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Beitrag vom 01.10.2020

FAZ

Sambia steht vor der Staatspleite

Als erstes Land in Afrika kann die Regierung in der Corona-Krise Anleihezinsen nicht mehr bedienen. Andere afrikanische Staaten könnten folgen. Von Claudia Bröll, Kapstadt

Als Sambia 2012 sein Debüt am internationalen Kapitalmarkt feierte, knallten nicht nur in der Hauptstadt Lusaka die Sektkorken. Der damalige Finanzminister Alexander Chikwanda sprach von einem sensationellen Erfolg, Analysten witterten einen Wendepunkt auch für andere afrikanische Staaten. Die erste sambische Staatsanleihe war zur Emission um mehr als das Fünfzehnfache überzeichnet. Die „Financial Times“ fragte, ob sambische Anleihen eine sicherere Wette seien als spanische.

Acht Jahre später muss der einstige Hoffnungsträger die Investoren um Nachsicht bitten. Das Land ist das erste in Afrika, das in der Corona-Krise seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber privaten Gläubigern nicht mehr erfüllen kann. Jetzt geht die Sorge um, dass auch andere hochverschuldete Länder auf dem Kontinent auf einen Staatsbankrott zusteuern. Die Mitteilung der sambischen Regierung in der vergangenen Woche alarmierte nicht nur die Inhaber von Staatsanleihen. Man werde mit den Zinszahlungen auf alle drei auf Dollar nominierte Staatsanleihen in Verzug geraten, hieß es. Die Zahlungen müssten bis April aufgeschoben werden.

Am Dienstag dann warb Finanzminister Bwalya Ngandu in einer virtuellen Präsentation um die Unterstützung der Gläubiger. Die „Verschnaufpause“ sei nötig, um Finanzmittel für die Bewältigung der Corona-Krise zur Verfügung zu haben, die Finanzlage zu analysieren, einen „konstruktiven und vertrauensvollen Dialog“ mit den Gläubigern einzuleiten und eine Schuldenstrategie in Abstimmung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zu erarbeiten. Es handelt sich um Zinszahlungen in einer Höhe von 120 Millionen Dollar. Sambia hat sich insgesamt 3 Milliarden Dollar von den Anleihekäufern geliehen. Die ersten Papiere werden 2022 fällig.

Sambia gehört zu den Entwicklungsländern, denen die zwanzig führenden Wirtschaftsnationen im April einen Zahlungsaufschub auf ihre Schulden gewährt haben. Die Regierungsvertreter, die Weltbank und der IWF pochen jedoch darauf, dass sich auch private Gläubiger beteiligen müssen. Nur dann könne die Initiative Erfolg haben. Sambia ist dafür ein Paradebeispiel. Nach der Präsentation des Finanzministers ist das Land mit fast 12 Milliarden Dollar im Ausland verschuldet, davon entfällt mehr als die Hälfte auf die Inhaber der Eurobonds und auf bilaterale Gläubiger, allen voran auf China.

Nach offiziellen Angaben gibt es in Sambia bisher 14700 Covid-Infektionen und rund 300 Todesfälle. Mehr als unter dem Virus leidet das Land unter dem Niedergang der Rohstoffpreise zu Beginn der Krise. Sambia ist der zweitgrößte Kupferproduzent auf der Welt, Kupfer sorgt für 70 Prozent der Exporteinnahmen. Seit Anfang März hat außerdem die Währung um mehr als 30 Prozent an Wert verloren. Das erschwert den Schuldendienst zusätzlich.

Die Finanznöte bestanden jedoch schon lange vor der Corona-Pandemie. Über zehn Jahre hinweg kletterte die Staatsverschuldung rasant, 2021 dürfte sie nach Schätzung der RMB-Bank in Johannesburg 119 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen. Ein großer Teil des Geldes floss in staatliche Infrastrukturprojekte wie Flughäfen und Straßen, die mit chinesischen Krediten finanziert und von chinesischen Unternehmen gebaut wurden. Erträge aber liefern sie höchstens langfristig. Gleichzeitig geriet die Wirtschaft, die einst zu den am schnellsten wachsenden in Afrika gehörte, ins Stocken. Mit unerwarteten Schachzügen verspielte die Regierung unter Staatspräsident Edgar Lungu viel Vertrauen. Zuletzt sorgte die Entlassung des angesehenen Zentralbankgouverneurs ohne Angabe von Gründen für Aufruhr.

Ökonomen und Rating-Agenturen sind daher skeptisch, ob das Land einer sich immer schneller drehenden Schuldenspirale entkommen und die Bedingungen des IWF für Hilfen erfüllen kann. Anfang der Woche senkte die Ratingagentur Fitch die Bonitätsnote von CC auf C, das ist die vorletzte Stufe vor einem Staatsbankrott. Zuvor hatte der Finanzminister den Haushalt für das kommende Jahr vorgelegt. Darin gebe es keine klaren Anzeichen für eine Konsolidierung der Finanzen in naher Zukunft, bemängelte die RMB-Bank. Zweifelhaft ist auch, ob die Regierung ein Jahr vor den Wahlen einen entschlossenen Sparkurs einschlägt.

Die Gläubiger müssen bis zum 16. Oktober eine Entscheidung treffen. Zwei Drittel müssen einer Stundung der Zinszahlungen zustimmen. Das Ergebnis wird wegweisend sein für andere Länder in der Region und für die Investoren, die auf der Suche nach höheren Renditen auf afrikanische Staatsanleihen gesetzt haben. Abgesehen von Sambia hält Fitch die Zahlungsunfähigkeit von vier weiteren Ländern in der Region für eine „echte Möglichkeit“ – von Angola, der Republik Kongo, Gabun und Moçambique.