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Beitrag vom 05.06.2019

FAZ

Südafrikas Aushängeschild verliert den Chef

Vuyani Jarana scheidet bei staatlicher South African Airways aus / Rückschlag für Anti-Korruptions-Politik

KAPSTADT, 4. Juni. Gut eineinhalb Jahre hatte Vuyani Jarana durchgehalten. Mit dieser Verweildauer liegt der Chef der südafrikanischen Fluggesellschaft South African Airways (SAA) im Vergleich zu einigen seiner Vorgänger gar nicht schlecht. In den zwölf Jahren vor ihm hatte SAA acht Vorstandschefs, davon vier interimsweise. Keiner absolvierte die vertraglich vorgesehene Zeit, einer ging schon nach vier Monaten.

Vor wenigen Tagen reichte auch Jarana seinen Rücktritt ein. Das ist ein herber Schlag für den hochverschuldeten Staatskoloss. Der 47 Jahre alte Südafrikaner war ein Mann aus der Privatwirtschaft. Zuvor war er Bereichsvorstand des Mobilfunk-Anbieters Vodacom, der zum Vodafone-Konzern gehört. In dieser Rolle hatte er sich einen Ruf als geschickter Sanierer erworben. Als er im November 2017 zu SAA wechselte, keimte Hoffnung auf, dass endlich ein Vorstandschef die so lange angekündigte Rückkehr zu besseren Zeiten schaffen könnte. SAA ist auch ein Aushängeschild für die führende Volkswirtschaft in Afrika. Sie trat als erste afrikanische Fluggesellschaft 2006 dem Flugverband Star Alliance bei. „Die Welt nach Afrika und Afrika in die Welt bringen“, wurde zu ihrem Werbespruch.

Auch Jarana schien zuversichtlich, dass der Sanierungsplan aufgehen könnte. Vor genau einem Jahr ging er eine Wette mit der Stiftung Free Market Foundation um 100000 Rand (6000 Euro) ein, dass der Kraftakt bis 2021 gelinge. Doch die Wette hat er vermutlich verloren. In einem Brief an den Aufsichtsrat beklagte er sich über übermäßige Bürokratie, langwierige Abstimmungsprozesse mit verschiedenen Ministerien und chronischen Kapitalmangel. Es sei unmöglich, unter diesen Bedingungen eine Wende zu schaffen. Trotz weiterer Staatshilfen habe die Fluggesellschaft zuletzt kaum die Gehälter bezahlen können. Der Sanierungsplan sah unter anderem eine Aufspaltung der Fluggesellschaft in drei Teile und den Verkauf des Catering-Unternehmens vor.

Der Rücktritt kommt vor allem für Südafrikas Staatspräsidenten Cyril Ramaphosa, der nach den Parlamentswahlen im Mai im Amt bestätigt wurde, zu einer höchst ungelegenen Zeit. Er hat einen Neuanfang nach der von Korruptionsskandalen gespickten Amtszeit seines Vorgängers Jacob Zuma versprochen. Die Sanierung der Staatskonzerne, die während der Zuma-Jahre besonderen Schaden genommen haben, spielt darin eine Schlüsselrolle.

Der SAA-Chef ist zudem nicht der einzige Lenker eines Staatskonzerns, der sich in den vergangenen zwei Wochen verabschiedete. Vor Jarana hatte auch der Chef des Energiekonzerns Eskom, Phakamani Hadebe, seinen Rücktritt bekanntgegeben, mit Verweis auf die enorme Belastung für seine Gesundheit. Bei Eskom ist die wirtschaftliche Lage so prekär, dass der Stromversorger zu Beginn des Jahres Mühe hatte, die Stromversorgung im ganzen Land zu gewährleisten. Wie SAA hat das Finanzministerium zuletzt auch Eskom Milliardenzuschüsse gewährt, um Verbindlichkeiten zu bedienen und den Betrieb am Laufen zu halten.

Im Falle von SAA sind die Finanznöte einer Vielzahl von Gründen geschuldet. Nicht nur befindet sich Südafrika weit entfernt von wichtigen Destinationen, auch schlagen Faktoren wie die Währungsschwäche, hohe Gebühren an afrikanischen Flughäfen und kräftige Aufschläge auf den Kerosinpreis vielerorts zu Buche. Staatliche Vorgaben, welche Routen geflogen werden müssen, machen die Lage nicht einfacher. Doch wie andere Staatskonzerne ist auch SAA in der Vergangenheit ein Spielball politischer und persönlicher Interessen gewesen. Die frühere Aufsichtsratschefin Dudu Myeni beispielsweise war eine enge Vertraute Zumas. Trotz zahlreicher Vorwürfe wegen Kompetenzüberschreitung, Misswirtschaft und Selbstbereicherung hielt sie sich über Jahre hinweg im Amt.

Politische Einflussnahme und ein Gezerre um Zuständigkeiten rissen aber offenkundig auch noch nach ihrem Abschied nicht ab. Die Vorgabe, sämtliche Entscheidungen erst von mehreren Ministerien genehmigen zu lassen, hätten seine Bemühungen „systematisch unterminiert“, schrieb Jarana. Man habe ihm zugesichert, dass die Fluggesellschaft der Aufsicht des Finanzministeriums unterstellt sei, im August vergangenen Jahres sei SAA allerdings doch wieder unter die Ägide des Ministeriums für Staatsbetriebe geraten. „Ich habe mit vier Ministern seit meinem Start gearbeitet. Es ist unmöglich, mit dieser Bürokratie ein Unternehmen zu sanieren.“ Etwa 60 Prozent der Probleme von SAA seien interner Art, der Rest sei externen Marktbedingungen geschuldet.

Jetzt wird gerätselt, wie es mit SAA weitergeht. Anfang dieser Woche machten die heimischen Banken Druck, einen Termin für die Bezahlung eines überfälligen Kredits über 3,5 Milliarden Rand (213 Millionen Euro) zu nennen. Doch eine eilige Bewilligung weiterer Zuschüsse oder Kreditgarantien vom Staat ist nicht einfach, auch weil das neu zusammengesetzte Parlament erst am 20. Juni erstmals zusammentritt. Zudem steht in der langen Reihe der Bittsteller Eskom vor SAA, da der Energieversorger eine wichtigere Rolle für die südafrikanische Volkswirtschaft spielt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Bloomberg sind dessen Schulden binnen eines Jahres von 370 auf 500 Milliarden Rand (30 Milliarden Euro) gestiegen.

Da fällt vielen in Südafrika ein Kommentar des wortstarken Finanzministers Tito Mboweni Ende vergangenen Jahres ein. „Aus meiner Sicht sollte SAA geschlossen werden“, sagte er vor Investoren in New York. Doch mit einem so rigorosen Schritt rechnet derzeit kaum jemand. Auch der immer wieder ins Gespräch gebrachte Einstieg privater Investoren dürfte sich in der jetzigen Lage als schwierig erweisen. Der optimistisch angetretene Jarana wird gemäß seiner Kündigungsfrist bis Ende August auf dem Posten bleiben. Bis dahin muss ein neuer Vorstandschef gefunden werden, damit sich die Crews weiterhin mit einem „stolzen südafrikanischen Aufwiedersehen“ von ihren Passagieren verabschieden können. CLAUDIA BRÖLL