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Beitrag vom 24.01.2019

Salzburger Nachrichten

Simbabwe: Das Krokodil zeigt Zähne

Emmerson Mnangagwa galt nach dem Sturz von Langzeit-Herrscher Robert Mugabe als Hoffnungsträger für das Armenhaus Simbabwe. Jetzt ließ er auf Demonstranten schießen.

China hatte bereits abgewinkt, Europa schon früher, zuletzt auch das benachbarte Südafrika. Niemand mehr wollte dem bitterarmen Simbabwe helfen. Also zog Präsident Emmerson Mnangagwa vergangene Woche im Privatjet los, um - wieder erfolglos - in Russland und Weißrussland Wirtschaftshilfe und Investitionen zu lukrieren. Kaum war der Mann, den sie "Garwe", das Krokodil, nennen, in der Luft, brach im Land das Chaos aus. Die Regierung hatte die Spritpreise um 140 Prozent auf 3,30 US-Dollar pro Liter erhöht, worauf vor allem in den Townships von Simbabwes Hauptstadt Harare Massenproteste ausbrachen.
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Militär und Polizei reagierten mit aller Härte, schossen mit scharfer Munition auf die Zehntausenden Demonstranten. Nach offiziellen Angaben wurden drei Menschen getötet, andere Quellen sprechen von zwölf Toten und Dutzenden Verletzten. Um weitere Proteste zu verhindern, schaltete die Regierung vorübergehend das Internet ab.

Ungeheuerliches berichtete ein Briefschreiber, den die in Namibia erscheinende "Allgemeine Zeitung" zitiert: Zivilbeamte der Staatssicherheitspolizei sollen, mit der Kalaschnikow im Anschlag, gezielt Anführer des Protests ermordet haben. "Dass gezielt Menschen getötet wurden, wird vereinzelt gemunkelt, aber konkrete Hinweise haben wir nicht", erzählt eine junge Frau aus der Tourismusbranche, die die SN telefonisch in Simbabwe erreichten. Sie will in Zeiten wie diesen anonym bleiben. "Es gibt viele Gerüchte, auch von einem Umsturzversuch durch den Vizepräsidenten", sagt sie, immer mit dem Hinweis, dass nur wenige Informationen zu erhalten sind. "Fernsehen und die meisten Zeitungen sind staatlich kontrolliert."

Mittlerweile sei es wieder etwas ruhiger geworden, berichtet die Frau. Polizei und Militär seien überall präsent, der Sprit sei knapp, auch Brot gebe es kaum.

Emmerson Mnangagwa, der Präsident, hat inzwischen moderate Töne angeschlagen:. "Gewalt und Fehlverhalten unserer Sicherheitskräfte sind inakzeptabel und ein Betrug am neuen Simbabwe", schrieb er auf Twitter. Und: "Fehlverhalten wird untersucht. Wenn nötig, werden auch Köpfe rollen."

Simbabwe war, das ist gut 20 Jahre her, ein afrikanischer Musterstaat. Und Langzeit-Herrscher Robert Mugabe ein in der Welt anerkannter Staatenlenker. Das ehemalige Südrhodesien, seit 1980 unabhängig, ist reich an Rohstoffen und äußerst fruchtbar, galt einst gar als die Kornkammer des südlichen Afrika. Noch 1997 wuchs die Wirtschaft des Landes unter allen afrikanischen Staaten am schnellsten, Simbabwe exportierte Mais, Baumwolle, Rindfleisch, Tabak, Rosen und Zucker. Und brillierte mit vorbildlicher Infrastruktur ebenso wie mit hoher Alphabetisierungsrate.

Kurz nach der Jahrtausendwende aber begann der tiefe Fall: Mugabe, dessen Popularität schwand, wollte mit einer großen Landreform punkten. Dazu enteignete er mit Gewalt die rund 4000 weißen Farmer, die 70 Prozent der nutzbaren Fläche bewirtschafteten. Damit aber nicht genug. Er entließ auch alle schwarzen Arbeiter und vergab die leerstehenden Güter an Freunde.

Die neuen Besitzer, ahnungslos und ohne qualifizierte Arbeitskräfte, wirtschafteten das Agrarland in Grund und Boden, 2003 betrug die Produktion nur noch unter zehn Prozent der ursprünglichen Leistung. Mittlerweile muss man sogar Hungerhilfe aus dem bitterarmen Malawi annehmen.
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Die Spirale drehte sich weiter nach unten, als das Land auf Nahrungsmittelimporte angewiesen war, aber das Geld dafür im Staatssäckel fehlte. Mugabe ließ daraufhin die Notenpresse anwerfen. Die Folge war eine Hyperinflation, die im Jahr 2003 auf unglaubliche 230 Millionen Prozent anstieg. Die höchste Banknote lautete auf 100 Billionen Simbabwische Dollar (dabei stehen 14 Nullen hinter der 1), war aber nur 30 Euro-Cent wert.

Simbabwe schaffte daraufhin die eigene Währung ab, seither bezahlt man bevorzugt in US-Dollar und Südafrikanischen Rand.

Viele Importe, wenig bis keine Exporte und nicht genügend Einnahmen aus dem Tourismus führten dazu, dass die Devisen knapp wurden. Da nicht mehr genügend Banknoten im Umlauf sind, führte die Regierung Schuldscheine ein. Die werden deutlich unter ihrem nominellen Wert gehandelt, wodurch sich Waren ins Unermessliche verteuern. Wenn sie denn überhaupt vorhanden sind: Die Regale in den Supermärkten sind leer, die Menschen stehen oft tagelang um Zucker und Speiseöl an. Selbst Wasser in Flaschen wird rationiert.

Der Schwarzhandel blüht. Und nur wer echte US-Dollar hat und damit bezahlt, bekommt alles, was er braucht. Der Rest darbt: Die Arbeitslosigkeit liegt bei 90 Prozent, ein Viertel der 16 Millionen Einwohner leidet akut unter Hunger und Armut.

Als jetzt auch noch der Spritpreis um 150 Prozent erhöht wurde, ging der Volkszorn in Gewalt über. Dabei hatten die Massen vor noch gut einem Jahr gejubelt, als Robert Mugabe vom Militär in die Wüste geschickt wurde. Aber Mnangagwa, sein Nachfolger, erfüllte ihre Hoffnungen nicht. Was zu erwarten war: Der neue Präsident, einer der reichsten Männer Simbabwes, kam aus dem engsten Umfeld Mugabes und führte dessen Politik fort.

"Als Mugabe regierte, gab es Licht am Ende des Tunnels: Man konnte auf den Tod des alten Mannes hoffen. Jetzt, da ein Jüngerer an der Macht ist, sind die Umstände genauso schlimm. Aber die Hoffnung auf ein baldiges Ende ist weg", meint die junge Frau aus Simbabwe.