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Beitrag vom 13.06.2020

Was Corona in Afrika anrichtet

Der Kontinent hat immer noch wenige Corona-Infektionen, doch der wirtschaftliche Schaden ist immens. Von Claudia Bröll, Kapstadt

Norma­ler­wei­se kommen afri­ka­ni­sche Regie­rungs­ver­tre­ter in das Cape Town Inter­na­tio­nal Conven­ti­on Centre (CTICC), um Veran­stal­tun­gen wie das Welt­wirt­schafts­fo­rum in Afrika oder die Berg­bau­mes­se Mining Indaba zu eröff­nen. Südafri­kas Staats­prä­si­dent Cyril Rama­pho­sa jedoch reiste unlängst aus einem ande­ren Grund an: Das schi­cke Konfe­renz­zen­trum heißt seit kurzem „The Hospi­tal of Hope“. Dort, wo sich vor weni­gen Mona­ten noch Geschäfts­leu­te in feinen Anzü­gen trafen, stehen nun mehr als 800 Klinik­bet­ten in langen Reihen dicht neben­ein­an­der. Es ist das größte Corona-Field-Hospi­tal dieser Art auf dem Konti­nent.

Vergli­chen mit Europa, Asien und Ameri­ka ist Afrika von der großen Infek­ti­ons­wel­le bisher verschont geblie­ben. Südafri­ka ist mit mehr als 50000 bestä­tig­ten Fällen am härtes­ten getrof­fen. Es folgen Nige­ria (14000), Ghana (10000) und Kame­run (9000), während Bots­wa­na oder Nami­bia weni­ger als 50 Fälle verzeich­ne­ten. Ledig­lich 1,5 Prozent der Infek­tio­nen global entfal­len auf den Konti­nent und 0,1 Prozent der Todes­fäl­le.

Die wirt­schaft­li­chen Folgen jedoch sind enorm. Vor einem Jahr sagte die Welt­bank für die Region südlich der Sahara ein Wirt­schafts­wachs­tum von knapp 3 Prozent vorher. Jetzt steht zum ersten Mal seit 25 Jahren eine Rezes­si­on bevor. Das Insti­tut Capi­tal Econo­mics in London beispiels­wei­se erwar­tet in sieben Ländern eine schrump­fen­de Wirt­schafts­leis­tung. Beson­ders verhee­rend ist die Lage in Südafri­ka, wo die Ökono­men jetzt sogar mit einer Kontrak­ti­on um 11 Prozent rech­nen. Die höchs­ten Wachs­tums­ra­ten von gerade einmal 3 und 2,5 Prozent errei­chen Äthio­pi­en und Ruanda.

Viele afri­ka­ni­sche Regie­run­gen reagier­ten früh­zei­tig mit Ausgangs­sper­ren: 13 Länder verhäng­ten einen natio­na­len „Lock­down“, zehn Länder in bestimm­ten Gegen­den. Die strik­tes­ten Regeln gelten in Südafri­ka, wo anfangs sogar der Alko­hol­ver­kauf verbo­ten war. Auch in Nige­ri­as Groß­städ­ten kam das Wirt­schafts­le­ben großen­teils zum Erlie­gen. In Malawi wieder­um kippte ein Gericht die Beschrän­kun­gen.

Der „Lock­down“ ist jedoch nicht allein für die wirt­schaft­li­chen Folgen verant­wort­lich. Afrika hängt weiter­hin im hohen Maße von Rohstof­fen ab wie das diaman­ten­rei­che Bots­wa­na. Wegen der Corona-Krise häufen sich die unver­kauf­ten Diaman­ten in den Treso­ren auf der Welt, Markt­füh­rer De Beers dros­sel­te die Produk­ti­on. Auch der Preis für Kupfer, ein Haupt­ex­port­gut für Sambia, liegt unter dem Niveau zu Jahres­be­ginn. Angola und Nige­ria wieder­um werden von den Turbu­len­zen am Ölmarkt gebeu­telt. Nige­ria bezieht mehr als 60 Prozent der Staats- und 90 Prozent der Dollar­ein­nah­men aus dem Ölge­schäft.

Auch der über die Jahre sukzes­si­ve gestie­ge­ne Zufluss von auslän­di­schen Direkt­in­ves­ti­tio­nen nach Afrika ebbt wegen der Krise ab. Die Handels­or­ga­ni­sa­ti­on der Verein­ten Natio­nen, Unctad, erwar­tet global einen Rück­gang um 30 bis 40 Prozent, wobei die Geld­strö­me in Entwick­lungs­län­der noch stär­ker sinken dürf­ten. In ähnli­chem Umfang hat die Pande­mie auch die Geld­über­wei­sun­gen von Bürgern mit Arbeits­plät­zen im Ausland abrupt gestoppt. So können Millio­nen Zimbab­wer und Mala­wi­er, die sich in Südafri­ka als Gärt­ner, Haus­halts­hil­fen oder Taxi­fah­rer durch­brin­gen, ihre Fami­li­en nicht mehr unter­stüt­zen, weil sie ihre Jobs verlo­ren haben. Zusätz­lich sind physi­sche Geld­trans­fers über infor­mel­le Kurie­re kaum möglich, weil viele Gren­zen geschlos­sen sind. Das trifft auch den regu­lä­ren Handel. Vor gut zwei Jahren noch hatten sich afri­ka­ni­sche Staa­ten nach langem Ringen auf die Grün­dung eines panafri­ka­ni­schen Frei­han­dels­raums geei­nigt. Jetzt floriert der Schmug­gel an den Grenz­über­gän­gen.

Beson­ders prekär ist die Lage in Afri­kas Touris­mus­wirt­schaft, die 2018 nach Anga­ben des World Travel & Tourism Coun­cil 8,5 Prozent zum Brut­to­in­lands­pro­dukt beisteu­er­te. Afrika galt damals als die am zweit­schnells­ten wach­sen­de Touris­mus­re­gi­on auf der Welt. In Südafri­ka drängt der Touris­mus­ver­band gerade, den inter­na­tio­na­len Reise­ver­kehr im Septem­ber – pünkt­lich zur Sommer­sai­son – wieder zuzu­las­sen. Das Minis­te­ri­um aber bezeich­ne­te einen Start erst im Febru­ar 2021 als realis­tisch.

Hilfen, um die Wirt­schaft anzu­kur­beln, sind jetzt auch in Afrika das große Thema. Das umfang­reichs­te Hilfs- und Stimu­la­ti­ons­pa­ket in einer Höhe von umge­rech­net 26 Milli­ar­den Euro kündig­te Südafri­ka an. Sechs Noten­ban­ken senk­ten die Zinsen teils um mehr als 100 Basis­punk­te. Priva­te und inter­na­tio­na­le Geld­ge­ber einschlie­ß­lich Inter­na­tio­na­ler Währungs­fonds (IWF) und Welt­bank brach­ten Milli­ar­den­hil­fen auf den Weg. 35 bis 40 Länder aus Subsa­ha­ra-Afrika hätten IWF-Notkre­di­te bean­tragt, teilte ein IWF-Spre­cher mit. Außer­dem hätten 19 afri­ka­ni­sche Länder einen Schul­den­er­lass erhal­ten.

Selbst die Milli­ar­den­hil­fen aber werden eine Rezes­si­on mit Millio­nen Arbeits­lo­sen bei einem spär­li­chen sozia­len Netz nicht verhin­dern. Immer­hin dürf­ten alle Volks­wirt­schaf­ten in den beiden kommen­den Jahren wieder wach­sen, aber von einer deut­lich nied­ri­ge­ren Basis aus.

In Südafri­ka wurde die Ausgangs­sper­re in der vergan­ge­nen Woche von Stufe 4 auf 3 gesenkt. Während die ersten Betten im „Hospi­tal of Hope“ belegt werden, herrscht auf einem Stra­ßen­markt in der Nähe wieder Betrieb. Abge­se­hen von den Gesichts­mas­ken könnte man fast Norma­li­tät vermu­ten. Die Nervo­si­tät aber bleibt. Die schnel­le Reak­ti­on der afri­ka­ni­schen Regie­run­gen hat womög­lich die Verbrei­tung des Virus gebremst. Anders als in Europa aber werden die Restrik­tio­nen gelo­ckert, bevor der Höhe­punkt der Neuin­fek­tio­nen erreicht ist.