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100 Millionen Dollar verschwunden

Liberia
NZZ Liberias Zentralbank verliert «Container und Geldsäcke», in denen 100 Millionen Dollar stecken von Fabian Urech In Liberia wurde im Ausland gedrucktes Geld angeblich am Hafen der Hauptstadt Monrovia entwendet. Die gestohlene Summe entspricht fünf Prozent der Wirtschaftsleistung des armen westafrikanischen Staates. Die liberianische Regierung hat am Mittwoch eine umfassende Untersuchung zum Verschwinden von 15 Milliarden liberianischen Dollar eingeleitet. Die Summe entspricht umgerechnet rund 100 Millionen Dollar. Laut dem Informationsminister Lenn Eugene Nagbe handelt es sich um Geld, das die Zentralbank des Landes im Ausland hatte drucken lassen. Gemäss ersten Erkenntnissen seien die «Container und Geldsäcke», in denen das Geld geliefert wurde, zwar im Hafen der Hauptstadt Monrovia eingetroffen, dort aber verschwunden. «Wir wissen nicht, wer das Geld entwendete», sagte Nagbe gegenüber der BBC. Reisesperre für den ehemaligen Zentralbankpräsidenten Liberias Präsident George Weah, der in Europa vor allem als ehemaliger Stürmer des AC Milan bekannt ist, hat inzwischen fünfzehn Personen, die mit dem Verschwinden des Geldes in Verbindung gebracht werden, mit einer Reisesperre belegt. Zu ihnen gehören mit Milton Weeks, dem kürzlich zurückgetretenen Zentralbankpräsidenten, und seinem Stellvertreter Charles Sirleaf, dem Sohn der ehemaligen Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf, auch zwei prominente Namen. Für die betroffenen Personen gelte bis auf weiteres die Unschuldsvermutung, es sei ihnen aber verboten, das Land zu verlassen, bis die Untersuchung zu einem Abschluss gebracht worden sei, teilte die Regierung mit. Laut offiziellen Angaben wurde die Bestellung der Banknoten noch unter Präsidentin Sirleaf veranlasst. Die Friedensnobelpreisträgerin war bis Januar 2018 im Amt. Die Vorgängerregierung hätte sie nicht in Kenntnis gesetzt von der Order, sagte Justizminister Frank Musah Dean. Bei den letztjährigen Wahlen hatte der Kandidat von Sirleafs Unity Party gegen Weah, der dem Congress for Democratic Change angehört, verloren. Die Banknotenaffäre lässt vermuten, dass die Machtübergabe zwischen den beiden Parteien nicht reibungslos verlief – oder zumindest der Informationsfluss mangelhaft war. Die Aussagen der derzeitigen Regierung deuten darauf hin, dass sie bezüglich der Bestellung und der Lieferung des nun verschwundenen Geldes fast gänzlich im Dunkeln tappt. Laut Informationsminister Nagbe ist weder bekannt, wann genau das Geld geliefert wurde («zwischen November 2017 und August 2018»), noch weiss die Regierung, wo das Geld gedruckt wurde. Gegenüber der BBC sagte Nagbe, die Banknoten seien wohl in Schweden, China und Libanon gedruckt worden, sicher sei dies jedoch nicht. Liberia verfügt selbst nicht über eine Notendruckerei. Hilfe vom FBI angefordert Laut dem Nachrichtenportal «Liberian Daily Observer» sucht Liberia inzwischen Hilfe im Ausland, um den Fall aufzuklären. Die Regierung habe sowohl die amerikanische Bundespolizei FBI wie auch den Internationalen Währungsfonds (IMF) gebeten, sie bei der Untersuchung der Vorfälle zu unterstützen, schreibt die Zeitung. Es gehe darum, möglichst bald Licht in die Affäre zu bringen, die «die beschämendste Episode in der Geschichte des Landes» darstelle. In Liberia selbst haben die jüngsten Ereignisse hohe Wellen geworfen. Organisationen aus dem zivilgesellschaftlichen Umfeld riefen zu Demonstrationen auf und forderten eine baldige Aufklärung. In Lokalzeitungen wird darauf hingewiesen, dass die verlorene Summe fünf Prozent der Wirtschaftsleistung des armen Landes entspricht. «Das ist eine Menge Geld für Liberia», sagte auch Informationsminister Nagbe. «Es ist Geld, das wir für unsere Entwicklung benötigten, etwa für den Bau von Schulen.» Bei der Suche nach dem Geld könnte eine Tatsache von Vorteil sein, die Liberia-Reisende oft als mühsam empfinden: Die höchstdotierte Banknote in der Lokalwährung liberianische Dollar ist der 500er-Schein. Das entspricht einem Gegenwert von lediglich rund 3.20 amerikanischen Dollar. Bei den nun verlustig gegangenen 15 Milliarden liberianischen Dollar handelt es sich demnach um mindestens 30 Millionen Banknoten. Ein entsprechendes Versteck muss also recht geräumig sein. Es überrascht deshalb nicht, dass die Regierung von «mit Geld gefüllten Containern» spricht.