Skip to main content
For a different development policy!

Beitrag vom 24.05.2013

Kölner Stadt-Anzeiger

Der zerstobene Traum der Einheit

Afrikanische Union: Am 50. Geburtstag ist der Staatenbund des Kontinents politisch zerrissen

von Wolfgang Drechsler

Johannesburg. Auch wenn die Afrikanische Union (AU) an diesem Wochenende in Addis Abeba ihren 50. Geburtstag feiert, so bleibt die damals beschworene Vision eines in Frieden und Wohlstand vereinten Kontinents doch ein ferner Traum. Die 54 Staatschefs werden wohl auch diesmal wortgewaltig dem Panafrikanismus huldigen, doch die Anschläge radikaler Islamisten auf eine Gasanlage in Algerien, auf eine Uranmine in Niger, die schweren religiösen Unruhen in Nigeria zeigen jedoch deutlich, wie politisch zerrissen der Kontinent auch ein halbes Jahrhundert nach Gründung der AU ist, damals noch: "Organisation für afrikanische Einheit" (OAU)

Auch wirtschaftlich sind die Hoffnungen von damals längst zerstoben: Mehr als 50 Jahre nach Beginn der Entkolonialisierung sind fast alle Länder Afrikas noch immer vom Export eines einzigen Rohstoffs abhängig und haben keine verarbeitende Industrie wie Asien. Entsprechend spärlich fließen langfristige Investitionen für den Bau von Fabriken. Um solche Gelder zu erhalten, wäre zunächst eine viel engere Kooperation der 54 Staaten des Kontinents vonnöten. Doch bisher ist davon wenig zu sehen. So liegt der Anteil des innerafrikanischen Handels am Gesamtvolumen des Kontinents noch immer bei nur zwölf Prozent.

Wer in Afrika reisen oder handeln möchte, hat zudem eine grauenvolle Bürokratie zu überwinden. Auch das Straßen- und Schienennetz bleibt ein logistischer Albtraum. Erst kürzlich beklagte Kenias neuer Präsident Uhuru Kenyatta, dass die mehr als 70 Millionen Menschen im benachbarten Äthiopien noch immer von der Ostafrikanischen Staatengemeinschaft abgeschnitten blieben, weil in 50 Jahre nicht eine einzige vernünftige Straße gebaut worden sei, die beide Länder miteinander verbindet. Ebenso ernüchternd ist, dass Kenia seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1963 keinen einzigen Kilometer neue Bahnlinie gebaut hat.

Dabei hatte alles so hoffnungsvoll begonnen. Als Ghana 1957 als erstes afrikanisches Land südlich der Sahara unabhängig wurde, war sein Sozialprodukt so hoch wie das von Südkorea oder Taiwan. Doch in Rekordzeit steuerte sein Präsident und AU-Gründervater Kwame Nkrumah das Land in den Ruin. Seine sozialistischen Experimente und der von ihm verordnete Einparteienstaat wurden in Afrika zur Regel. Aus dem Hoffnungsträger Nkrumah wurde der Trendsetter für viele andere Staatschefs des Kontinents: selbstherrlich und realitätsfern. Schon nach zehn Jahren wurde Nkrumah aus dem Amt geputscht. Es folgte eine lange Phase politischer Instabilität - für Ghana wie auch den Rest des Kontinents. Südkoreas Wirtschaftskraft übertrifft heute die von Ghana um das 30-Fache.

Gleichzeitig führte die in Afrika praktizierte Politik der Nichteinmischung dazu, dass seine Diktatoren hoffähig blieben. Der ugandische Schlächter Idi Amin wurde 1975 auf dem Höhepunkt seines mörderischen Treibens zum AU-Vorsitzenden gekürt. Dem Völkermord in Ruanda schaute die AU tatenlos zu.

Die in Afrika wirkungsvollste Integration gelang bei den sozialen Medien und im Mobilfunk. Doch für sich allein wird das nicht reichen, um Anschluss an den Rest der Welt zu gewinnen. Die Zeit drängt. Es war übrigens Kwame Nkrumah, der am Gründungstag der AU warnte: Afrika müsse zusammenarbeiten oder zugrundgehen.