Beitrag vom 13.01.2017
junge welt
Milliarden für Afrika
Beijing in Geberlaune. Mehr Geld für Nigerias Infrastruktur. Dessen Regierung verbannt Büro Taiwans. Auch Kooperation China–Tansania vertieft
Von Christian Selz, Kapstadt
Die Volksrepublik China treibt ihre Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent weiter voran. Wie Außenminister Wang Yi am Mittwoch in Nigerias Hauptstadt Abuja bekanntgab, werde Peking das bevölkerungsreichste Land Afrikas mit zusätzlichen Milliardeninvestitionen beim Ausbau der Infrastruktur unterstützen. »China hat bereits 22 Milliarden US-Dollar in Projekte hier in Nigeria investiert, weitere mit einem Volumen von 23 Milliarden Dollar laufen zur Zeit und zusätzlich sind Investitionen im Umfang von 40 Milliarden US-Dollar in der Pipeline«, erklärte Yi im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem Amtskollegen Geoffrey Onyeama.
»Pipeline« dürfte dabei ein gutes Stichwort sein. Wie das nigerianische Internetportal Naij.com ebenfalls am Mittwoch berichtete, hat das westafrikanische Land jüngst Angola als größten Erdölförderer des Kontinents von der Spitze verdrängt. Das Portal beruft sich auf einen Bericht der Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) vom Dezember, demzufolge Nigeria im November auf eine durchschnittliche Rohölförderung von knapp 1,7 Millionen Fass (Barrel; je 159 Liter) pro Tag kam.
Doch die Regierung in Beijing verfolgt mit ihren Investitionen eine langfristiger angelegte Strategie. Bereits im April hatte Nigerias Staatschef Muhammadu Buhari mit Chinas Präsident Xi Jinping eine engere Zusammenarbeit der beiden Staaten vereinbart. Zweck seines Besuchs sei es, die »wichtigen Abmachungen und Kooperationen«, die die Regierungsoberhäupter vereinbart hatten, in die Tat umzusetzen, erklärte Yi nun in Abuja. Gleichzeitig wolle sein Land eng mit Nigeria zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse des China-Afrika-Kooperationsforums (FOCAC) umgesetzt würden. Auf dem jüngsten Gipfel im südafrikanischen Johannesburg hatte Beijing den Staaten des Kontinents Investitionen von insgesamt 60 Milliarden US-Dollar versprochen. Dabei geht es längst nicht nur um die Ausbeutung von Rohstoffen, sondern zugleich um den Ausbau von Infrastruktur und die Erschließung neuer Märkte. Afrikanische Staaten sehen im chinesischen Engagement eine Chance zum Aufbau des eigenen Transportwesens.
Bereits am Montag hatte Minister Yi im Rahmen seiner Afrika-Reise Tansania besucht. Dort investiert die Volksrepublik in die Erneuerung der Eisenbahnlinie, die die Hafenmetropole und Hauptstadt Daressalam mit dem Landesinneren und schließlich dem Binnenstaat Sambia verbindet. Entlang der Strecke sollen zudem Industriegebiete entstehen, in denen chinesische und tansanische Unternehmen gemeinsam produzieren wollen. Er sei nach Tansania gekommen, um die »Freundschaft« beider Länder »zu zementieren«, hatte Yi am Rande eines Treffens mit Premierminister Kassim Majaliwa in der Hauptstadt erklärt. China erhoffe sich zudem, dass Tansania mehr vom FOCAC profitiere.
Ähnliches beabsichtigt auch Nigeria. »Wir wollen Schienen, Straßen, Elektrizität und den Transfer von Fähigkeiten für unser Volk. Wir sollten längst über diesen Punkt hinaus sein, aber wir haben die Infrastruktur vernachlässigt, als wir die Ressourcen dafür hatten«, erklärte der 2015 ins Amt gewählte Buhari in einer Mitteilung vom Mittwoch. Er spielt damit einerseits auf die Verschwendung des Ölreichtums seines Landes an. Die Erlöse aus der Ausbeutung des fossilen Rohstoffs sind bisher nahezu ausschließlich auf den Konten westlicher Konzerne und einer korrupten nigerianischen Elite gelandet. Andererseits drückt Buhari damit auch einen Kurswechsel aus. Erst im vergangenen Monat hatte die nigerianische Justiz ein Korruptionsverfahren angestoßen, bei dem auch die Geschäfte der europäischen Rohstoffmultis Shell und Eni im Fokus stehen. Nun folgt das Bekenntnis zum neuen Partner China.
Nach purer Liebe klingt das nicht. Buharis Linie ist klar: Da sein Land die Mittel zum Aufbau infolge der bisherigen Kapitalabflüsse selbst nicht habe, »muss« es nun eben mit Beijing »kooperieren«. Sein Außenminister lobte aber dennoch die »Solidarität« des Partners. »Im Bereich Infrastruktur, einer unserer Prioritäten im Rahmen des Diversifizierungsprogramms von Öl zu Landwirtschaft, hat die chinesische Regierung sehr viel Kooperation mit uns gezeigt«, erklärte Onyeama. Und Buhari versicherte seinerseits, seine Regierung werde ihren Teil der Abmachungen mit Beijing stets einhalten.
Die erste Umsetzung folgte offensichtlich noch am selben Tag. Wie mehrere nigerianische Medien berichteten, brach Abuja am Mittwoch sämtliche diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab. Die Regierung im Taipeh wurde zudem aufgefordert, ihr Koordinierungsbüro aus der Hauptstadt in die Hafenmetropole Lagos zu verlegen und die Zahl der Mitarbeiter zu verkleinern. Die Regierung unterstrich in einer offiziellen Mitteilung, »keinerlei offizielle Beziehungen« zu der von China nicht anerkannten Inselregierung zu haben und in keiner Weise »offizielle Kontakte mit Taiwan zu pflegen«. Abuja unterstütze »alle Anstrengungen der chinesischen Regierung, nationale Vereinigung zu erreichen«. Man wolle in der Sache »keinen Zweifel« lassen und zu Peking »Vertrauen aufbauen«, erklärte Onyeama anschließend vor Journalisten.