Beitrag vom 10.07.2021
FAZ
Die Gefahr ist größer denn je
Macron verspricht beim G5-Sahel-Gipfel eine fortgesetzte Präsenz
mic./pca. PARIS/BERLIN. Der französische Präsident Emmanuel Macron hat bei einer Pressekonferenz mit dem nigrischen Präsidenten Mohamed Bazoum am Freitag in Paris die Abzugspläne für die französischen Truppen aus dem Sahelgebiet bestätigt. Der Kampfeinsatz „Barkhane“ solle beendet werden. Die Zahl der französischen Soldaten soll auf 2500 verringert werden. Aus Sicherheitsgründen könne er keinen genauen Zeitplan nennen, sagte Macron. „Wir haben unsere Partner beruhigt, dass wir weiter im Sahelgebiet präsent bleiben.“ Die Terrorgefahr sei größer denn je. Afrika sei die neue Hochburg der Terrororganisationen „Islamischer Staat“ und Al-Qaida, sagte Macron. Der nigrische Präsident Bazoum lobte die Kooperation mit „Barkhane“, die gute Ergebnisse gebracht hätte. Die beiden Präsidenten hatten zuvor per Videoschaltung mit den Staatschefs Mauretaniens, Burkina Fasos, Tschads und Malis über die Sicherheitslage in dem Krisengebiet und das weitere Vorgehen beraten.
Die Bundesregierung hat wie schon im Januar 2020 in Pau auf eine Teilnahme an dem sogenannten G5-Sahel-Gipfel verzichtet. Das Vorgehen sei abgestimmt gewesen, hieß es in Paris. Macron betonte, dass dem virtuellen Treffen Konsultationen mit den europäischen Partnern vorangegangen seien. Fortan wolle Frankreich stärker in einem multilateralen Rahmen militärische Hilfe leisten, sagte er. Die französische Anti-Terror-Mission Barkhane mit 5100 Soldaten soll schrittweise beendet werden. Macron sagte, das Ziel des in Pau beschlossenen „Surge“, eine Aufstockung der Anti-Terror-Truppen, sei erreicht worden. Doch die Lage vor Ort sei sehr volatil, und die Terrorgruppen hätten sich innerhalb kürzester Zeit über das gesamte Sahelgebiet verteilt. Deshalb sei der bisherige Ansatz nicht mehr angemessen. Frankreich werde Stützpunkte im Norden Malis, in Timbuktu und Kidal, schließen. Der jüngste Sprengstoffanschlag auf die Bundeswehrsoldaten ereignete sich bei einer Fahrt nach Kidal.
Macron betonte, dass die europäische Kampftruppe Takuba ausgebaut werden solle. Neun EU-Partner beteiligen sich an der Spezialtruppe. Deutschland hat wiederholte Anfragen abschlägig beschieden. Macron lobte, dass Rumänien Spezialkräfte entsenden wolle. Frankreich will sich künftig stärker in die EU-Ausbildungsmission EUTM einbringen. Die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen MINUSMA, deren Mandat am 29. Juni erneuert wurde, soll weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Wie Präsident Macron betonte, soll für die Franzosen ein entwicklungspolitischer Ansatz im Vordergrund stehen. Der Truppenabzug soll dabei geordnet und in Etappen erfolgen. Dies sei eng auch mit Deutschland abgestimmt. Er lobte wie zuvor die Bundeskanzlerin den demokratischen Übergang in Niger. Das war ein kaum verdeckter Hinweis auf die undemokratischen Machtwechsel in Mali und in Tschad.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag bei einem Gespräch mit Präsident Bazoum in Berlin Niger weitere Hilfe aus Deutschland zugesichert. Sie sprach auch die verschlechterte Sicherheitslage an. In der Tschadsee-Region im Südosten und in der Grenzregion zu Mali im Westen seien islamistische Kämpfer und Milizen aktiv, sagte die Bundeskanzlerin. Kampfschwimmer aus Deutschland bilden in Niger Spezialkräfte aus. Die Mission „Gazelle“ ist inzwischen Teil der EU-Ausbildungsmission EUTM.
Wie aus dem Auswärtigen Amt zu hören war, stehe man bezüglich der Umgliederung seines militärischen Engagements im ständigen und engen Austausch. In Berlin herrscht nach einem Anschlag auf das Mali-Kontingent der Bundeswehr derzeit Verunsicherung über die Zukunft des Engagements dort. Einerseits wird die Bedeutung des Anti-Terror-Kampfes im Sahel betont, andererseits zögert Berlin, substanzielle Beiträge zu leisten, zuletzt auch mit Blick auf das Putschregime in Bamako. Für Deutschland ist der Sahel nach Auskunft des Auswärtigen Amtes gleichwohl ein Schwerpunkt der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.
Derzeit sind in Mali rund 1000 Soldaten eingesetzt, davon etwas mehr als 100 bei der europäischen Trainingsmission für die Armee und 890 bei der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA. Den französischen Rückzug erklärt man sich in Berlin einerseits mit dem französischen Wahlkampf, die Forderung nach einem Abzug sei populär. Andererseits gelten die französischen Streitkräfte in Berlin als überfordert durch ihr Auslandsengagement. Zur Enttäuschung von Paris hat sich Deutschland auch am Einsatz von Spezialkräften in der „Task Force Takuba“ nicht aktiv beteiligt, anders als etwa Belgien oder die Niederlande. Deutschland unterstütze die Mission „politisch“, hieß es dazu in Berlin, also nicht militärisch.