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For a different development policy!

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Sun, 27 Sep 2009 - 03:16

Uwe Jung, Jaunde, Kamerun
Posting

Wenn ich mir die Liste der Unterzeichner des Bonner Aufrufs anschaue, fällt mir neben der konzentrierten Erfahrung "im Feld" besonders auf, dass dieselbige sehr häufig bereits ein paar Jahre zurückliegt.

Dieser Eindruck wird umso stärker, wenn man nach Unterzeichnern sucht, welche sich zum jetzigem Zeitpunkt beruflich in Afrika aufhalten und ihre Brötchen vom deutschen Steuerzahler bezahlt bekommen. Denn ein solcher Typ von Unterzeichner ist leider sehr selten!

Fast könnte man meinen, das BMZ hätte mit seiner argumentativen Breitsseite recht, wonach die vom Aufruf kritisierte Entwicklungshilfepolitik heutzutage in dieser Form nicht mehr stattfindet.

Merkwürdig, denn sobald man hier in Jaunde mit EZlern über den Aufruf ins Gespräch kommt, zeigt sich ein anderes Bild. Mir gegenüber hat sich jedenfalls noch niemand gänzlich ablehnend über den Aufruf geäußert. Das Gegenteil ist eher der Fall. Viele Bekannte heben hervor, dass eine öffentliche Diskussion über Sinn und Unsinn von Entwicklungshilfe überfällig ist.

Was ist hier los? Es hat den Anschein, als ob mancheiner sich die öffentliche Unterstützung für später aufheben will.

Sicher die Arbeitsverträge sehen in der Regel strikte Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber vor. Aber sollten sie in diese Fall eigentlich nicht genauso gut Loyalität gegenüber dem Steuerzahler vorschreiben?

Was ist zu tun, wenn mit jeder neuen beruflichen Enttäuschung die Resignation zunimmt, aber gleichzeitig die Klappe gehalten werden muss?

Ich möchte nicht wissen, wieviele ehemals glühende Verfechter von "noch mehr Hilfe" sich vor Ort jeden Enthusiasmus entledigen mussten. Dieses Gefühl des persönlichen Scheitern manifestiert sich nicht selten in persönlichen Krisen - mit allem, was dazu gehört!

Wie oft sitzt man da, und fragt sich wie es besser gehen könnte - wie man wirklich, effizient und ohne negative Nebenwirkungen wenigstens einen Teil der Probleme lösen könnte, die einem auf Schritt und Tritt vor Ort begegnen.

Irgendwann kommt man dann auf die reichlich deprimierende Antwort, dass man selbst ein Teil des Problems ist.

Denn unser Versuch, Probleme nach unseren Maßstäben zu benennen und lösen zu wollen, kann eigentlich nur regelmäßig in Katastrophen enden. Es liegt an uns selbst und an unserer Ehrlichkeit, den damit verbundenen Schaden auf ein Minimum zu begrenzen.

Ich kann all die betroffenden De-facto-Befürworter-aber-das-Risiko-Abwägenden an dieser Stelle eigentlich nur dazu auffordern, den Mut aufzubringen, sich der persönlichen Verantwortung an diesen Zuständen offen zu stellen.

Das soll nicht heißen, dass man nun frustiert den Job hinwirft und sich stattdessen ins Räderwerk einer auf Perfektion getrimmten einheimischen Ökonomie einspannen lässt. Ganz im Gegenteil! Es finden sich auch unter Berücksichtigung bestehender Arbeitsverträge und informeller Netzwerke immer noch genug Möglichkeiten, gegenüber fernen Entscheidungsträgern ausreichend Bedenken zu äußern, sollte das eigene Gewissen dies für erforderlich halten.

***

Abschliessend noch ein Beispiel für die Richtigkeit der These, dass zumindest in Kamerun von offizieller Seite keinerlei Interesse an einer auf die Bedürfnisse der Bevölkerung ausgerichteten "Entwicklung" besteht. Denn während dieses mangelnde Interesse nahzu überall ins Auge fällt, gibt es doch einen Bereich, der als sehr gut "entwickelt" zu betrachten wäre.

Die Rede ist von den verschiedenen Strukturen zur Befriedigung des gesteigerten Sicherheitsbedürfnisses der herrschenden Elite. Wer mal nach Kamerun kommt oder aber dort lebt, der sollte mal versuchen, sich ein Bild von der Effektivität des dortigen Geheimdienstes zu machen. Der funktioniert hervorragend - natürlich insbesondere aus der übergeordneten Perspektive!

Allein dieses Beipiel sollte jedem zu denken geben, der die Ursache der meisten Probleme Afrikas nicht zu allererst am fehlenden Willen der Herrschenden festmacht.

Natürlich ist diese sich über weite Teile des Kontinents erstreckende Willenlosigkeit NICHT auf kulturelle oder gar biologische Defizite zurückzuführen (Motto: Der Afrikaner ist halt so...). Vielmehr wird hier von den Mächtigen extrem rational gehandelt, in dem der Zugang zu den begrenzten Ressourcen mit minimalinvasiven Investitionen geschaffen und über das preiswerte und äußerst effektive Mittel des staatlichen Terrors gesichert wird.

Nahezu jede "Weißnase", würde übrigens über kurz oder lang in ähnlichen Situationen ähnlich handeln.