Beitrag vom 10.10.2014
Basler Zeitung
Explosive Volksinitiative zur Entwicklungshilfe
Von Beni Gafner
Die Zahlungen der Entwicklungshilfe an Bedürftige sollen an Bedingungen geknüpft werden. Die Gelder dürfen nur noch in Länder fliessen die auch mit der Schweiz kooperieren.
Die Initiative birgt politische Sprengkraft: Sie verlangt, dass Schweizer Entwicklungshilfe nur noch in Länder fliessen darf, die mit der Schweiz kooperieren - zum Beispiel, indem abgewiesene Asylbewerber oder Kriminelle von ihrem ursprünglichen Herkunftsstaat zurückgenommen werden. Seit wenigen Tagen liegt die Initiative nun in der Bundeskanzlei zur Vorprüfung. Die Unterschriftensammlung soll im April 2015 starten.
Das Volksbegehren dürfte beim Stimmvolk Chancen haben und somit einigen Druck auf die Bundespolitik entfalten - darüber sind sich Beobachter einig. Zu ihnen gehört auch Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter (CVP, BL). Die Aussenpolitikerin will die Initiative bekämpfen. Zu populistisch sei der vorgeschlagene Verfassungstext. Sie sieht andere Wege, um die Entwicklungshilfe effizienter zu gestalten.
Die Initiative verlangt aber noch mehr: «Keine Entrichtung erfolgt in und an Länder, in welchen von staatlicher Seite zwingendes Völkerrecht oder das Willkürverbot missachtet oder die Bürgerinnen und Bürger durch bestimmte Vorschriften in ihrer elementaren Persönlichkeitsentfaltung eingeschränkt werden», lautet der Text weiter. Damit dürfte die Schweiz beispielsweise keine staatlichen Hilfsgelder mehr in muslimische Länder schicken, in denen christliche Minderheiten verfolgt und getötet werden. Finanzpolitisch bedeutend ist der erste Satz im Initiativtext.
Dieser lautet: «Die öffentliche Entwicklungshilfe darf 0,5 Prozent des jährlichen Brutto-Nationaleinkommens nicht übersteigen.» Dieser Wert erlaube im Vergleich zu den heutigen Entwicklungshilfeausgaben noch eine leichte Steigerung. Heute alimentiert die Schweiz ihre Entwicklungszusammenarbeit mit jährlich 2,85 Milliarden Franken. Das entspricht 0,46 Prozent des Brutto-Nationaleinkommens.
Teils unbekannte Initianten
Vergangenen Monat erst hatte der Nationalrat mit 109 zu 82 Stimmen das schon früher gefasste Ziel bekräftigt, bis 2015 die Ausgaben für Entwicklungshilfe auf 0,5 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erhöhen. Eine Annahme der Ini- tiative «für eine wahrhaftig sachdienliche Entwicklungshilfe mit Anreizsystem» be- deutete somit eine Plafonierung auf diesem Niveau. Die Zielvorgabe der UNO von 0,7 Prozent, die der Bundesrat anpeilt, würde damit verunmöglicht.
Auffällig ist, dass sich sogar aus SVP-Kreisen manche noch nicht offiziell hinter die Initiative stellen wollten. Sie verzichteten offenbar darauf, dem Initiativkomitee beizutreten. Zugesagt haben aber der Basler Nationalrat Sebastian Frehner, der das Komitee zusammen mit dem abgewählten Nationalrat Dominique Bättig (JU) co-präsidiert. Oskar Freysinger (VS) und Verena Herzog (TG) sind die einzigen weiteren aktiven Nationalräte. Aargauer und Berner EDU- sowie SVP-Kantonsräte, dazu der Basler SVP-Kantonsrat Joel Thüring, ergänzen das Initiativkomitee. Treibende Kraft, die das ganze inszeniert hat, ist der Zürcher Jura-Student Artur Terekhov, der einen evangelikalen Hintergrund hat.
Keine Hilfe an staatliche Organisationen
Ein Coup könnte Terekhov bezüglich Finanzierung des politischen Unterfangens gelungen sein. Mit an Bord ist nämlich der im Bereich Medizinaltechnik erfolgreiche Unternehmer und Auslandschweizer John McGough, Mitglied der SVP-International und Vertreter Ungarns im Auslandschweizerrat. «Ich bin bereit, bei erfolgreichem weiterem Verlauf des Projektes, einen Abstimmungskampf zu unterstützen,» sagte McGough gestern auf Anfrage der BaZ. Er sehe, wie auch in osteuropäischen Ländern Hilfegelder nutzlos versickerten, sagte McGough von seinem Firmensitz in Budapest aus. Die Zahlung staatlicher Hilfegelder an Bedingungen zu knüpfen, mache Sinn.
Damit ist Elisabeth Schneider-Schneiter nur teilweise einverstanden. So begrüsst sie zwar Rückübernahmeabkommen mit Ländern, die Schweizer Entwicklungshilfe bekommen. Doch Entwicklungshilfegelder dienten in erster Linie der Armutsbekämpfung, sagt sie. Gerade in Staaten mit Demokratiedefiziten und korrupten Regierungsinstitutionen sei die Armut besonders ausgeprägt. Wichtig sei bei solchen Ländern, dass die Hilfe nicht an staatliche Organisationen geleistet werde.