Beitrag vom 18.02.2017
FAZ
Kleine Investitionen zahlen sich auch in unruhigen Zeiten aus
Tomaten, Zwiebeln, Chilis: Der Frankfurter Rechtsanwalt Lutz Hartmann hat als Unternehmer den Schritt nach Äthiopien gewagt
Frankfurt. 17. Februar. Der Entschluss, in Äthiopien eine Gemüse- und Obstfarm zu gründen: Im Nachhinein kann Lutz Hartmann nicht mehr sagen, ob der entscheidende Impuls durch die Atmosphäre in Addis Abeba, von seinem ortskundigen Gesprächspartner oder von dem Genuss von Talla, dem traditionellen lokalen Getreidebier, zustande kam. Berufliche Berührungspunkte hatte Hartmann, Rechtsanwalt in Frankfurt und Vorstandsmitglied des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft, zuvor vor allem mit Westafrika. Nach einer fehlgeschlagenen Investition eines Mandanten in Mali ärgerte er sich über die rechtlich-regulatorischen Probleme mit den lokalen Behörden. „Fortan wollte ich selbst in Afrika investieren. Aber nur mit einer Person, die sich vor Ort auskennt“, sagt Hartmann.
Diese Voraussetzung erfüllt Oliver Langert, sein Gesprächspartner an der Hotelbar in Addis Abeba. Der deutsche Agrarwissenschaftler lebt seit mehr als 14 Jahren in Äthiopien, kennt die Qualität der Böden und weiß um die Probleme mit der Bewässerung – was wiederum für die Auswahl der Produkte entscheidend ist. Mit anderen Geldgebern gründeten die beiden die Fruitbox Africa GmbH. Das Unternehmen hat insgesamt 300 Hektar Land im Süden des Landes gepachtet, rund 400 Kilometer von Addis Abeba entfernt. Es gibt dort rote, fruchtbare Erde, auf der Tomaten, Zwiebeln und Chilis gedeihen. Stolz zeigt Hartmann Bilder der aktuellen Ernte auf seinem Smartphone. Demnächst will er dort die ersten Papaya- und Mangobäume pflanzen. Rund 1,5 Millionen Euro hat Fruitbox schon vor Ort investiert, aber das Land gehört nicht den deutschen Investoren. Es ist für 50 Jahre vom Staat gepachtet. Die äthiopische Verfassung lässt kein Eigentumsrecht am Grund und Boden zu. Das Pachtland von Fruitbox wurde zuvor nicht für den Anbau genutzt. Wie so viele Flächen, was an der vielerorts fehlenden Bewässerungstechnik liegt. Dabei ist der Agrarsektor das Rückgrat der äthiopischen Wirtschaft. Mehr als vier Fünftel der Erwerbstätigen sind hier aktiv, sie tragen zu 48 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bei. Wegen der vielen Brachflächen drängten ausländische Investoren in das ostafrikanische Land – die Grenze zwischen verantwortungsvollen Unternehmen und sogenannten Landgrabbern, zu Deutsch Landdieben, ist oft fließend.
Solche Landnahmen haben in dem ostafrikanischen Staat zu starken Unruhen geführt. Ethnische Minderheiten wehren sich seit Jahresende 2015 gegen die Vertreibung von ihren Ländereien, zum Teil wurden die Farmen niederländischer Investoren angegriffen. Landesweit sollen mehr als 600 Menschen durch Proteste ums Leben gekommen sein. Im Oktober 2016 rief die äthiopische Regierung den Notstand aus, weil die Situation aus dem Ruder lief. Äthiopien, dessen Wirtschaft laut Internationalem Währungsfonds von 2010 bis 2015 jedes Jahr im Schnitt um 9 Prozent wuchs, fürchtete das Fernbleiben zahlungskräftiger Ausländer. Die Höhe der Direktinvestitionen sei im zweiten Halbjahr 2016 um 300 Millionen Dollar niedriger als im Vorjahr gewesen, berichtete ein Sprecher der nationalen Investitionsbehörde der Nachrichtenagentur Bloomberg vor wenigen Tagen. Die äthiopische Regierung müsse ihre Jahresprognose von 3,5 Milliarden Dollar deutlich nach unten korrigieren.
Dennoch wird dies das globale Phänomen der Landverkäufe nicht umkehren. Details liefert die „Land Matrix“, eine von europäischen Forschern und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit entwickelten Datenbank. Dort ist zwar nicht jeder Landverkauf registriert. Die ausgewiesenen Transaktionen sind allerdings durch verschiedene Quellen belegt. Demnach steht Afrika mit registrierten Landverkäufen von mehr als 31 Millionen Hektar mit weitem Abstand vor allen anderen Kontinenten. Asien folgt mit 9,8 Millionen Hektar, also gerade einem Drittel an verkaufter Landfläche, auf dem zweiten Platz. Im Fall des afrikanischen Kontinents fließen allerdings 11 Millionen Hektar ein, in deren Fall der Landkauf bisher nur geplant und bestätigt worden ist.
In Äthiopien schaffen ausländische Investitionen Arbeitsplätze, und die bedeuten soziale Absicherung, Bildung und medizinische Versorgung für die Landarbeiter und deren Familien. „Wir wollen mit der Plantage Geld verdienen, sind uns aber der sozialen Verantwortung gegenüber unseren Mitarbeitern, der lokalen Gemeinschaft und auch der Umwelt bewusst“, sagt Hartmann. Fruitbox beschäftigt derzeit 100 Arbeiter, bei voller Nutzung der Anbaufläche werden es 500 sein. In der Summe sind aber deutlich mehr Menschen, Familien der Arbeiter und Zulieferbetriebe, von der Farm abhängig. Trotz der unruhigen Lage will Äthiopiens Regierung um Investitionen aus Deutschland werben. Dass viele Unternehmen keine Strategie für Afrika entwickeln, kritisiert Hartmann. Sie sollten aufhören, in der Region einen weiteren Absatzmarkt zu sehen. Mit seinem gezielten, lokal begrenzten Engagement will er Vorbild sein: „Es lohnt sich, in Afrika zu investieren – das möchte ich den Menschen zeigen.“
Marcus Jung