Beitrag vom 25.07.2025
NZZ
Juntas im Goldrausch
Die Militärs im Sahel setzen westliche Firmen rüde unter Druck
Samuel Misteli, Nairobi
Mitte Juli landete ein Helikopter auf dem Gelände der Loulo-Gounkoto-Mine im Westen von Mali. Es handelt sich dabei um die grösste Goldmine des Landes. Nach einigen Stunden hob der Helikopter wieder ab. An Bord: eine Tonne Gold im Wert von über 80 Millionen Franken.
Der Helikopter flog im Auftrag von Malis Junta. Das riesige westafrikanische Land wird seit 2020 von Putschisten regiert. Sie haben den Bergbaukonzernen den Kampf angesagt. Die Junta hat Mitarbeiter von westlichen Bergbauunternehmen ins Gefängnis geworfen und Minen unter staatliche Verwaltung gestellt. Sie hat von Firmen erfolgreich hohe Steuernachzahlungen verlangt und höhere Abgaben. Das ist lukrativ. Denn Mali ist der zweitgrösste Goldproduzent in Afrika. Allein im Jahr 2024 förderte das Land über 100 Tonnen.
Putschisten regieren auch in den Nachbarländern Burkina Faso und Niger. Sie gehen mit ähnlichen Methoden gegen Bergbaufirmen vor. Sie sind der Ansicht, dass die Bergbaukonzerne afrikanische Länder viel zu lange ausgebeutet haben. Die Bevölkerung lebt trotz Rohstoffreichtum grösstenteils immer noch in Armut.
Leere Staatskassen
Die Putschisten geben sich nationalistisch und inszenieren sich als Befreier vom neokolonialen Joch, das die ehemalige Kolonialmacht Frankreich den Ländern angeblich während Jahrzehnten auferlegt hatte. Tatsächlich profitierten französische Firmen nach der Unabhängigkeit oft von Vorzugskonditionen.
In Burkina Faso sagte Präsident Ibrahim Traoré im Oktober 2024: «Wir wissen, wie wir unser Gold fördern müssen. Ich verstehe nicht, weshalb wir multinationale Unternehmen ins Land lassen, um die Minen zu betreiben.» Traoré ist mit seinen 37 Jahren der jüngste Staatspräsident der Welt. Er gibt sich gerne als afrikanischer Che Guevara, der den Kampf gegen die Imperialisten anführt. Mali, Burkina Faso und Niger haben sich von Frankreich abgewandt und suchen die Nähe zu Russland, das sich als anti- imperialer Verbündeter inszeniert.
Tatsächlich dürfte es den Juntas weniger um die nationale Souveränität als um ihre leeren Staatskassen gehen. Alle drei Länder haben Probleme mit jihadistischen Aufständischen. Die Kontrolle über grosse Teile ihres Staatsgebiets haben sie längst verloren. Der Anti-Terror-Kampf verschlingt viel Geld. Die Juntas sind auf Einnahmen aus dem Geschäft mit Gold und anderen Rohstoffen dringend angewiesen. «Gold ist der wichtigste Wirtschaftszweig, es ist so etwas wie die letzte Hoffnung», sagt Ulf Laessing, der Leiter des Sahel-Programms der Konrad-Adenauer-Stiftung.
Das Allzeithoch des Goldpreises kommt den Juntas entgegen. Seit Jahresbeginn ist er noch einmal um 25 Prozent gestiegen.
Mali heimst eine Milliarde ein
Die Frage, wie mehr Geld aus dem Bergbausektor geholt werden kann, treibt Regierungen in vielen Ecken Afrikas um. Die meisten gehen dabei nicht so rabiat vor wie die Juntas im Sahel. Aber sie überprüfen Verträge, entwerfen neue Minengesetze oder haben Ausfuhrverbote für bestimmte Rohstoffe erlassen. Die Bemühungen rühren daher, dass in Afrika der Konsens herrscht, ausländische Minenunternehmen hätten in der Vergangenheit zu wenig Abgaben bezahlt. Das lag oft an für die Afrikaner unvorteilhaften Verträgen, bei denen nicht selten Bestechungsgelder an korrupte Regierungsbeamte flossen.
Und so führte Malis Junta im Jahr 2022 ein neues Bergbaugesetz ein. Ausländische Firmen sollten fortan höhere Abgaben bezahlen, der Staat konnte zudem einen Anteil von bis zu 35 Prozent an Joint Ventures einfordern. Überdies verlangte die Junta hohe Steuernachzahlungen von Bergbaufirmen. Mehrere Unternehmen willigten ein, Nachzahlungen zu leisten. Der australische Konzern Resolute Mining bezahlte 160 Millionen Dollar, nachdem ihr CEO Terry Holohan in Malis Hauptstadt Bamako über eine Woche lang festgehalten worden war.
Insgesamt hat Mali laut Medienberichten rund eine Milliarde Dollar an Nachzahlungen eingenommen – der gesamte Jahreshaushalt des malischen Staats beträgt für 2025 fünf Milliarden Dollar.
Die kanadische Firma Barrick Gold, der wichtigste ausländische Akteur in Malis Bergbausektor, weigerte sich, auf die Forderungen der Junta einzugehen. Darauf geriet das Unternehmen ins Visier der Militärs. Mali erliess einen Haftbefehl gegen den CEO Mark Bristow, der sich allerdings ausserhalb des Landes befindet. Doch das genügte den malischen Behörden nicht. Im November 2024 nahmen sie vier Manager von Barrick Gold fest, die bis heute in Haft sitzen. Ihnen wird unter anderem vorgeworfen, sich mit Geldwäscherei betätigt zu haben – was mit grosser Wahrscheinlichkeit vorgeschoben ist.
Mali blockierte die Exporte aus Minen von Barrick Gold im Land. Im Januar flogen dann ein erstes Mal Militärhelikopter zur Loulo-Gounkoto-Mine und beschlagnahmten drei Tonnen Gold. Daraufhin stoppte Barrick Gold die Aktivitäten in der Mine. Sie ruhen bis heute.
Russland ist interessiert
Ähnliche Vorgänge wie in Mali spielen sich in den Nachbarländern ab. Niger hat der französischen Firma Orano die Rechte an einem der weltweit grössten Uranvorkommen entzogen. Burkina Faso hat eine Reihe von Minen verstaatlicht und plant – wie auch Mali – eine eigene Goldraffinerie.
Das aggressive Vorgehen der Juntas ist riskant, weil ihnen das Know-how rund um die Förderung von Rohstoffen fehlt. Sie hoffen, dass russische und chinesische Firmen das Vakuum füllen, das nach dem Abzug westlicher Unternehmen entsteht. Vor allem Russland ist interessiert. Die russische Yadran-Gruppe beteiligt sich am Bau der Raffinerie in der Nähe von Bamako. Die russische Firma Nordgold betreibt bereits zwei Minen in Burkina Faso.
Nicht nur die Putschregierungen versuchen ihre Einnahmen aus dem Bergbausektor zu vergrössern. Auch ihre Gegenspieler, die jihadistischen Gruppen, verdienen viel Geld mit Gold. Sie kontrollieren eine Vielzahl von informellen Minen. Hunderttausende Menschen in Westafrika sind im nichtindustriellen Bergbau beschäftigt. Der hohe Goldpreis hat dazu geführt, dass der Sektor noch einmal stark gewachsen ist. Ein grosser Teil des informell geschürften Goldes wird über Zwischenhändler in die Vereinigten Arabischen Emirate geschmuggelt und dort raffiniert. Allein in Mali bringt der Schmuggel von informell gefördertem Gold pro Jahr angeblich rund 2,5 Milliarden Euro ein.