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Beitrag vom 18.11.2019

FAZ

Streik legt Südafrikas verschuldete Fluggesellschaft lahm

Inlands- und Regionalflüge sind auch Anfang dieser Woche gestrichen/Richard Branson bekundet Interesse an SAA/Von Claudia Bröll, Kapstadt

Am Ende der Woche herrscht normalerweise Hochbetrieb am O.R.-Tambo-Flughafen in Johannesburg. Doch an diesem Freitagnachmittag standen nur ein paar Fernsehkameras vor leeren Abflugschaltern der südafrikanischen Fluggesellschaft South African Airways (SAA). Draußen parkten reihenweise SAA-Maschinen neben dem Rollfeld, offensichtlich aus Mangel an Parkplätzen.

Bei dem südafrikanischen Staatsbetrieb wird gestreikt. Ende vergangener Woche strich sie fast alle SAA-Flüge. Passagiere wurden aufgefordert, nicht am Flughafen zu erscheinen, sondern umzubuchen oder Flüge zu stornieren. Einige lokale Strecken übernahmen der Billigflieger Mango und andere SAA-Tochtergesellschaften. Wie viele Passagiere bisher betroffen sind, wurde nicht mitgeteilt. Zwei Gewerkschaften hatten etwa 3000 Mitglieder – vor allem Boden-, Kabinen- und technisches Personal – aufgerufen, nicht zur Arbeit zu erscheinen. Die Arbeitnehmervertreter fordern unter anderem eine Lohnerhöhung um 8 Prozent. SAA gewährt knapp 6 Prozent. Es geht aber nicht nur um höhere Löhne. Der Streik dürfte auch der Auftakt einer allgemeinen Protestwelle im Land sein, die sich gegen den Reformkurs von Staatspräsident Cyril Ramaphosa richtet, vor allem gegen Privatisierungen und Stellenstreichungen beim Staat.

Nicht nur SAA steckt in finanziellen Nöten, auch der staatliche Energiekonzern Eskom muss immer neue Milliardenhilfen vom Staat beantragen. Bei Investoren wächst auch deswegen die Sorge vor einer Schuldenkrise. Die Ratingagentur Moody’s setzte der Regierung unlängst bis Februar eine Gnadenfrist, um Vorschläge vorzulegen, wie sie die steigende Verschuldung bremsen will. Moody’s ist die letzte der großen drei Agenturen, die Südafrika noch ein Investment-Rating gewährt.

Als einer der ersten Staatskonzerne teilte SAA jetzt mit, mehr als 900 Arbeitsplätze zu streichen. Die Gewerkschaft der Metallarbeiter (Numsa) reagierte wütend: „Die vielen Investitionsgipfel sind ein Fiasko“, sagte Generalsekretär Irvin Jim, „wir sehen einen permanenten Angriff auf die hart erkämpften Errungenschaften von Arbeitern.“ Die Gewerkschaft werde sich mit allen Mitteln widersetzen und zu der „Mutter aller Streiks“ bei SAA aufrufen. Die Arbeitslosigkeit in Südafrika ist jüngst auf fast 30 Prozent gestiegen.

Der Aufsichtsrat wiederum verwies auf die prekäre Finanzlage. SAA müsse Schulden bedienen, habe aber kein Geld. Seit 2011 hat die Fluggesellschaft, die sich von ihren Passagieren mit einem „stolzen südafrikanischen Auf Wiedersehen“ verabschiedet, keinen Gewinn mehr erzielt. Schätzungen zufolge kostete sie den Steuerzahler seitdem umgerechnet fast 2 Milliarden Euro. Zusätzlich zu den üblichen Herausforderungen für eine Fluggesellschaft in Afrika ist SAA auch von zahlreichen Skandalen um Misswirtschaft und Korruption erschüttert worden. Die frühere Aufsichtsratschefin Dudu Myeni, eine enge Vertraute des früheren Staatspräsidenten Jacob Zuma, beispielsweise muss sich gerade vor Gericht verantworten. Ihr wird vorgeworfen, ihre Kompetenzen überschritten und der Fluggesellschaft mit einigen Entscheidungen schwer geschadet zu haben. Doch auch seit ihrem Rücktritt reißen die Schwierigkeiten nicht ab. Mitte dieses Jahres trat der letzte von vielen Vorstandschefs – ein in der Wirtschaft angesehener Manager – zurück. Er sagte, er habe von der Regierung nicht genug Rückendeckung für seinen Reformplan erhalten. Seitdem wird SAA von einer Interimschefin geführt.

Wie der Staatskonzern auf lange Sicht saniert werden soll, ist derweil unklar. Vor einem Jahr sorgte Finanzminister Tito Mboweni für Aufruhr, als er auf einer Investorenkonferenz in New York sagte, am besten sei es, SAA zu schließen. Er glaube nicht, dass man private Investoren dafür finden könne. Heute spricht der Minister nicht mehr von einer Schließung. Neben Personalabbau läuft wohl auch die Suche nach Investoren weiter. Ein möglicher Interessent machte in der vergangenen Woche überraschend von sich reden: Richard Branson, britischer Milliardär und Gründer der Fluggesellschaft Virgin Atlantic, sagte auf einer Konferenz in Johannesburg, ihm falle es grundsätzlich schwer, „nein“ zu sagen. Wenn ihn die Regierung anspreche, würde er sich die Sache ansehen.