Beitrag vom 14.06.2021
FAZ
Neustart für SA-Airlines
Südafrikas gebeutelte staatliche Fluggesellschaft South African Airways wird teilprivatisiert.
Die Regierung ernennt ein privates Konsortium als neuen Mehrheitseigner, pocht aber auf Mitsprache. Wann es losgeht, steht in den Sternen.
Von Claudia Bröll, Kapstadt
Totgesagte leben länger: Vor einem Jahr hatten viele das Ende von Südafrikas nationaler Fluggesellschaft South African Airways (SAA) prognostiziert. Jetzt erhält der fast 90 Jahre alte Staatskonzern private Anteilseigner, die SAA für einen Neustart vorbereiten sollen. Auch ein Börsengang ist auf längere Zeit avisiert. Die Regierung habe ein Konsortium ausgewählt, das 51 Prozent des finanziell schwer gebeutelten Staatskonzerns übernehme, teilte der für Staatskonzerne zuständige Minister Pravin Gordhan Ende vergangener Woche mit. „Die neue SAA wird nicht vom Fiskus abhängen und wird agil genug sein, um mit der aktuellen Unsicherheit und den Entwicklungen im internationalen Reisegeschäft umzugehen“, kündigte er an. Die restlichen 49 Prozent bleiben beim Staat.
Seit 2011 hatte die Fluggesellschaft Verluste geschrieben. Technisch insolvent war sie seit März 2017, die Maschinen mit der bunten Heckflosse konnten nur noch dank immer neuer Staatshilfen abheben. Doch der Protest gegen Zuschüsse durch den Steuerzahler wurde lauter. Nicht nur stieg die Staatsverschuldung rasant, Kritiker fragten auch, weshalb die Regierung viel Geld für eine Fluggesellschaft ausgab statt für Schulen und Krankenhäuser. Schließlich zog diese Ende 2019 die Konsequenz und setzte externe Sanierer ein. Sie gaben das Unternehmen Ende April nach einigen turbulenten Phasen an den Interimsaufsichtsrat und das Management zurück. Die Fluggesellschaft sei jetzt „solvent und liquide“, hieß es.
Unter anderem schrumpfte die Belegschaft deutlich, teils über freiwillige Abfindungsangebote. Ein Gerichtsstreit zwischen den Piloten und der Regierung über ausstehende Gehaltszahlungen und andere vertragliche Zusagen dauert noch an. Seit mehr als einem Jahr haben die Beschäftigten kein Gehalt mehr erhalten. Seit September 2020 ist der Flugbetrieb komplett eingestellt, nur noch die Tochtergesellschaft Mango fliegt sporadisch.
Der künftige Mehrheitseigner der nationalen Fluggesellschaft heißt Takatso („Verlangen“ in der Sesotho-Sprache). Das südafrikanische Konsortium besteht aus der Luftfahrt-Managementgesellschaft Global Aviation und Harith General Partners, einer auf Infrastrukturprojekte spezialisierten Private-Equity-Gesellschaft. Takatso-Chef Gidon Novick ist in Südafrikas Luftfahrtbranche ein bekannter Mann. Sein Vater hatte die private Fluggesellschaft Comair gegründet. Novick selbst war 13 Jahre lang bis zum Jahr 2011 Mitvorstandschef von Comair, einem Franchise-Partner von British Airways. Er gründete in der Zeit die lange sehr erfolgreiche Billigfluglinie Kulula. 2020 startete er mitten in der Corona-Pandemie eine weitere Billigfluggesellschaft namens Lift, die eine Partnerschaft mit Global Aviation hat. Harith wiederum verwaltet Vermögenswerte in einer Höhe von 1,2 Milliarden Dollar. Dem Investor gehört der private Flughafen Lanseria bei Johannesburg, er ist außerdem an Lake Turkana in Kenia, dem größten Windkraftwerk in Afrika, und an der Henri-Konan-Bédié-Brücke in Abidjan in der Elfenbeinküste beteiligt.
Zwischen wirtschaftlicher Rettung und politischer Debatte
Über die Zukunft von SAA wird seit Jahren auch innerhalb von Südafrikas Regierungspartei ANC heftig gerungen. Finanzminister Tito Mboweni hatte einmal gefordert, die Fluggesellschaft einfach zu schließen. Doch dieser Vorschlag war auf viel Widerstand in der Partei, bei Gewerkschaften und bei SAA gestoßen. Er war auch nicht einfach umzusetzen, denn Gläubigerforderungen bei einer Liquidation hätten andere Staatskonzerne in Schwierigkeiten bringen können. Für den Umbau (Business Rescue) hatte der Staat umgerechnet weitere 620 Millionen Euro investiert. Die neuen Mehrheitseigner sollen nicht die alten Schulden von SAA übernehmen, sondern das Kapital für die Wiederaufnahme des Betriebs bereitstellen.
Die Partnerschaft beweise, dass Südafrika fähig sei, seine Fluggesellschaft mit einer komplett selbst entwickelten Lösung neu zu starten, sagte Gordhan. Man sei zuversichtlich, die richtigen Partner gefunden zu haben. Die Regierung werde jedoch eine „goldene Aktie“ behalten, um sicherzustellen, dass „die Flagge“ gewahrt sei, SAA in Südafrika bleibe und Ziele wie die Förderung der einst benachteiligten Bevölkerungsgruppen weiterhin oberste Priorität haben. Letzteres hatte in der Umsetzung immer wieder für Konflikte gesorgt. Gordhan betonte, auch das Konsortium befinde sich mehrheitlich in den Händen schwarzer Anteilseigner. Zu Hariths Investoren gehört der Rentenfonds für Staatsbedienstete.
Auch bei der Besetzung des Managements müsse die Demographie des Landes berücksichtigt werden, hieß es in der Mitteilung weiter. Qualifizierte schwarze und weibliche Mitarbeiter sollten gefördert und auf höhere Managementpositionen gesetzt werden. Dies gelte auch für Piloten. Die drei wichtigsten Vorstände – der Vorstandsvorsitz, der Finanzvorstand und der Vorstand für das operative Geschäft – sollten idealerweise Südafrikaner sein. Novick und Harith-Mitgründer Tshepo Mahloele sagten, sie hätten keine Zweifel, dass SAA eine „effiziente Fluggesellschaft“ werden könne.
Der Kampf gegen die Privatisierung geht weiter
Luftfahrtexperten sprachen von einer bahnbrechenden Entscheidung. Es sei positiv, dass Anteilseigner mit Branchenerfahrung die Mehrheit hielten, sagte der unabhängige Fachmann Joachim Vermooten der F.A.Z. Wichtige Entscheidungen über das Streckennetz, die Flotte, die Zahl der Mitarbeiter und den allgemeinen Kurs aber müssten noch getroffen werden. Abgesehen von der Expertise könne SAA von der Flotte von Global Aviation profitieren. SAA hat alle Flugzeuge verkauft bis auf zwei Airbus A340, die unter heutigen Bedingungen nicht mehr wettbewerbsfähig sind. Global Aviation verfügt über neun Airbus-Maschinen. Auch sei eine Zusammenlegung der Billigfluggesellschaften Lift und Mango vorstellbar, wobei Umfang und Struktur im aktuellen Umfeld ausgearbeitet werden müssten.
Während der Minister von einem „einzigartigen“ Betriebsmodell sprach, wurde auch Kritik laut. Die South African Communist Party (SACP) sowie die Gewerkschaften für Metallarbeiter und für Crew-Mitarbeiter forderten mehr Transparenz über den Prozess. Die SACP, ein Allianzpartner der Regierungspartei, teilte mit, sie habe durchgehend gegen eine Liquidierung und Privatisierung von SAA gekämpft. „Der Kampf geht weiter“, sagte ein Sprecher, „wir brauchen staatliche Beteiligung nicht nur in der Luftfahrtindustrie, sondern zum Wohle unserer Bürger auch in anderen strategisch wichtigen Wirtschaftszweigen.“ Einen Termin, wann die erste SAA-Maschine wieder abhebt, gibt es noch nicht.