Beitrag vom 02.05.2013
FAZ
Moçambique
Hochtechnologie vom Feinsten und Stromausfälle
Außenminister Westerwelle bezeichnet Moçambique bei einem Besuch in Maputo als "Anker der Stabilität in der Region". Das erscheint allerdings zweifelhaft.
Von Thomas Scheen, Maputo
Es gab Großes zu bereden beim Besuch des deutschen Außenministers Guido Westerwelle und den mitreisenden Wirtschaftsvertretern in Maputo, der Hauptstadt Moçambiques, am vergangenen Dienstag. Von Kohleverflüssigung zur Herstellung von Kerosin war die Rede und von einer Technik, bei der das dabei anfallende Kohlendioxid in Kalkschichten gepresst wird, womit die Spritproduktion emissionsneutral wäre - Hightech vom Feinsten. Drei deutsche Unternehmen haben sich dafür in einem "Mozambik Konsortium Clean Carbon Industrie" organisiert. Der moçambiquanische Ministerpräsident Alberto Vaquina, so hieß es, habe sich sehr interessiert gezeigt.
Zehn bis 15 Milliarden Euro könne ein Projekt solchen Volumens generieren. Kurz nach Westerwelles Besuch beim Ministerpräsidenten ging in Maputo wieder einmal das Licht aus. Die Stromversorgung in diesem Land ist mehr oder weniger zufällig. In Moçambique ist für die Zukunft das Beste gerade gut genug, im Hier und Jetzt aber funktionieren nicht einmal vergleichsweise einfache Dinge.
Seit 21 Jahren ist der Bürgerkrieg in dem südafrikanischen Land überwunden, doch so richtig auf die Beine kommt es trotzdem nicht. Während die Hauptstadt boomt und mit Lebensmittelpreisen aufwartet, die selbst Gutsituierte zum Einkaufen ins nahe Südafrika treibt, herrscht im Hinterland Trostlosigkeit. Der Hafen Maputos hat sich zu einem wichtigen Umschlagplatz für südafrikanische Import- und Exportgüter entwickelt, in der zweitgrößten Stadt Beira aber sieht es immer noch aus, als sei der Krieg gerade erst zu Ende gegangen. In der Provinz Tete an der Grenze zu Malawi beuten unter anderem die beiden Rohstoffkonzerne Vale und Rio Tinto gegenwärtig Kohlevorkommen aus, die angeblich zu den größten der Welt gehören. Es ist aber nichts weiter als ein Gerücht, dass die dabei erzielten Einnahmen der Regierung in die Schaffung von Schulen und Krankenhäusern gesteckt werden.
Hohes Wirtschaftswachstum, hohe Arbeitslosigkeit
Die Wirtschaft des Landes wächst seit geraumer Zeit um durchschnittlich sieben Prozent im Jahr, und doch ist die Arbeitslosigkeit gerade bei jungen Menschen sehr hoch. Moçambique ist der klassische Fall eines bitterarmen Landes, das unverhofft zu Reichtum gelangt ist: Eine dünne Oberschicht wird immens reich, und der Rest muss mit den gestiegenen Lebensmittel- und Mietpreisen zurechtkommen. Auf absehbare Zeit wird sich daran wohl nichts ändern, das Gegenteil scheint eher der Fall zu sein: Vor der Küste des Landes lagern Erdgasvorkommen, die sich auf angeblich 2,8 Billionen Kubikmeter belaufen. Damit wären die moçambiquanischen Vorkommen so groß wie die von Qatar und könnten das Land auf absehbare Zeit zum drittgrößten Produzenten der Welt aufsteigen lassen.
Es ist daher etwas verwegen, Moçambique als "Anker der Stabilität in der Region" zu preisen, wie Westerwelle es beim Treffen mit seinem Amtskollegen Oldemiro Baloi tat. Soziale Kohäsion als Voraussetzung für Stabilität gibt es in Moçambique kaum. Seit 25 Jahren regiert die ehedem marxistische Befreiungsbewegung Frelimo ("Frente de Libertação de Moçambique") das Land. Aus ihrer Zeit als militärische Organisation hat sie den Kadavergehorsam ihrer Kader in die neue Zeit hinübergerettet. Kritik wird innerhalb der Frelimo nicht geschätzt, Gehorsam dagegen mit einem Aufstieg in der Hierarchie belohnt. Darin ähnelt die Frelimo den ehemaligen Befreiungsbewegungen in Südafrika und Zimbabwe, dem African National Congress und der Zanu-PF. Die Partei hat alle Institutionen des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. In Armee, Polizei, Staatsanwaltschaft oder Verfassungsgericht ist eine Karriere ohne Parteibuch von vorneherein zum Scheitern verurteilt. "Arroganz der Macht und der Mächtigen" nennt das der moçambiquanische Politologe Adriano Nuvunga.
Wie so etwas im schlimmsten Fall enden kann, zeigen die Vorfälle von Anfang April in der Stadt Muxungue. Dort hatte ein Kommando der Renamo ("Resistência Nacional Moçambicana"), der mit 51 von 250 Sitzen die zweitstärksten Partei im Parlament, eine Polizeistation überfallen und vier Beamte ermordet. Der Renamo-Führer Afonso Dhlakama bezeichnete den Überfall als Racheaktion für vorangegangene Schikanen durch die Polizisten. Doch dahinter steckt eher das Gefühl, übergangen zu werden. In den Köpfen der meisten Moçambiquaner ist der Bürgerkrieg von 1977 bis 1992 schon deshalb nicht beendet, weil es niemals eine öffentliche Auseinandersetzung mit den von beiden Seiten begangenen Greueltaten gegeben hat. Der ehemalige Präsident Joaquim Chissano war sich dessen bewusst und hat deshalb den Gesprächsfaden mit der Renamo-Führung auch dann nicht abreißen lassen, als er mit einer Dreiviertelmehrheit regierte. Dieses politische Fingerspitzengefühl geht seinem Nachfolger Armando Guebuza ab, der nicht einmal Anrufe des Oppositionsführers entgegennimmt.