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For a different development policy!

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Tue, 14 Apr 2009 - 13:14

Dr. Heinrich Langerbein, Bonn
Posting

Der "Bonner Aufruf (Plus)" ist insbesondere wegen seiner kritischen Haltung zum Hilfe-Volumen sehr zu begrüßen.
Bekanntlich ist es den staatlichen und privaten Geber-Institutionen zur Freude der kleinen Macht-Eliten in den besonders armen Ländern bisher stets gelungen, eine Diskussion über das optimale Hilfe-Volumen zu vermeiden. Seit rund 50 Jahren gilt das Dogma, "der Bedarf an Entwicklungshilfe ist praktisch unbegrenzt", der "Hauptgrund der zunehmenden Armut, insbesondere in Schwarzafrika, ist das zu geringe Hilfe-Volumen".
Dabei gibt es nur wenige entwicklungspolitische Problempunkte, bei dem die Diskutierenden eine unter einander völlig unbestrittene Faktenlage haben könnten. Niemand zweifelt nämlich die Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der UN-Familie - wozu auch die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) gehören - an.
Diese Statistiken sagen zweifelsfrei: Es gibt unter den mehr als 100 Entwicklungsländern keine Volkswirtschaft, die nach jahrzehntelanger massiver Entwicklungshilfe sozial und wirtschaftlich real vorangekommen ist. Das seit rund 50 Jahren am meisten geförderte Land der Welt, Tansania, hat sozial und wirtschaftlich das Niveau, das es Ende der 60er Jahre hatte. Jedes Entwicklungsland, das kaum gefördert wurde oder weitgehend nur eine mäßige Anschub-Hilfe erhielt, hat sich deutlich entwickelt. Die wenigen Länder in Schwarzafrika, die sich einer massiven Umarmung durch die Entwicklungshilfe entziehen konnten, hatten - bei gleichem Entwicklungsstand in den 60er Jahren - eine wesentlich rasantere Entwicklung zu verzeichnen als China. Hier denke ich z.B. an das kleine Inselland Mauritius, ohne Boden-Rohstoffe und mit einer sehr heterogenen Bevölkerungsstruktur. ( Aus dieser Betrachtung habe ich alle Staaten mit jahrzehntelangen politischen Problemen und Konflikten ausgeklammert.)
Nun eine geraffte Entwicklungshilfe-Darstellung Schwarzafrikas für das Jahr, für das die letzten abgesicherten Zahlen vorliegen, für 2005. Dabei unterstelle ich die Wahrhaftigkeit der Geber zur folgender Politik: Abgesehen von der Überlebenshilfe blieb es beim bisherigen Verfahren, die Unterstützung grundsätzlich nur für investive Zwecke und nur Hilfe zur Selbsthilfe einzusetzen.
Wir stellen bei dieser generalisierenden mechanistischen Betrachtung zunächst fest, dass 23,0 % des Bruttoinlandsprodukts bereits als einheimische Sparmittel zur Verfügung standen, obgleich die Finanzierung der Investitionen nur ein Sparkapital von rund 20 % erforderte. Vom Ausland flossen noch die private Entwicklungshilfe, die erheblichen Mittel der Wanderarbeiter sowie der internationalen Finanzierungs-Institute und privaten Auslandsbanken nach Schwarzafrika hinein. Bereits dieses Finanzierungsvolumen war mindesten doppelt so hoch wie der Anlage-Bedarf. Gleichwohl schaffte es die öffentliche Entwicklungspolitik, ergänzend 10 % des Bruttonationaleinkommens als Entwicklungshilfe in die Region zu pressen. (2010 sollen es sogar 20 % sein, also - nach dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe" - rund 100 % der Ausgaben für investive Zwecke zur Verfügung zu stellen). Die Zahlen zeigen, dass es bereits 2005 unmöglich war, bei einem mehr als doppelt so hohen Finanzierungs-Angebot für investive Maßnahmen, die Gelder für sinnvolle Vorhaben unterzubringen.
Doch die Entwicklungshilfe ist erfinderisch. Die Möglichkeit bietet die Budget-Hilfe, für die sich nun erklärtermaßen auch die deutsche staatliche Entwicklungshilfe begeistert.
Vorbild ist der IWF. Er nennt diese Hilfe aus Werbegründen Armutsbekämpfungs-Maßnahmen, stellt sie aber niemals für entsprechende Programme, sondern den Haushalt des Nehmerlandes für alle notwendigen Maßnahmen zur Verfügung. Der IWF ist mit seinen Geldgebern darin völlig einig, dass diese Mittel auf ihre Verwendung nicht kontrollierbar sind, weil sie - wie er ausdrücklich feststellt - "fungibel" sind. Sie können damit beispielsweise zu 100 % für Waffeneinkäufe verwendet werden, ohne dass dies auf Geberseite - etwa beim Steuerzahler - auffällt. Der staatliche Geber kann stets ein "gutes Gewissen" haben, denn die Macht-Eliten des Entwicklungslandes versprechen vorher, die Mittel für investive Zwecke im Bereich der Armuts-Bekämpfung und des Umweltschutzes zu verwenden. (Ein Schalk, der dabei Böses denkt!)
Die zunehmend im Entwicklungsland nicht mehr zu verwendende Hilfe wird nunmehr in noch höherem Maße in nicht kontrollierbaren dunklen Kanälen zur Freude der Macht-Eliten landen. Was dann noch übrig bleibt, trägt zum Teil zu den sich stark vermehrenden Währungs-Reserven bei. Sie werden wohl weitgehend eingesetzt werden müssen, den USA eine Zahlungsbilanz-Hilfe von Seiten der besonders armen afrikanischen Länder zu gewähren. 2007 reichten die schwarzafrikanischen Währungsreserven bereits, um 8,5 % Monats-Importe dieser Staaten zu finanzieren. Dagegen sieht Deutschland äußerst arm aus. Die deutschen Währungs-Reserven schafften es gerade zum Import von 1,5 Monaten. Angesichts dieser Tatsache stellt sich die Frage, ob ein Teil der völlig sinnlos an Schwarzafrika gegebenen Hilfe nicht wesentlich hilfreicher z.B. bei der Bekämpfung der Kinderarmut in Deutschland sein könnte.
Warum hat die übermäßige Hilfe an die Dritte Welt so wenig den Armen und dem Umweltschutz geholfen? Mein Angebot zur Diskussion: Die staatliche, aber auch private Entwicklungshilfe möchte Vorhaben fördern, die eine langfristige Breitenwirkung haben. Wer entsprechende Projekte sucht, wird 5 bis 10 Jahre nach der Förderzeit aber fast immer nur noch "Ruinen" finden. Warum? Während der Unterstützung spielen die Kosten nur eine untergeordnete Rolle für das Entwicklungsland. Die pflegliche Behandlung von Gegenständen wird als überflüssig empfunden. Das konkurrierende Umfeld mit normaler Kostenstruktur kann auf diese Weise leicht wirtschaftlich vernichtet werden. Nach der Förderzeit ist das Vorhaben auf sich allein gestellt. Es fällt kein "Manna mehr vom Himmel." Dann dehnt sich die wirtschaftliche Wüste auch auf das Vorhaben aus. Insgesamt werden alle ärmer. Immer mehr Entwicklungs-Vorhaben müssen anschließend als "Strohfeuer" her, um die Korruptions-Abgaben an die kleine Macht- und Geld-Elite zu zahlen und den Abstieg in die Armut breiter Bevölkerungskreise etwas zu verlangsamen. Meine Schlussfolgerung: Massive Reduzierung der Entwicklungshilfe. Die Geber stellen ihre Hilfe - auch die Technische Zusammenarbeit - zu normalen Kredit-Bedingungen für die Zwecke zur Verfügung, die entwicklungspolitisch sinnvoll sind, für die Finanzierungs-Beträge aber aus dem öffentlichen Haushalt oder vom Kapitalmarkt nicht vollständig zu erhalten sind. Bei sozialen Projekten, die sich wirtschaftlich nicht rechnen, beteiligt sich das Nehmerland mit Subventionen ( im Sinne des "Ownership-Gedankens").