Skip to main content
For a different development policy!

In Swasiland warten viele nur noch auf den Tod

Swasiland
Die Welt Autor: Ulrich Werner Schulze In Swasiland, einem der kleinsten Staaten Afrikas, tragen 40 Prozent der Bevölkerung den Aids-Virus in sich. Das Land hält viele traurige Rekorde. ... Swasiland hält viele traurige Rekorde. Der Tiefpunkt der desolaten sozialen Strukturen aber wurde in diesem Frühjahr erreicht: Nie flohen von den wenigen Gebildeten so viele aus Swasiland ins benachbarte Südafrika oder Mosambik, um dort zu arbeiten. Zurück bleiben Großeltern, die irgendwie versuchen, ihre Enkel durchzufüttern. Aids hat in wenigen Jahren eine tiefe Kluft in der Bevölkerungsstruktur geschlagen, die durch die Armut nur noch immer tiefer wird. Swasiland ist ein "Land der Waisen". Und ein Königreich der Armen. Die Monarchie droht auszusterben. ... Vor zwanzig Jahren noch betrug die Lebenserwartung hier 65 Jahre, zur Jahrtausendwende 43 Jahre, heute liegt sie bei 29 Jahren. Die Lebenserwartung ist ein Indikator für die Existenzfähigkeit eines Landes. Der Krankenstand kennzeichnet die Widerstandskraft. Die Arbeitslosenzahl die wirtschaftliche Zukunft. Export deutet Unabhängigkeit an, Import Abhängigkeit. Wirtschaftlich - Energie, Kaufkraft, Mobilität - hängt Swasiland zu hundert Prozent am Tropf Südafrikas. Die Landeswährung Lilangeni ist an den südafrikanischen Rand gekoppelt, der Rand an den US-Dollar. Der Dollar verliert, der Euro steigt. Vor fünf Jahren waren sieben Rand ein Euro, heute sind es zwölf Rand. Mit dem sinkenden Dollar sinkt der Lebensstandard in Südafrika. Bruttosozial- und Inlandsprodukt fallen und fallen. ... Fünf Jahre nach der verheerenden Dürre, die von 2001 bis Ende 2003 den südlichen Gürtel Afrikas lähmte, die die Menschen fast ersticken ließ und Rinder auf den Feldern verdursten, die blühende Zuckerrohrhaine in ein graues Meer ausgetrockneter Zweige verwandelte; fünf Jahre nach diesem Desaster gibt es, so merkwürdig dies klingen mag, tatsächlich Zeichen für eine sachte Verbesserung des allgemeinen Zustands, über den vor fünf Jahren schaurige Geschichten um die Welt gegangen waren. Garniert mit skurrilen Schilderungen über König Mswati III., der sich Ngwenyama - "der Löwe" - nennt und bei festlichen Anlässen ein Löwenfell zu tragen pflegt. Mswati III. hat 13 Ehefrauen - Polygamie ist auch in der neuen, im Januar 2007 verabschiedeten Verfassung verankert -, die je einen BMW, einen Fahrer, eine Residenz, einen Kral und eine frei verfügbare Kreditkarte haben. Dass der König im Lande dennoch geachtet, fast verehrt wird, auf gewisse Weise sogar eine Integrationsfigur ist, hat mit seinem ausgeglichenen Wesen, seiner ausgesprochenen Freundlichkeit, seinem ausgezeichneten Benehmen - er wurde in England geschult - aber mehr noch mit der unüberwindbaren Harmoniesucht und der Lethargie der Swasis zu tun. Jedes Jahr lässt der König an seinem Geburtstag - dem 19. April - mehrere Dutzend Ochsen schlachten, in Kesseln Ugali (Reisbrei) kochen, Mais liefern, Gemüse zubereiten, in einem der vier Landesbezirke ein Festzelt errichten, einen kostenlosen Bustransport für alle Swasis organisieren: Einen Tag feiert er mit der Bevölkerung. Dies schafft Identität. In einem Land, in dem allein von Juli 2007 bis Juli 2008 Benzin und Diesel als Folge der weltweiten Ölkrise um 40 Prozent teurer wurden, aber kaum noch einer diesen Preis bezahlen kann, in dem von hundert Menschen sechzig Hunger leiden - hier erströmt des Königs Geste noch den Zauber von Zuversicht. ... --------------------------------------- Der Autor hat 2003 und 2004 in Swasiland gearbeitet. Nach fünf Jahren war er im Juli wieder dort