteile

Berechnungen der United Nations Economic Commission for Africa zufolge ist das Jonglieren mit Verrechnungspreisen für 60 Prozent der Kapitalabflüsse aus Westafrika verantwortlich. Osiwa empfiehlt daher der westafrikanischen Staatengemeinschaft als eine der Maßnahmen gegen die Kapitalflucht, die Gesetzgebung zu harmonisieren und länderübergreifend einheitliche Einfuhrzölle in die ECOWAS-Staaten zu etablieren.

In Westafrika sind Ghana und Nigeria die einzigen Länder, die sich politisch mit dem Problem der Steuerflucht auseinandersetzen und die Kapitalflüsse der Ölindustrie nun einer strengeren Beobachtung unterziehen.

Die Ölindustrie ist Schätzungen zufolge für 30 Prozent der Kapitalabflüsse durch falsche Verrechnungspreise verantwortlich. Auch in den Sektoren Bergbau und Telekommunikation ist das eine weit verbreitete Praxis.

Eine weiterer Grund für die niedrigen Steuereinnahmen Afrikas liegt Osiwa zufolge bei den Regierungen, die den Multinationals exzessive Steuervorteile gewähren würden. Im Wettbewerb der afrikanischen Länder untereinander komme es dabei zu einem regelrechten Steuer-Dumping – zur großen Freude der Konzerne. Eine Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigt, dass es zu einem negativen „Spillover-Effekt“ in anderen Ländern kommt, wenn ein Land Unternehmen Steuervorteile gewährt – eine bis dato nicht zu stoppende Abwärtsspirale.