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Für eine andere Entwicklungspolitik!

Beitrag vom 27.04.2013

Badische Zeitung

Afrika lässt die Schampus-Korken knallen

von: Johannes Dieterich

Afrika gehört zu den weltweit größten Importeuren von Champagner. Unser Korrespondent Johannes Dieterich wagt sich an eine Analyse der perlenden Nachricht - nicht ganz ohne ironische Töne.

Wir hatten uns das schon gedacht. Bei den Geschichten über afrikanische Armut und Hungerbäuche handelt es sich um böswillige Kampagnen, um den sonnenverwöhnten Erdteil schlecht zu machen: Eine der vielen Attacken auf das "Branding" Afrikas - dazu ausersehen, dass sich die europäischen Nachbarn überlegen fühlen können.

In Wahrheit wird zwischen dem Kap und Kairo nicht gehungert, es wird geschlemmt. Die Bestätigung dafür erreicht uns jetzt aus Paris: Dort gaben die Marktbeobachter von Euromonitor International bekannt, dass Afrika statt eines hoffnungslosen wirtschaftlichen Wüstenterrains der zweitgrößte Exportmarkt der Welt für eines der nobelsten Produkte - nämlich französischen Champagner - ist. Mehr als zehn Millionen Flaschen des lustig perlenden Schaumweins wurden im Jahr 2011 auf dem durstigen Kontinent verkauft: Außerhalb seiner europäischen Heimat fand der geadelte Sekt nur in den Vereinten Staaten größeren Absatz. Und, eine zweite Überraschung: Spitzenreiter des afrikanischen Schampus-Konsums ist nicht etwa das Kap der Guten Hoffnung, wo in besagtem Jahr immerhin 443 016 Flaschen über den Ladentisch gingen. Auf einen klaren Platz zwei verwiesen wurden die Südafrikaner von Nigeria: Dort fanden mehr als 750 000 Flaschen Moët & Chandon, Veuve Clicquot und Genossen Absatz.

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Nur oberflächlich betrachtet liegt das daran, dass es sich bei Nigeria mit seinen fast 160 Millionen Einwohnern um die bevölkerungsreichste Nation des Kontintents handelt: Wesentlich wichtiger ist, dass sich die lebenslustigen Westafrikaner gerne was gönnen - und sich das ob der unterirdisch aufgestauten Erdölschätze auch leisten können. Mehr als 41 Milliarden Naira blättern die Nigerianer für ihren erlesenen Gaumenkitzel jährlich hin, das entspricht fast 250 Millionen Dollar. In der Weltrangliste der Schampuskonsumenten nehmen sie damit - noch vor Russland und Mexiko - den 17. Rang ein.

Noch mit einer dritten Überraschung warteten die Marktanalysten auf. Das Land mit dem höchsten Verbrauch pro Jahr und Kehle ist nach der Heimat des Champagners (fast drei Flaschen pro Franzose) ausgerechnet der afrikanische Ministaat Gabun: Dort leisten sich die knapp 1,5 Millionen hoch erhitzten Einwohner immerhin 223 000 Flaschen Schampus pro Jahr. Auch in Gabun ist das Äquivalent des Edelgetränks das klebrig schwarze Gold: Das fast vollkommen vom Urwald überwucherte Land gehört zu Afrikas wichtigsten Erdölnationen.

Was die von der europäischen Rezession gebeutelten französischen Schampus-Winzer vor allem glücklich stimmen sollte: Bei dem unerwarteten neuen Absatzmarkt scheint es sich nicht um eine kurzfristige Marotte zu handeln. Mit einem Wachstum von neun Prozent nahm der Konsum in Nigeria in den vergangenen Jahren so stark zu wie nirgendwo anders auf der Welt. Und für die kommenden fünf Jahre sagen die Analysten sogar eine Verdoppelung des derzeitigen Verbrauchs voraus.

Das liegt durchaus im Trend. Denn entgegen aller Unkenrufe entwickelt sich Afrika derzeit zum Bling-Kontinent. Porsche eröffnete in Nigerias Hafenstadt Lagos schon eine erste Niederlassung, der italienische Edelschneider Ermenegildo Zegna will Filialen außer in Lagos auch im angolanischen Luanda und in Kenia eröffnen - und Gucci folgt ihm auf den Fersen.

Nach den Erhebungen des Beratungsinstituts Bain & Company verfügt der einstige Miseren-Kontinent bereits über 120 000 Dollar-Millionäre, fast vier Prozent mehr als im Vorjahr. Nicht einmal Asiens Tigerstaaten können solche Erfolge vorweisen. In den nächsten fünf Jahren werde sich die Zahl afrikanischer Millionäre nochmals verdoppeln, wollen die Bain-Berater wissen: Das sind dann 240 000 Menschen. Bis dahin werden mehr als 1,1 Milliarden Afrikaner den Kontinent bevölkern, die im Gegensatz zu den 0,0002 Prozent Champagner-Trinkern mehrheitlich von weniger als zwei Dollar pro Tag zu überleben haben - aber das sind bloß wieder jene miesmacherischen Töne, die das neue Branding des sich aufrappelnden Kontinents in den Schmutz zu ziehen suchen. Wir sagen statt dessen: à votre santé!