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Beitrag vom 24.11.2016

FRANKFURTER RUNDSCHAU

Wo Klimawandel das Leben verändert

Amadou Dan Kouré

Krankenhäuser in kleinen staubigen Städten, kleine Kinder, die neben ihren Müttern in den Betten liegen und deren schwere Mangelernährung für jedermann sichtbar ist. Die Haut spannt sich dünn über ihre mageren Knochen, Plastikschläuche verdecken ihre kleinen Gesichter. Ein paar werden überleben, andere nicht. Niger ist eines der ärmsten Länder der Welt mit einer der höchsten Kindersterblichkeitsraten. Jedes zehnte Kind erlebt seinen fünften Geburtstag nicht. Das hat verschiedene Gründe. Armut, hohes Bevölkerungswachstum und fehlendes Wissen über Ernährung sind wichtige Ursachen.

In meinen dreizehn Jahren bei Care habe ich aber auch miterlebt, wie extreme Wetterverhältnisse und Dürreperioden Gemeinden immer wieder zurückwerfen. Armut und Hunger hängen in diesem Teil der Welt fast immer auch mit dem Klimawandel zusammen. Niger ist davon besonders stark betroffen. Ganze Dörfer müssen mit immer weniger Wasser auskommen, da die Regenperioden kürzer werden und sich kaum noch vorhersagen lassen. Eine Katastrophe für das Wüstenland, in dem sowieso nur zwölf Prozent der Böden fruchtbares Ackerland sind. Trotzdem arbeiten 80 Prozent der Bevölkerung in der Landwirtschaft und sind von ihr für Nahrungsmittel und Einkommen abhängig. Die Dürren lassen ihre Ernten vertrocknen. Ergebnis: Niger hat eine der höchsten Armuts- und Unterernährungsraten der Welt.

Für die Menschen in Niger ist der Klimawandel nicht abstrakt. Ganz im Gegenteil. Er ist tägliche Realität mit ganz konkreten Folgen für das Leben der Menschen. Wenn der Regen ausbleibt und sich die Jahreszeiten verändern, leiden darunter Ernte und Viehzucht. Aber das ist nur ein Teil der Geschichte. Denn die Gemeinden sehen nicht tatenlos diesen Veränderungen zu, sie wehren sich. Sie suchen nach Möglichkeiten, sich an den Klimawandel anzupassen und für zukünftige Katastrophen zu wappnen. Sie wägen die Risiken ab, schützen sich selbst und ihre Nachbarn und werden widerstandsfähiger.

In den letzten Jahren hat Care den Gemeinden dabei geholfen, die größten klimabedingten Risiken für ihre Dörfer zu benennen. Wir untersuchen verschiedene Gefahren und entwerfen dazu Lösungsszenarien. Was können die Menschen tun, wenn es weniger regnet? Wie können sie ihre Tiere vor dem Hungertod retten, wenn kein Gras mehr wächst? Welche alternativen Einkommensquellen gibt es, wenn keine Ernte auf dem Markt verkauft werden kann? Solche und andere Pläne zur Anpassung an den Klimawandel waren bisher sehr erfolgreich.

Care hat mit der Unterstützung betroffener Gemeinden große Fortschritte erzielt. Sie sind besser angepasst und auf kommende Klimakatastrophen vorbereitet. Wenn ich mit Frauen und Männern in den entlegensten Dörfern in Niger zusammensitze, vergesse ich leicht, dass dieses Land in jeglichen Ranking zu Entwicklung und Armut sehr schlecht abschneidet. Denn neben mir sitzen starke Männer und Frauen, die zusammenhalten. Menschen, die begierig nach Wissen, nach verbesserten technischen Methoden und dürreresistentem Saatgut streben. Gemeinden, die Fremden erklären, was Klimawandel bedeutet. Frauen, die sich durch gemeinsames Sparen in Kleinspargruppen selbst eine Zukunftsperspektive schaffen. Durch ein alternatives Einkommen müssen sie und ihre Kinder in den Dürrezeiten nicht hungern. Vor allem aber sehe ich Menschen, die für ihre Dörfer kämpfen. Mütter und Väter, die ihr Dorf nicht verlassen, sondern die um jeden Preis an dem Ort bleiben wollen, den sie seit Jahrzehnten ihr Zuhause nennen.

Vor ein paar Wochen schlug eine Gruppe Frauen Care und anderen Hilfsorganisationen vor, sie mit Gaskochern zu unterstützen, damit sie nicht länger auf Feuerholz angewiesen sind. Sie waren besorgt, dass die Herstellung von Holzkohle mehr CO2 produzieren und daher der Natur größeren Schaden zufügen würde. Es tut weh mit anzusehen, wie diejenigen, die am wenigsten Schuld am Klimawandel tragen, versuchen, ihren winzigen Beitrag noch zu reduzieren. Schließlich sind die reichsten zehn Prozent der Länder alleine für die Hälfte aller Abgase verantwortlich. Gleichzeitig erfüllt es mich mit Stolz, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen.

Die Anpassung an den Klimawandel ist möglich. Wenn Gemeinden bessere Techniken erlernen und Pläne zur Vorbeugung entwickeln, überleben sie nicht nur die Dürre, sondern sie können manchmal sogar wirtschaftlich wachsen. Wir müssen uns daher noch mehr auf technische Innovationen konzentrieren, die Widerstandsfähigkeit stärken und die Schutzmaßnahmen ausbauen. Care und andere Organisationen fordern die internationale Gemeinschaft dazu auf, die finanziellen Mittel für die Anpassung an den Klimawandel aufzustocken. Bis 2020 sollten die Industrieländer dafür rund 30 Milliarden Euro zur Verfügung stellen.

Die Entscheidungsträger bei der UN-Klimakonferenz in Marokko haben das Inkrafttreten des Paris-Abkommens gefeiert und in der Proklamation von Marrakesch zu starker Solidarität und Unterstützung für die besonders vom Klimawandel betroffenen Menschen aufgerufen. Prävention ist der Schlüssel zur Verhinderung weiterer irreparabler Schäden. Vorbeugende Maßnahmen retten Leben und kosten weniger, als darauf zu warten, dass die Gemeinden immer und immer wieder unvorbereitet von Klimakatastrophen getroffen werden. Dieses Leitprinzip muss nun dringend in praktische lokale, nationale und internationale Maßnahmen umgesetzt werden.

Amadou Dan Kouré ist Projektkoordinator bei Care International in Niger.