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Beitrag vom 04.05.2020

FAZ

Eine Biogasanlage für 500 Euro

Katrin Pütz hat eine Mini-Biogasanlage entwickelt. Sie soll Menschen in Entwicklungsländern Perspektiven geben.

Auf ei­ner Wie­se in ei­nem Ge­mein­schafts­gar­ten im Sü­den von Köln zwi­schen Bee­ten und Sträu­chern, ver­steckt un­ter ei­ner schwar­zen Pla­ne, liegt ein zwei Me­ter lan­ger, wei­ßer Sack. An bei­den En­den ra­gen PVC-Roh­re her­vor, ab­ge­stützt durch graue Zie­gel­stei­ne. Viel mehr braucht es für die Mi­ni-Bio­gas­an­la­ge nicht, die Kat­rin Pütz er­fun­den hat. Aus ih­rem Ruck­sack holt die Agrar­in­ge­nieu­rin in Zei­tungs­pa­pier ein­ge­wi­ckel­te Kü­chen­ab­fäl­le. Mit Was­ser ver­mischt, kippt sie die Kar­tof­fel­scha­len und Es­sens­res­te durch das vor­de­re Rohr in die An­la­ge. „Beim ers­ten Mal muss die An­la­ge mit Kuh­dung be­füllt wer­den, da­mit Me­than­bak­te­ri­en hin­ein­ge­lan­gen“, er­klärt Pütz. Da­nach könn­te der Nut­zer die An­la­ge je­doch mit Bio­ab­fäl­len al­ler Art „füt­tern“, wie sie es nennt. Im In­ne­ren bau­en die Bak­te­ri­en die Ab­fäl­le ab und pro­du­zie­ren da­bei Gas. Mit je­der „Füt­te­rung“ wird die Mas­se im Sack wei­ter­ge­scho­ben, bis sie schließ­lich ver­go­ren am an­de­ren En­de aus dem zwei­ten Rohr her­aus­kommt. „Das ist su­per Dün­ger!“, lacht Pütz und zeigt auf die bräun­li­che Flüs­sig­keit im Ei­mer. Ak­tu­ell pro­du­zie­re die An­la­ge nicht viel, da­für sei es zu kalt, un­ter zwan­zig Grad könn­ten die Bak­te­ri­en nur lang­sam ar­bei­ten.

Für den Ge­brauch in un­se­ren Brei­ten­gra­den hat Pütz die An­la­ge auch nicht ent­wi­ckelt. Die Grün­de­rin von (B)En­er­gy will mit ih­rem Pro­dukt Men­schen in Ent­wick­lungs­län­dern ei­ne Per­spek­ti­ve bie­ten. So kön­nen Be­sit­zer ei­ner Mi­ni-Bio­gas­an­la­ge das pro­du­zier­te Gas nicht nur für den ei­ge­nen Haus­ge­brauch ver­wen­den. Pütz hat ei­nen Ruck­sack ent­wor­fen, mit dem Be­sit­zer das Gas trans­por­tie­ren und wei­ter­ver­kau­fen kön­nen. Mit den Ma­ßen von 2 Me­tern mal 1,5 Me­tern ist der Ruck­sack nicht ge­ra­de klein, aber auch prall ge­füllt wiegt er Pütz zu­fol­ge nicht mehr als 4 Ki­lo­gramm. Ei­ne Mi­ni-Bio­gas­an­la­ge kos­tet zwi­schen 500 und 600 Eu­ro. Durch die Ein­nah­men aus dem Gas­ver­kauf kön­ne ein afri­ka­ni­scher Bau­er mit Kü­hen ei­nen Kre­dit in die­ser Hö­he aber in­ner­halb von ein bis zwei Jah­ren wie­der ab­be­zah­len, sagt Pütz.

Pütz ist 38 Jah­re alt, quir­lig und, wie sie selbst sagt, von ei­ner gro­ßen Neu­gier ge­trie­ben, wie Din­ge funk­tio­nie­ren. Nach dem Ab­itur mach­te sie ei­ne Aus­bil­dung zur Schrei­ne­rin und reis­te an­schlie­ßend um die gan­ze Welt. „In der Zeit ha­be ich viel aus­pro­biert und ge­lernt“, sagt Pütz–ob als Sen­ne­rin in den Al­pen oder als Stier­fän­ge­rin im aus­tra­li­schen Out­back. Die Idee für den Bio­gas-Ruck­sack kam ihr 2008 im Agrar­tech­nik­stu­di­um an der Uni­ver­si­tät Ho­hen­heim, wo sie Bio­gas als En­er­gie­trä­ger ken­nen­lern­te. „Ich war be­geis­tert vom sim­plen Prin­zip der Tech­nik und woll­te Bio­gas in Afri­ka wirt­schaft­lich nutz­bar ma­chen“, er­in­nert sich Pütz. Zu­vor sei sie für ih­re Ba­che­l­or­ar­beit im Fach Öko­lo­gi­sche Fol­gen­for­schung 2008 in Ru­an­da ge­we­sen und dort zum ers­ten Mal mit Ent­wick­lungs­hil­fe in Be­rüh­rung ge­kom­men. „Ich war scho­ckiert“, sagt Pütz. Statt An­rei­ze zu set­zen, hät­ten die Pro­gram­me die Ab­hän­gig­keit der Men­schen ge­för­dert: „Ich fand es un­wür­dig, wie die Hil­fe den Men­schen auf­ge­zwun­gen wur­de.“

Am En­de ih­rer Mas­ter­ar­beit hat­te Pütz ein Ge­schäfts­mo­dell ent­wi­ckelt und konn­te die ers­ten Ruck­sack-Pro­to­ty­pen tes­ten. Sie forsch­te wei­ter, ent­wi­ckel­te die ers­te Mi­ni-Bio­gas­an­la­ge und wur­de von ei­ner äthio­pi­schen Uni­ver­si­tät ein­ge­la­den und fi­nan­ziert, um ih­re Tech­nik zu er­pro­ben. Sie bau­te so­gar ei­nen Bren­ner und ei­ne Plat­te zum Ba­cken von In­je­ra, dem äthio­pi­schen Na­tio­nal­ge­richt, für des­sen Zu­be­rei­tung rund 60 Pro­zent der Haus­halts­en­er­gie in Äthio­pi­en ver­wen­det wer­den. Nach meh­re­ren er­folg­rei­chen Pi­lot­pro­jek­ten ha­be sie ge­wusst: „Jetzt gibt es nur noch eins zu tun – ei­ne Fir­ma grün­den“, er­zählt Pütz. Und das tat sie: 2014 rief sie schließ­lich in Deutsch­land (B)En­er­gy ins Le­ben.

Der Ver­such, in den nächs­ten Jah­ren ei­ne lo­ka­le Pro­duk­ti­on mit Fran­chise-part­nern in Äthio­pi­en auf­zu­bau­en, sei al­ler­dings an bü­ro­kra­ti­schen Hür­den und der Kon­kur­renz mit dem staat­li­chen, stark sub­ven­tio­nier­ten Bio­gas­pro­gramm ge­schei­tert, er­zählt Pütz. Der Markt sei durch das staat­li­che Pro­gramm stark ver­zerrt: Statt für die Tech­nik zu be­zah­len, wür­den vie­le fra­gen, was sie für die In­stal­la­ti­on be­kä­men. Dass Din­ge ein­fach ver­schenkt wür­den, sei ein grund­sätz­li­ches Pro­blem der Ent­wick­lungs­hil­fe, gleich­gül­tig ob von Staa­ten oder Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen. Denn da­durch fühl­ten sich die Men­schen nicht ver­ant­wort­lich. „Was nichts kos­tet, ist nichts wert – das wuss­te schon Ein­stein“, mahnt Pütz.

Doch Pütz gab nicht auf. 2017 kehr­te sie nach Deutsch­land zu­rück und än­der­te ihr Kon­zept. Heu­te nimmt sie die Rol­le der Händ­le­rin ein: Sie lässt die Bio­gas-Ruck­sä­cke und Bren­ner in Deutsch­land pro­du­zie­ren und ar­bei­tet mit un­ab­hän­gi­gen Im­por­teu­ren und In­stal­la­teu­ren in den Ex­port­län­dern zu­sam­men. Da­für hat sie ei­gens ei­ne App pro­gram­mie­ren las­sen und ein On­line-Trai­ning ent­wi­ckelt.

Bis­her hat sie mit ih­rem Ein-Frau-Un­ter­neh­men ins­ge­samt et­wa 400 Bio­gas­an­la­gen und 1500 Ruck­sä­cke ver­kauft – die meis­ten da­von nach Afri­ka. För­der­gel­der an­zu­neh­men, um schnel­ler zu wach­sen, ist für Pütz kei­ne Op­ti­on, da­bei wür­den vie­le Or­ga­ni­sa­tio­nen gern mit ihr zu­sam­men­ar­bei­ten. „Ich könn­te schon längst reich sein, wenn ich woll­te“, lacht Pütz. Doch sie ver­steht ihr Un­ter­neh­men als So­ci­al Busi­ness nach dem Mo­dell des No­bel­preis­trä­gers Mu­ham­mad Yu­nus. Die bei­den wich­tigs­ten Re­geln für sie sei­en, dass das Un­ter­neh­men die Be­kämp­fung der Ar­mut zum Ziel hat und dass es fi­nan­zi­ell un­ab­hän­gig ist. „Dar­an hal­te ich mich ma­xi­mal streng“, er­klärt Pütz. Sie ist über­zeugt, dass ein Stopp der Ent­wick­lungs­hil­fe den Men­schen in Afri­ka am meis­ten hel­fen wür­de. Nur dann, so Pütz, wä­ren die Re­gie­run­gen ge­zwun­gen, ein funk­tio­nie­ren­des Steu­er­sys­tem auf­zu­bau­en, um sich zu fi­nan­zie­ren; die Macht­ha­ber müss­ten Un­ter­neh­mer­tum för­dern und sich für ih­re Aus­ga­ben recht­fer­ti­gen. Pütz meint: „So wie es jetzt läuft, ver­han­deln vie­le Macht­ha­ber lie­ber mit der Welt­bank, statt mit En­tre­pre­neu­ren.“ Au­ßer­dem be­kä­men är­me­re Län­der mehr Un­ter­stüt­zung, wes­halb vie­le Re­gie­run­gen kein In­ter­es­se dar­an hät­ten, die La­ge ih­rer Län­der zu ver­bes­sern: „Die Kat­ze beißt sich in den Schwanz.“

Die Hoff­nung, dass die Im­por­teu­re lang­fris­tig doch noch in Afri­ka pro­du­zie­ren kön­nen, hat Pütz noch nicht auf­ge­ge­ben. Das Wachs­tum neh­me der­zeit stark an Fahrt auf: „Die Leu­te fan­gen jetzt an, der Mar­ke zu ver­trau­en. Ei­nem Neu­ling ver­traut in Afri­ka nie­mand. Man muss sich erst be­wei­sen“, er­zählt Pütz. Die gro­ße Her­aus­for­de­rung sei es, trotz der Markt­ver­zer­run­gen kon­kur­renz­fä­hig zu blei­ben und am En­de et­was zu ha­ben, was bes­ser ist als al­les an­de­re. „Ich glau­be das ha­ben wir – das ist nur noch nicht al­len be­kannt“, sagt Pütz und lacht ver­schmitzt.

In Deutsch­land sind die Mi­ni-Bio­gas­an­la­gen bis­her nicht er­laubt. Aber das In­ter­es­se sei auch hier­zu­lan­de da – vor al­lem im Zu­ge der Kli­ma­de­bat­te be­kom­me sie im­mer mehr An­fra­gen, er­zählt Pütz. „Wir soll­ten auch in Deutsch­land und Eu­ro­pa über Haus­halts­bio­gas nach­den­ken. Der Bio­müll ist ja da.“ SVEA JUN­GE