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For a different development policy!

Beitrag vom 20.01.2021

Achgut.com

Afrika-ABC in Zitaten: Entwicklungshilfe (10)

von Volker Seitz

Der Hang zum Paternalismus und Samaritertum herrscht im westlichen Afrikaengagement vor. In meinem Beruf habe ich immer wieder festgestellt, dass der Idealismus mit der Entfernung zum Problem wächst.

Der geborene Kameruner NJ Ayuk ist erfolgreicher Buchautor, Geschäftsführer der Centurion Law Group, einer panafrikanischen Rechtssozietät mit Sitzen in Südafrika, Ghana, Kamerun, Mauritius und Äquatorialguinea. Das FORBES Magazin bezeichnet ihn als einen der einflussreichsten Menschen der Welt. Dem Afrika-Magazin LoNam gab er im Oktober 2019 ein Interview und äußert sich deutlich über Entwicklungshilfe:

„Heute morgen erst las ich einen Artikel über Hilfsgelder. Warum gebt ihr solche Gelder? Hört auf, uns zu ,helfen‘! Diese Gelder helfen uns nicht, sie machen uns faul, sie halten uns auf. Hier in Deutschland redet Ihr darüber, wie man Leute aus der Sozialhilfe herausbekommt. Aber wenn Ihr nach Afrika schaut, fragt Ihr Euch: Wie können wir ihnen mehr Hilfsgelder zukommen lassen? 600 Milliarden Dollar, die Afrika gegeben wurden, haben nicht einen einzigen Arbeitsplatz geschaffen!“

Asfa-Wossen Asserate schreibt als Gastautor bei Focus-Online am 18.8.2020: „Europa muss seine Afrikapolitik der letzten 60 Jahre infrage stellen, Milliarden an Entwicklungshilfegeldern sind in den letzten Jahrzehnten in den Schwarzen Kontinent geflossen. Aber die Lebenssituation der Menschen in den meisten afrikanischen Ländern hat sich kaum gebessert. Woran liegt das?… Viel zu oft erreichen die Entwicklungsgelder nicht diejenigen, für die sie bestimmt sind. In den Händen der herrschenden Kleptokraten wird das Geld zum Instrument des Machterhalts und liefert Schmiermittel für die grassierende Korruption.“

„Entwicklungshelfer mit messianischem Funkeln in den Augen“

Die in Kenia geborene Yvonne Adhiambo Owuor schreibt zum Brunnenbau („Das Meer der Libellen“, Dumont 2020 ): „Sie brauchten dafür sechs Monate – anderswo baute man besser geplante Brunnen innerhalb von acht Tagen – und zogen einen hohen Metallzaun um die Baustelle, die von vier bulligen, bis an die Zähne bewaffneten Kerlen grimmigen Blicks bewacht wurde. Als der Brunnen vor acht Monaten dann fertig gewesen war, hatten sie ihn mit halbherzigen Reden und Gesängen vor Delegationen aus aller Welt eingeweiht. Ein geschwätziger ranghoher Militär, dessen Uniformjacke über und über mit Orden gespickt war, hatte den Botschafter zu einem Band mit einer großen roten Schleife geführt, die dieser zur Eröffnung mit einer stumpfen Schere durchschneiden sollte. Und als das erste Wasser aus dem Brunnen geholt wurde und der Botschafter es kostete, verriet sein gequältes Lächeln den Inselbewohnern, dass er gerade erkannt hatte, was sie schon seit Jahrhunderten wussten: dass das Grundwasser auf Pate zu salzig war, um genießbar zu sein. Seitdem war der neue Brunnen nie wieder erwähnt worden.“ (S.115)

In seinem vergnüglichen Buch „Warten auf Tusker“, Hammer Verlag 2017, nimmt der Kenianer Meja Mwangi fehlgeleitete Hilfsprojekte, Korruption und die Lethargie afrikanischer Männer aufs Korn: „Kibogoyo hatte zu oft erlebt, wie viele Hilfsgelder in fehlgeplanten Projekten versickerten, die besser nie das Licht der Welt erblickt hätten. Er hatte erlebt, mit wie viel Trara ähnliche Projekte aus der Taufe gehoben worden waren, dann dahinsiechten und schließlich starben, noch bevor jemand überhaupt begreifen konnte, für wen oder was die Projekte eigentlich gedacht waren. Fehlschläge waren konsequenter Bestandteil von durch Geberländer finanzierten Projekten und zuweilen sogar beabsichtigt.“ (S. 89)

Yvonne Adhiambo Owuor, auch aus Kenia, macht sich in ihrem Roman „Der Ort, an dem die Reise endet“, Dumont 2016, über Helfer lustig: „Entwicklungshelfer mit messianischem Funkeln in den Augen“, die „Love-Africa-Typen“, und fragt sich: „Ist er ein Brunnenbauer? Ein Armutsbekämpfer?“

„Die schwarze Haut ist armutsfotogen“

Der Künstler und Schriftsteller Samson Kambalu aus Malawi rät in seinem autobiografischen Roman „Jive Talker“, Unionsverlag 2011, afrikanischen Kindern, sich von Touristen fernzuhalten. „Sonst landet ihr noch auf dem Spendenaufruf irgendeiner Hilfsorganisation“. Außerdem hat er festgestellt, dass die Kinder auf den Fotos keine Schuhe tragen dürfen, denn sonst könnten sie nicht als arm gelten. „Ich trat einen Schritt näher zu den anderen Kindern, um im Bild zu sein, doch sie versuchte immer noch, mich rauszuschneiden. Schließlich gab ich nach. Ich schleuderte meine Schuhe von mir und stellte mich, die Hände in die Hüfte gestemmt, zu dem zerlumpten Haufen. Sie streckte den Daumen hoch. Aber insgeheim wischte ich ihr doch noch eins aus, weil sie dieses Bild nämlich garantiert nicht für einen Spendenaufruf verwenden könnte: So von sich eingenommen stand kein Mensch da, der Hunger litt.“ (S. 109/110)

„Die schwarze Haut ist armutsfotogen und wird intensiv von Hilfsorganisationen und der Entwicklungshilfeindustrie benutzt“, stellt der Beniner Luc Degla in „Wenn Gäste bleiben“, Universität Freiburg Schweiz, Friedrich Reinhardt Verlag, 2012 fest. (Seite 84)

Der Ivorer Vénance Konan in einem Interview mit Radio France Internationale am 14. Mai 2018: „Es gibt ein neues Übel: die Entwicklungshilfe. Wir sind so weit gekommen, dass wir glauben, nichts ohne Hilfe tun zu können. Nach 50 Jahren Unabhängigkeit können wir nicht einmal eine elektrische Steckdose herstellen. 55 Staaten bringen es nicht fertig, Geld für den Bau ihres Organisationssitzes (Afrikanische Union) aufzubringen. Es ist Zeit, sich zu erheben.“

Mukoma wa Ngugi, Sohn des weltbekannten kenianischen Schriftstellers Ngugi wa Thiong’o, ist inzwischen selbst Schriftsteller. Er hat seinen ersten Roman „Nairobi Heat“, Transit 2014, vorgelegt.

Das Motto des Autors: „Weiße Leute wollen immer schwarze Leute retten“ (S.147). Daraus entsteht eine Wohltätigkeitsmasche, die letztlich der Geldwäsche dient. Er schreibt: „Und das Geld von den Nicht-Korrupten, von denen, die spendeten, weil sie einem Kind, das im Völkermord [in Ruanda] verwaist war, eine Ausbildung ermöglichen wollten, diese kleinen Spenden summierten sich ebenso zu Millionen – dieses Geld, das so zusammenkam, kam keinesfalls den Flüchtlingen zugute. Auf dem Papier wurden für das Geld Autos und Häuser für das Flüchtlingszentrum gekauft, in Wirklichkeit wurden Gefälligkeiten bedient, Politiker bestochen, private Konten gefüllt.“ (S.100)

„Es sind immer die wilden Tiere oder wir“

In seinem zweiten Roman „Black Star Nairobi“, Transit 2015, beschäftigt sich Mukoma wa Ngugi erneut mit den „Rettern“: „Ich hatte jetzt ein präzises Bild von mir – angenommen, alles, was du auf dieser Welt willst, besteht darin, etwas Gutes zu tun. Du siehst einen Krisenherd neben dem anderen und versuchst, etwas zu verändern. Du fängst beim Peace Corps an, irgendwo in einem Dorf bohrst Du Brunnen und zimmerst ein Schulgebäude zusammen. Sobald Du aber abreist, trocknet der Brunnen aus, und die Schule lässt keine Mädchen mehr in den Unterricht, weil irgendein fetter Provinzbonze, der sich ein politisches Amt ergaunern will, beschlossen hat, dass das nicht der afrikanischen Kultur entspricht. Du bekommst einen anderen Job, wo Du mehr Einfluss hast, und Du kletterst die Weltverbesserer-Leiter immer höher, bis du in einem der mächtigsten Büros der Welt angekommen bist.“ (S. 232)

Die nigerianische Autorin Sefi Atta (Wole Soyinka Price for African Literature) in ihrem Buch „Hagel auf Zamfara“ (Peter Hammer Verlag, 2012): „Sie richtet nur Unheil an. Sie hört nicht auf, Stipendien auszugeben. Hassan hat gesagt, dass sie es gewohnt war, wegen ihrer Ballons Aufmerksamkeit zu bekommen, aber dann seien ihre Haut schrumpelig und die Ballons undicht geworden. Und deshalb gibt ihr in Hollywood niemand mehr eine Rolle, und sie versucht jetzt die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, indem sie afrikanische Mädchen rettet. Es sind immer die wilden Tiere oder wir, hat Hassan erklärt.“ (S. 64)

In Paulina Chizianes „Wind der Apokalypse“, Brandes & Apsel 1997, geht es eher um humanitäre Hilfe, aber mit ähnlichen Ergebnissen: „Die Fahne der Nächstenliebe flattert im Dorf auf dem Berg, gehisst von den Mitgliedern der Hilfsorganisationen und allen Menschen, die Gutes wollen und mit ihrem Wissen und ihrem Einsatz dazu beitragen, die Leiden der Menschen zu lindern. Die Menschenfreunde reichen ihre uneigennützige Hand von ihrem Podest herab. Die Hungernden, die in ihrem Abgrund auf dem Boden knien, empfangen die Hilfe mit erhobenen Händen. Wie beim Gebet. Sie freuen sich, zufrieden, das Manna des göttlichen Erbarmens zu erhalten... Sie bekommen Kleider, Decken, Medikamente, Maismehl, Seife, Fisch und Bohnen.... Alle essen, bis sie satt sind, und vergessen die Arbeit auf dem Feld. Warum auch arbeiten, wenn diese guten Menschen uns alles geben? Wenn diese Nahrungsmittel zu Ende gehen, werden wir andere erhalten... Die Menschen nehmen ihre Aufgaben und ihre Traditionen nicht mehr wahr. Sie warten auf Almosen, eine neue Form geistiger Kolonisierung.“ (S. 214/215)

„Der industrielle Komplex der weißen Retter“

Auch der nigerianisch-amerikanische Kunsthistoriker, Schriftsteller („Jeder Tag gehört dem Dieb“, Suhrkamp 2016) und Fotograf Teju Cole sieht Afrika als humanitären Erlebnispark. Es gehe den weißen Rettern vor allem um den emotionalen Kick:

„The fastest growth industry in the US is the White Savior Industrial Complex. The white savior supports brutal policies in the morning, founds charities in the afternoon, and receives awards in the evening.“ („Die am schnellsten wachsende Industrie in den USA ist der industrielle Komplex der weißen Retter. Der weiße Retter duldet morgens brutale Politik, gründet nachmittags eine Hilfsorganisation und bekommt abends dafür eine Auszeichnung.“) The Atlantic, Washington D.C. 21.3.2012

Präsident Nana Akufo Addo von Ghana ist zwar kein Schriftsteller, aber er hat anlässlich des Besuches des französischen Präsidenten Macron in Accra im Dezember 2017 etwas Wichtiges zu der sogenannten Entwicklungshilfe gesagt: „We can no longer pursue a policy for our countries and regions that is based on the support given by the West, France or the European Union. This has not worked and it will not work.“

(„Wir können nicht länger eine Politik für unsere Länder und Regionen verfolgen, die auf irgendeiner Unterstützung basiert, die uns die westliche Welt, Frankreich oder die Europäische Union geben kann. Das hat nicht funktioniert und es wird nicht funktionieren“.)

Der kenianische Journalist und Schriftsteller Binyavanga Wainaina (1971–2019) schreibt in seinen Erinnerungen: „Eines Tages werde ich über diesen Ort schreiben“, Afrika Wunderhorn 2013, „dass die Spender aus den Geberländern für Bewusstseinsbildungs-Broschüren siebentausend Dollar pro Text bezahlen.“ Sein Rat an Kollegen: „Mach Dinge nicht unnötig kompliziert, und du wirst sehr gut bezahlt.“ (Seite 236 )