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Beitrag vom 09.01.2020

FAZ

Kein Safaristaat mehr

Tansania wird Diktatur/Von Thilo Thielke, Kapstadt

Noch nicht einmal zur Beerdigung seiner Mutter durfte der tansanische Journalist Erick Kabendera das Gefängnis in der Hafenstadt Daressalam verlassen. Das Gericht benötige schon eine Weisung von höherer Stelle, ließ Wankyo Simon, der Generalstaatsanwalt des ostafrikanischen Staats, die Verteidiger des Reporters wissen, und die sei nicht so schnell zu bekommen. Den Tag, an dem Verdiana Mujwahuz beigesetzt wurde, verbrachte ihr Sohn hinter Gittern. Es war der erste Freitag des neuen Jahres. Am 29. Juli 2019 hatten Polizisten den Reporter abgeholt und in Untersuchungshaft genommen.

Kabendera, der als freier Journalist für tansanische und ausländische Medien wie „Independent“, „Guardian“ und „Times“ arbeitet, ist einer der prominentesten Journalisten des Landes. Kaum jemand zweifelt daran, dass seine Verhaftung politisch motiviert ist und die Vorwürfe von Geldwäsche, Steuerhinterziehung und „kriminellen Geschäften“ nur vorgeschoben sind. Immer wieder wurde sein Fall seit der Festnahme vertagt, zehnmal schon. Mittlerweile leidet Kabendera unter Atembeschwerden und einer Lähmung des rechten Fußes. Die nächste Anhörung ist für den 15. Januar anberaumt. Für Amnesty International ist sein Fall ein weiterer „Angriff auf die Pressefreiheit“. Die Menschenrechtsorganisation fordert eine zügige Freilassung des Journalisten. Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. Im Kampf gegen vermeintliche Gegner kennt die Regierung kein Pardon. Immer wieder werden Zeitungen verboten, Journalisten werden verschleppt, ermordet oder ins Gefängnis geworfen.

Jahrzehntelang galt Tansania als etwas verschlafener Safari-Staat am Indischen Ozean: gesegnet mit Touristenzielen wie Sansibar, Serengeti und Kilimandscharo. Das Land wurde zwar sozialistisch regiert und war arm, blieb aber weitgehend von Stammeskonflikten und Bürgerkriegen verschont. Entwicklungshelfer aus Ost und West rissen sich darum, der ehemaligen deutschen Kolonie unter die Arme zu greifen: Tanzanophilie wurde das Phänomen genannt.

Seit am 5. November 2015 John Magufuli als neuer Präsident vereidigt wurde, ist es mit der Ruhe vorbei. „Bulldozer“ nennt sich der starke Mann. Seinen autoritären Regierungsstil bekommen vor allem Oppositionelle und Journalisten zu spüren, aber auch ausländische Investoren, die sich seit seinem Amtsantritt reihenweise zurückgezogen haben.

Nun haben sowohl das britische Hochkommissariat als auch die amerikanische Botschaft in Daressalam die Regierung scharf kritisiert. Man sei „stark beunruhigt angesichts von Berichten über Unregelmäßigkeiten bei den Lokalwahlen vom 24. November“, ließen die Amerikaner wissen. Es habe an „Akkreditierungen für glaubwürdige einheimische Beobachter“ gemangelt, monierten die Briten. Stattdessen habe eine „koordinierte Disqualifikation von Kandidaten der Opposition stattgefunden“. Die Tansanier seien der Möglichkeit beraubt worden, „ihre lokalen Führer in einer freien, fairen und transparenten Weise“ zu wählen.

Den Sieg bei den Kommunalwahlen sicherte sich die seit der Unabhängigkeit regierende Partei der Revolution, indem sie vor den Wahlen dafür gesorgt hatte, dass mehr als 90 Prozent der Oppositionskandidaten gar nicht erst zugelassen wurden. Angeblich waren in den meisten Fällen die Formulare nicht ordnungsgemäß ausgefüllt worden. Kaum jemand zweifelt daran, dass diese Begründung nur vorgeschoben war. Im Gegensatz zu den Präsidentenwahlen ist für die Durchführung der Lokalwahlen nicht die nationale Wahlkommission, sondern das Ministerium für regionale Verwaltung zuständig. Dieses untersteht seit Magufulis Machtantritt direkt dem Präsidenten.

Die Herausforderer von der Partei für Demokratie und Fortschritt sagten daraufhin ihre Teilnahme ab. Es sei klüger, „solchen Wahlbetrug nicht zu unterstützen“, erklärte der Vorsitzende der Partei, Freeman Mbowe. Hätte seine Partei an der Wahl teilgenommen, hätte sie lediglich die „Illegalität legitimiert“. Zur Farce geriet die Verkündung des Wahlergebnisses. Über 99 Prozent der abgegebenen Stimmen entfielen demnach auf die Partei des Präsidenten. Nur in wenigen Wahlkreisen hatten noch unabhängige Politiker kandidiert. Fast alle der 330000 Bürgermeister, Dorfvorsteher und Stadtteilrepräsentanten gehören nun der herrschenden Partei an.

In den einheimischen Medien wurde über diese Ereignisse kaum berichtet. Menschenrechtsorganisationen beklagen seit langem die rüden Methoden des Präsidenten, der unter anderem auch Jagd auf Homosexuelle machen lässt. Die Regierung weide „den Menschenrechtsrahmen des Landes skrupellos aus“, so Robert Ebola, Tansania-Berichterstatter von Amnesty International. Sie müsse umgehend „alle unterdrückerischen Gesetze“ aufheben, die dazu dienten, Kritiker der Regierung mundtot zu machen, und Menschenrechtsverletzungen dringend beenden.

Der prominenteste Oppositionspolitiker, Tundu Lissu, wirft Magufuli vor, „der Mehrparteiendemokratie in Tansania den Krieg erklärt“ zu haben und das Land in einen „autoritären Staat“ zu verwandeln. Noch dürfen tansanische Staatspräsidenten lediglich zwei jeweils fünf Jahre währende Legislaturperioden regieren. Nach den allgemeinen Wahlen, die im Oktober 2020 stattfinden sollen, werde Magufuli jedoch versuchen, die Verfassung zu ändern, um ewig weiterregieren zu können, glaubt Lissu. Im September 2017 wurde der Politiker von 16 Kugeln getroffen. Für den Anschlag macht er die Regierung verantwortlich.