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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 17.04.2015

Kölner Stadt-Anzeiger

Menschenjagd in Südafrika

VON WOLFGANG DRECHSLER

Mit der Küstenmetropole Durban verbinden Südafrikaner für gewöhnlich Palmen, Strände und ein ständig warmes Meer. Zumal die Tage selbst im Winter, wenn es beim touristischen Rivalen Kapstadt stürmt und regnet, hier zumeist sonnig und milde sind. Umso größer war der Schock im Land über das, was sich in der Innenstadt der Ferienmetropole, aber auch anderen Teilen der Küstenprovinz KwaZulu-Natal (KZN) in den vergangenen Tagen ereignete: Wie Tiere jagten hier schwarze Südafrikaner tagelang ihre aus anderen Teilen des Kontinents hergezogenen schwarzen Brüder und Schwestern. Das Muster war dabei oft das Gleiche: Sobald der Mob in dem Besitzer eines der vielen kleinen Läden im Herzen von Durban einen Zuzügler aus Afrika ausmachte, wurden die Shops geplündert und oft gleich zusammen mit ihrem Besitzer in Brand gesteckt. Mindestens fünf schwarze Zuwanderer wurden dabei bislang ermordet, darunter ein Äthiopier, der in seinem kleinen Ladencontainer bei lebendigem Leibe verbrannte.

Inzwischen haben rund 1000 schwarze Immigranten, vorwiegend aus Malawi, Somalia und dem Kongo, voller Angst in Polizeistationen Zuflucht gesucht. Zurück in ihre geplünderten Behausungen wollen und können sie nicht. "Lieber zurück in die Hölle der Heimat als das hier", sagte ein Immigrant entgeistert. Somalia will die eigenen Landsleute so schnell wie möglich nach Hause bringen. Yusuf Olusu, Handelsattaché der somalischen Botschaft in Johannesburg, bezeichnete sein vom Bürgerkrieg ruiniertes Land sogar als "sicherer als Südafrika".

Auslöser der Pogrome war offenbar eine Äußerung von Zulu-König Goodwill Zwelithini. Der von seinen Anhängern verehrte Monarch hatte vor drei Wochen bei einer Rede die südafrikanische Regierung ausdrücklich zum Rauswurf der Ausländer gedrängt. Obwohl Zwelithini dies nun heftig bestreitet, sagte er damals wörtlich: "Wir wollen, dass Ausländer ihre Sachen packen und nach Hause gehen." Als wenig hilfreich erwies sich, dass ausgerechnet Edward Zuma, der Sohn des südafrikanischen Präsidenten, dem Zulu-König beipflichtete, als er vor kurzem in einem Radiointerview davor warnte, dass Südafrika auf einer Zeitbombe sitze und Ausländer das Land übernehmen wollten.

Neu sind ausländerfeindliche Pogrome in Südafrika gewiss nicht: Bereits vor sieben Jahren kamen bei ähnlichen Unruhen um Johannesburg mehr als 60 Menschen ums Leben, damals vor allem Zuwanderer aus den direkten Nachbarstaaten Mosambik und Simbabwe. In Kapstadt trifft es vor allem die geschäftstüchtigen Somalier: Seit 2006 sind allein dort mehr als 100 Somalier von Südafrikanern ermordet worden.

Immer deutlicher wird nun, dass der Traum des vor 18 Monaten verstorbenen Gründervaters Nelson Mandela von einem farbenblinden Südafrika vor dem Hintergrund der hohen Arbeitslosigkeit und einer der höchsten Kriminalitätsraten der Welt wohl vorüber ist. Dass der Rassismus am Kap heute überwiegend von den einst Unterdrückten ausgeht, kann Beobachter nicht überraschen: Für Moeletsi Mbeki, Vize-Vorsitzender des südafrikanischen Instituts für internationale Angelegenheiten, und Bruder von Ex-Präsident Thabo Mbeki, liegen die Ursachen für die Gewalt in den Versäumnissen der Regierungspolitik der vergangenen 15 Jahre. So hätte der seit 1994 regierende ANC viel mehr tun müssen, um die Armut wirkungsvoll einzudämmen. Stattdessen habe sich ein kleiner schwarzer Klüngel erheblich bereichert.

Auf der Suche nach einem Sündenbock für ihre verzweifelte Lage stoßen viele schwarze Südafrikaner als Erstes auf die oft weit erfolgreicheren Zuzügler aus dem übrigen Afrika, die mit ihrer besseren Ausbildung, aber auch der Bereitschaft, für wenig Geld extrem hart zu arbeiten, den Einheimischen das Wasser abgraben.

Derweil wachsen vielerorts am Kap die Sorgen vor einem weiteren Abgleiten des Landes. "Auch wenn die Unruhen keinen direkten Einfluss auf das Anlegervertrauen haben, so deuten sie doch auf eine beträchtliche soziale Instabilität hin", sagt der langjährige Beobachter Nic Borain von der Bank BNP Paribas. Mehr noch sorgen Borain allerdings die immer größeren Nöte des Strommonopolisten Eskom, aber auch die vielen Streiks, die das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern am Kap gründlich zerrüttet haben.

Wie Borain kritisieren auch viele andere, dass Südafrikas Präsident Jacob Zuma und seine Regierung den Fremdenhass wie so viele andere drängende Fragen seit Jahren ignorieren und nichts getan haben, um etwa mit einer härteren Linie gegenüber dem Unrechtsregime im benachbarten Simbabwe den ständigen Zufluss an Flüchtlingen von dort zu stoppen. Stattdessen wurde dessen Staatschef Robert Mugabe vergangene Woche zum Staatsbesuch empfangen.

Ein Programm der Regierung zu einer auch nur halbwegs geregelten Immigration sucht man ebenso vergeblich wie eines zum eklatanten Strommangel, der Südafrikas Wirtschaft in den nächsten Jahren heftig zusetzen und dafür sorgen dürfte, dass der Frust in den Townships eher noch steigt.