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Beitrag vom 06.05.2014

Handelsblatt

Die Paris Hilton aus Südafrika

Reich, extravagant und schwarz

von Wolfgang Drechsler

Minirock, Stöckelschuhe und Skandale: Khanyi Mbau zeigt Luxus ohne Reue - und polarisiert damit Südafrika. Der Streit um den Glamour-Star offenbart vor den Parlamentswahlen einen tiefen Riss in der Gesellschaft.

Kapstadt. Auch Südafrika hat seine Paris Hilton. Am Kap heißt die junge Dame mit dem Hang zu teuren Autos, Glamourpartys und reichen Männern Khanyi Mbau. Der Boulevard liebt die 27-Jährige für ihre Auftritte in kurzen Miniröcken und gefährlich hohen Stöckelschuhen - und natürlich ihre saftigen Skandale.

Khanyi Mbau ist die Art Frau, vor der Eltern ihre Sprösslinge warnen: ein schwarzer Emporkömmling, abschätzig Bimbo genannt, der weniger durch harte Arbeit als eine sexy Garderobe glänzt und dennoch mit seinem frechen Auftreten für viele schwarze Aufsteiger zu einer Art Vorbild geworden ist.

Ablesen lässt sich das an der hohen Zustimmung für Mbau nach einem Fernsehinterview. Ganz offen hatte sie darin damit kokettiert, sich als Schwarze nicht im Geringsten für ihren luxuriösen Lebensstil zu schämen. Auf die Frage nach möglichen Gewissensbissen ließ sie wissen, wenig Mitleid gegenüber Schwarzen zu empfinden, die sich kein Brot leisten könnten.

Im Gegenteil: Sie liebe ihre Croissants - am besten mit einer Extralage Blue Cheese oben drauf. Zu ihrer Vorliebe für schwarze wie weiße Sugar Daddys schrieb sie einmal auf ihrer Facebook-Seite: "Was ist schlimm daran, mit solchen Leute auszugehen? Zumindest kann ich teure Klamotten tragen und wilde Partys besuchen und, na ja, ihr wisst schon…"

In Südafrika sind Khanyi Mbau und ihre Generation der unter 30-Jährigen auch als die "born-free", die Schwarzen, die nach der Apartheid, also in Freiheit geboren wurden, bekannt und politisch umworben. Sie alle wurden um 1990 geboren, als das weltweit geächtete System der Rassentrennung in seinen letzten Zügen lag.

Den eigentlichen Todesstoß markiert der 27. April 1994 als Schwarz und Weiß zum ersten Mal in der südafrikanischen Geschichte gemeinsam an die Wahlurnen gingen. Wer zehn Jahre davor aufwuchs, hat noch die Apartheid und ihr System der Rassentrennung miterlebt.

Wer danach wie Mbau groß wurde, kennt Südafrika nur als ein vom Afrikanischen Nationalkongress (ANC), Mandelas Partei, regiertes Land, und interessiert sich Umfragen zufolge statt für Freiheit und Menschenrechte weit mehr für die materiellen Dinge des Daseins. Die Werte, für die Mandela und seine Mitstreiter einst kämpften, sind für die born-frees oft nur noch zweitrangig.

Mbau ist nur ein extremes Beispiel dafür. Reichlich unwirklich mutet ihr Auftreten nicht zuletzt deshalb an, weil sie in einem Land lebt, in dem noch immer rund die Hälfte der Schwarzen bitterarm sind und die gesellschaftliche Ungleichheit größer als fast überall sonst auf der Welt ist.

Dennoch eifern viele junge Schwarze Pseudo-Stars nach, die wie Mbau ihren Bekanntheitsgrad Äußerlichkeiten verdanken. Etwa der (inzwischen längst aufgelösten) Ehe mit einem schwarzen Geschäftsmann, der ihr einen gelben Lamborghini schenkte - und sich selbst noch einen dazu.

Allerdings wurde Mbau zeitweise an Dreistigkeit von dem Geschäftsmann Kenny Kunene übertrumpft, der bei einer Geburtstagsparty seine Gäste Sushi vom Körper eines dürftig bekleideten (weißen) Fotomodells lutschten ließ.

Danach tobte am Kap lange Zeit eine Debatte über die neue, oft von krassem Materialismus getriebene schwarze Elite - und darüber, ob ihr fragwürdiges Verhalten nicht eine schallende Ohrfeige für die Millionen mittelloser Schwarzer sei.

Sichtbar wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität vor allem im extravaganten Lebensstil vieler Parlamentarier des regierenden ANC, denen es heute offenbar nicht mehr um den Abbau der Armut sondern allein das Anhäufen persönlichen Reichtums zu gehen scheint.

Neue Elite zeigt ihren Reichtum offen

Weder Mbau noch Kunene sind jedenfalls Ausnahmen: Wer könnte etwa vergessen wie Khulubuse Zuma, Neffe des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma, bei einer schwarzen Promi-Hochzeit in seinem neuen 250.000 Euro teuren Mercedes SLS 63 vorfuhr, während gleichzeitig 5000 schwarze Minenarbeiter auf seiner Aurora-Goldmine monatelang auf Lohn und Brot warteten.

"Schwarze Südafrikaner sind für uns eine sehr wichtige Klientel geworden", sagt Francois von Eeden, der in einem Autosalon in Johannesburg arbeitet. "Sie haben zumeist kein Problem damit, ihren neuen Reichtum ganz offen zur Schau zu stellen."

Selbst der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Südafrikas (SACP), Blade Nzimande, bestellte, als er unter Präsident Zuma Erziehungsminister wurde, sofort einen BMW 750i für mehr als eine Million Rand (etwa 70.000 Euro). Schließlich habe er als Minister gewisse Repräsentationspflichten, hieß es.

Kein Wunder, dass sich der selbe Minister vergangene Woche lautstark über die nach seiner Meinung völlig verfehlte Kritik an dem Ausbau der Privatresidenz von Präsident Zuma für fast 20 Millionen Euro empörte. Obwohl inzwischen offiziell erwiesen ist, dass dabei gewaltige Summen an Steuergeldern veruntreut wurden, die beim Armutsabbau fehlen, meinte Nzimande, dass es sich bei der Kritik an dem luxuriösen Ausbau der Privatwohnung Zumas um "Lügen von Weißen" handele und gab damit dem Skandal auch noch eine rassistische Dimension.

Inzwischen regt sich jedoch vor allem unter der noch sehr kleinen schwarzen Intelligenzija etwas Kritik an dem überbordenden Materialismus des ANC und großen Teilen der schwarzen Elite. "Südafrika ist vor allem deshalb in solch großen Nöten, weil es an einer doppelten Krankheit leidet: umgehende Befriedigung aller Wünsche und extremer Konsum". Diese Diagnose stellt der bekannte Schriftsteller Zakes Mda seinem Land aus.

Die neue schwarze Elite, so Mda, fühle sich zur Anhäufung von geradezu obszönem Reichtum berechtigt, weil dies jahrelang das Vorrecht der Weißen gewesen sei. Schlimmer noch: Die Art und Weise wie man zu Geld gelange, sei den meisten Schwarzen völlig egal.

Andere ärgern sich darüber, dass sich viele der Neureichen dennoch als bessere Menschen fühlten: "Der krude Materialismus, den wir schnell mit Schwarzen in Verbindung bringen, ist ein weltweites Phänomen und auch in der chinesischen oder brasilianischen Oberschicht nicht unbekannt", sagt der Sozialforscher Lebogang Moekoena.

"Die Ironie in Südafrika liegt aber darin, dass wir Schwarze gleichzeitig immer gerne unsere Ubuntu-Philosophie mit ihren Humanitätsidealen ins Feld führen, ohne am Ende viel davon wirklich zu leben." Mit der Ubuntu-Lebensphilosophie wird eine Grundhaltung bezeichnet, die sich vor allem auf wechselseitigen Respekt und Anerkennung, Achtung der Menschenwürde und das Bestreben nach einer harmonischen und friedlichen Gesellschaft stützt, aber auch für den Glauben an ein "universelles Band des Teilens, das alles Menschliche verbindet". Die eigene Persönlichkeit und die Gemeinschaft stehen in der Ubuntu-Philosophie in enger Beziehung zueinander.

Bedrückend stimmt vor allem ein Blick auf die kleine schwarze Ober- und Mittelschicht in den 60er-Jahren, die, wie Nelson Mandela, ganz andere Wertvorstellungen hatte: Auf die Frage, was sozialen Status ausmache, antworteten damals fast alle Interviewten, dass nicht Reichtum, sondern Bildung die Grundlage dafür sei. Nur Gangster, so meinten viele abschätzig, würden Reichtum höher bewerten.

Die Debatte darüber, was sozialen Status ausmacht, hat seitdem nie aufgehört. Der bekannte Autor Jonny Steinberg, der sich seit Jahren mit dem Wesen der südafrikanischen Gesellschaft beschäftigt, ist überzeugt davon, dass der Ausgang der Debatte wichtige Aufschlüsse über die Zukunft Südafrikas geben wird. Für ihn spiegelt die bewusste Zurschaustellung des Reichtums vor allem viele Selbstzweifel innerhalb der schwarzen Elite an der Zukunft wider - und erkläre auch deren Drang, die eigenen Bedürfnisse umgehend zu stillen.

Dabei erinnert Steinberg daran, dass viele Weiße 50 Jahre zuvor in ähnlicher Weise gehandelt hätten: Angesichts des hohen Wirtschaftswachstums in den 60er Jahren wurden viele damals reich - und verloren darüber oft den Bezug zur Realität. Viele wollten es damals nicht wahrhaben, dass die Apartheid nicht fortdauern könne - und bauten sich in lauschigen Vororten, weitab des Elends der Townships, Luxusvillen mit Swimmingpools und teuren Autos.

Die Mbaus, Kunenes oder Zumas, so glaubt Steinberg, hätten diesen Materialismus in extremer Weise kopiert. Die Gefahren liegen für den Autor auf der Hand: "Junges, festes Fleisch wird wabbelig - und roher Fisch verrottet", schreibt Steinberg mit Blick auf das vom Fotomodell geknabberte Sushi und fragt: "Was bleibt dann noch übrig?"