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Beitrag vom 04.06.2023

faz.de

VORZEIGEDEMOKRATIE?
:
Proteste und Tote in Senegal

VON CLAUDIA BRÖLL, KAPSTADT

Senegal gilt als friedlicher Staat und als Stabilitätsanker. Doch das Urteil gegen einen Oppositionsführer schürt jetzt Unruhen.

Ausgebrannte Fahrzeuge, der schwarze Rauch brennender Autoreifen, gepanzerte Polizeiwagen: Aus Senegals Hauptstadt Dakar sendeten die Medien zuletzt Bilder, wie sie normalerweise aus afrikanischen Krisenstaaten stammen. Nach der Verurteilung des Oppositionsführers Ousmane Sonko war es dort Ende vergangener Woche zu schweren Unruhen gekommen.

Wie es nun hieß, wurden in Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und den Sicherheitskräften mindestens 15 Menschen getötet. Die Randalierer hätten Supermärkte, Bankfilialen, Polizeiwachen und öffentliche Gebäude an­gegriffen. Am Wochenende beruhigte sich die Lage offenbar weitgehend.

Die Spannungen wachsen

Die Unruhen sind der jüngste Beleg wachsender Spannungen vor den Prä­sidentschaftswahlen im Februar 2024. Sonko gilt als stärkster Herausforderer von Amtsinhaber Macky Sall, sollte dieser noch einmal antreten. Doch gegen den 48 Jahre alten Oppositionsführer jagt ein Gerichtsverfahren das nächste. Kürzlich wurde er von einem Gericht wegen „moralischer“ Belästigung einer jungen Frau zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Angeklagt gewesen war er we­gen Vergewaltigung, einer schwereren Straftat. Eine damals 20 Jahre alte Mitarbeiterin in einem Massagesalon hatte ihn wegen Vergewaltigung und Morddrohungen angezeigt.

Sonkos Anhänger halten den Prozess für politisch motiviert. Durch die Haft könnte seine Kandidatur unmöglich werden. Anfang Mai wurde der Politiker, der vor allem unter jüngeren Senega­lesen eine Fangemeinde hat, schon wegen Verleumdung zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Die Klage hatte der Tourismusminister eingereicht, nachdem ihn Sonko im Fernsehen der Unterschlagung bezichtigt hatte. Während der vielen Gerichtstermine ist es immer wieder zu Protesten und Ge­walt gekommen. Hunderte Demonstranten wurden festgenommen.

Die Opposition baut ihren Wahlkampf großteils auf der Kritik an einer Kandidatur des Präsidenten auf. Angeblich strebt Sall eine dritte Amtszeit an, die in der Verfassung nicht vorgesehen ist. Er selbst hat die Pläne bisher weder bestätigt noch dementiert.

Senegal gilt als stabile und friedliche Demokratie in Westafrika. Vor allem westliche Regierungen rühmen die Re­gierung als verlässlichen Partner nahe der krisengeschüttelten Sahelregion. Se­negal ist auch der erste afrikanische Staat gewesen, den Bundeskanzler Olaf Scholz nach seinem Amtsantritt besucht hat. Sall hatte damals die „exzellente Qualität der deutsch-senegalesischen Zu­­­sammenarbeit“ gepriesen, Scholz sag­te, Deutschland und Senegal könnten aufeinander zählen.

Zweifel an der Vorzeigedemokratie

Fragwürdige Festnahmen, Gerichtsprozesse und die Proteste schüren jetzt Zweifel am Bild einer Vorzeigedemokratie und eines Stabilitätsankers. An­fang März wurde auch der ehemalige Premierminister Hadjibou Soumaré verhaftet, ebenfalls wegen einer Verleumdungsklage. Es ging um Äußerungen über eine angebliche Spende Salls an die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen.

Am Freitag hatten die Behörden so­ziale Netzwerke abgeschaltet, um nach eigenen Angaben „die Verbreitung von Hassbotschaften“ zu unterbinden. Der Schritt schürte die Wut der Demons­tranten weiter. Sie seien von Informationen und von der Welt abgeschnitten, sagte ein Mann dem Nachrichtenportal Africa-News. Dadurch sei ihre Sicherheit gefährdet. Der Zugang zum Internet sei außerdem ein Menschenrecht. Die internationale Gemeinschaft, auch der Fußballstar Sadio Mané, forderte ein En­de der Gewalt. Amnesty Interna­tional verlangte eine Untersuchung der Todesfälle.

Am Wochenende teilte der Innen­minister Antoine Diome nun mit, dass sich die Lage beruhigt habe. Es habe un­gefähr 500 Verhaftungen gegeben, wo­bei die meisten Festgenommenen parteilos seien. Senegal sei Angriffen „okkulter Kräfte“ und ausländischem Einfluss ausgesetzt, so der Minister. Die Angreifer hätten es auf wichtige Einrichtungen abgesehen, unter anderem auf ein Wasserwerk.